Der Berliner Mietenschutzschirm

So richten wir Berlins Wohnungsmarkt
gemeinwohlorientiert aus!

Ein Panoramabild von Berlin, im Vordergrund ist eine Straße mit Bäumen und Wohnhäusern zu erkennen hanohiki via Getty Images

Ein Grundrecht auf Wohnen, nicht auf Profite! Dieses Prinzip leitet uns Grüne. Wir stehen für ein kiezlebendiges Berlin, mit der Berliner Mischung und mit der Gewissheit, im selbst gewählten sozialen Umfeld alt werden zu dürfen. Und mit genug Wohnungen auch für die, die neu nach Berlin kommen. Doch der Berliner Wohnungsmarkt ist vollkommen aus den Fugen geraten. Menschen, die neu nach Berlin kommen, finden keine bezahlbare Wohnung. Bestandsmieter*innen können kaum mehr umziehen, weil sie selbst für kleinere Wohnungen höhere Mieten zahlen müssen. Über die Hälfte der Berliner Mieter*innen haben Angst, aus ihrem Zuhause vertrieben zu werden. Massive Mietsteigerungen, unzureichende Investitionen in Neubau und Instandhaltung, Missbrauch der energetischen Modernisierung, explodierende Nebenkosten, exzessive Bodenspekulationen und unberechtigte Eigenbedarfskündigungen – der Mietmarkt in Berlin ist weiterhin extrem angespannt.

Die Probleme sind so groß und vielfältig, dass nicht eine einzelne Maßnahme ausreichen wird, um sie zu lösen. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Mietendeckel hat zudem einmal mehr deutlich gemacht, dass die gesetzlichen Handlungsspielräume der einzelnen Bundesländer insgesamt sehr begrenzt sind. Die Große Koalition auf Bundesebene könnte handeln – hat dies aber bislang nicht getan.

Weckruf ernst nehmen – Volksbegehren nutzen

Wohnen ist DIE soziale Frage in Berlin. Die vielen Initiativen, die vielen Demonstrationen, der große Zuspruch zum Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ zeigen, wie sehr die Berliner*innen von der Politik Lösungen erwarten. Es muss dauerhaft ausreichend bezahlbaren Wohnraum geben, sowohl für Menschen mit geringen als auch mit mittleren Einkommen. Als Berliner Bündnisgrüne stehen wir dabei fest an der Seite der Mieter*innen und wollen den Druck des Volksentscheids als Auftrag verstehen und nutzen, um auf einen rechtssicheren Weg einen sozialen und klimafreundlichen Wohnungsmarkt in Berlin zu schaffen.

Und die Zeit drängt. Wenn Berlin eine lebenswerte Metropole für alle bleiben soll, dann müssen wir jetzt den Berliner Wohnungs- und Mietenmarkt vom Kopf wieder auf die Füße stellen. Unser Vorbild ist Wien. Hier existiert ein gemeinnütziger Wohnungsmarkt von kommunalen, wie genossenschaftlichen Häusern, der so groß ist, dass er eine echte Marktmacht und somit steuernden Einfluss auf den gesamten Wohnungsmarkt Wiens hat. Genau das ist unser Ziel auch in Berlin: mehr als 50 Prozent des gesamten Wohnungsbestands in gemeinwohlorientierter Hand. Doch wir haben dafür keine 100 Jahre Zeit, wie Wien. Wir müssen jetzt handeln.

Mit dem Berliner Mietenschutzschirm wollen wir deshalb ein wirksames gemeinwohlorientiertes Instrument schaffen, das alle Vermieter*innen, die sich gemeinwohlorientierten Zielen verpflichten, dabei fördert und unterstützt. Wir machen damit allen privaten Eigentümern und Wohnungsunternehmen ein politisches Angebot. Ein Angebot, mit dem wir auch ohne Vergesellschaftungen dauerhaft genug bezahlbare Wohnungen in gemeinwohlorientierter Hand schaffen können. Dennoch behalten wir uns das grundgesetzliche Instrument der Vergesellschaftung als Ultima Ratio vor, denn Scheitern ist keine Option.

Ein Mietenschutzschirm für Berlin

Der Kern der Idee ist: Wir setzen attraktive Anreize für alle Vermieter*innen, mit uns zusammen den Berliner Mietenschutzschirm aufzuspannen und sich rechtlich verbindlich dem gemeinwohlorientierten Wirtschaften zu verpflichten, beim Neubau genauso wie bei der Bewirtschaftung der Bestände. Die Einhaltung der Verpflichtungen wird regelmäßig überprüft und zugleich eine Anlaufstelle für Vermieter*innen geschaffen werden. Mit dem Berliner Mietenschutzschirm werden wir einen verbindlichen Pakt zu Gunsten der Mieter*innen aushandeln.

Es geht um einen Pakt mit allen Vermieter*innen, die sich Berlin und dem Gemeinwohl verpflichtet fühlen. Die Vereinbarung wird unter der Maßgabe abgeschlossen, dass sie drittschützend zu Gunsten gegenwärtiger und künftiger Mieter*innen wirkt, so dass diese sich unmittelbar auf diese Vereinbarung berufen können. Also ein Pakt zwischen dem Land Berlin und Vermieter*innen zugunsten der Mieter*innen.

Den Pakt werden wir zusammen mit Mieter*innen und Vermieter*innen verhandeln, legen aber schon heute klare Eckpunkte vor, was gemeinwohlorientiertes Vermieten für uns bedeutet:

I. Mieten bezahlbar halten

1. Mietenmoratorium für 5 Jahre

a) Für 5 Jahre gilt ein Mietenmoratorium mit eingefrorenen Mieten. Ein Inflationsausgleich soll bei niedrigen Mieten angerechnet werden können.

b) Dauerhaft wird der Berliner Mietspiegel als qualifizierter Mietspiegel und alleiniges Begründungsmittel für Mieterhöhungen anerkannt. Abweichungen werden mit Vertragsstrafen belegt.

c) Der Mietenschutzschirm umfasst die Verpflichtung, sich nicht auf die Ausnahmeregelung zur Mieterhöhung gemäß §556f BGB zu berufen. Dies bedeutet, dass auch im Falle der Wiedervermietung nach umfassender Modernisierung die Mietpreisbremse anzuwenden ist.

d) Diese Regelungen gelten auch für möblierte Wohnungen.

 

2. Wiedervermietung sozial ausrichten

a) Der Mietenschutzschirm umfasst die Verpflichtung, jede zweite freiwerdende Mietwohnung an Mieter*innen mit Wohnberechtigungsschein zu vermieten.

b) Jede Wiedervermietung erfolgt maximal in Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete.

 

II. Mietwohnungen und Mieter*innen schützen

3. Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen ausschließen

a) Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen werden ausgeschlossen.

 

4. Wohnungslosigkeit vermeiden und Mieterrechte stärken

a) Bei ersten Hinweisen auf Mietschulden verpflichten sich die Vermieter*innen, schnell auf die Mieter*innen zuzugehen und in Kooperation mit den bezirklichen Ämtern für Soziales außerordentliche Kündigungen und Räumungen zu verhindern.

b) Mieterbeiräte/Mieterräte werden regelmäßig gewählt und anerkannt.

c) Mieterversammlungen werden jährlich durchgeführt.

 

5. Zweckentfremdung von Wohnraum strikt vermeiden – Leerstand transparent machen

Gemeinwohlorientierte Vermieter*innen verpflichten sich zur strikten Einhaltung des Zweckentfremdungsverbotsrechts. Leerstehender Wohnraum wird transparent veröffentlicht.

 

6. Wohnungstausch zwischen gemeinwohlorientierten Vermieter*innen gewährleisten

Gemeinwohlorientierte Vermieter*innen verpflichten sich, den Wohnungstausch untereinander zu ermöglichen und stetig zu verbessern. Ziel ist es vor allem kleinen Haushalten in (zu) großen Wohnungen bezahlbare Alternativen in kleineren Wohnungen anzubieten, um eine effiziente Auslastung des Wohnraums zu ermöglichen. Das Land Berlin stellt eine entsprechende Plattform zur Verfügung.

 

III. Investitionsoffensive in Mietwohnungen

7. Klima- und Mieterschutz: Energetische Modernisierungen sozialgerecht durchführen

a) Heizanlagen, die mit Heizöl oder mit festem fossilem Brennstoff betrieben werden, sind bis zum 31.12.2023 außer Betrieb zu nehmen. Die Modernisierungen solcher oder noch veralteterer Heizanlagen wird nicht auf die Miete umgelegt.

b) Modernisierungsumlagen werden auf maximal 1,50/qm begrenzt und dürfen nicht zu einer Miete führen, die 30 % des Nettoeinkommens der Mieter*innen überschreitet. Ein solcher Fall konstituiert einen Härtefall und berechtigt die Mieter*innen zu einem Ausgleich über einen Härtefallfonds. Dabei beteiligt sich das Land Berlin zur Hälfte an den entsprechenden Kosten.

 

8. Neubau fordern und fördern

Gemeinwohlorientiertes und mieterfreundliches Vermieten braucht Vertrauen in eine systematische Instandhaltung und Modernisierung. Gleichzeitig ist eine Erweiterung des Bestandes durch Neubau nötig. Berlin braucht eine Investitionsoffensive im Wohnungsmarkt. Dazu muss auch die private Wohnungswirtschaft ihren Beitrag leisten. Ausschüttungen und Dividendenzahlungen werden für mindestens drei Jahre ausgesetzt und die Überschüsse und Gewinne stattdessen für Investitionen eingesetzt. Sie bleiben so im Unternehmen, das aber seinen Bestand und die Werthaltigkeit seiner Wohnungen erhöht.

 

IV. Anreize schaffen – gemeinwohnorientierte Investitionen fördern

a) Das Land Berlin wird im Gegenzug die Förderung durch Zuschüsse und zinsgünstige Darlehen ausdehnen. Die Immobilienförderung der IBB wird aufgestockt, die Förderbedingungen erweitert, die Zinskonditionen noch einmal verbessert und weitere Zuschüsse für gemeinwohlorientierte Vermieter*innen ermöglicht – insbesondere beim Neubau und bei der energetischen Sanierung.

b) Das Land Berlin wird gemeinwohlorientierten Vermieter*innen verstärkt Förderungen für Wohnungen im mittleren Preissegment zukommen lassen, damit Wohnungen auch für Menschen mit durchschnittlichen Einkommen entstehen.

c) Für gemeinwohlorientierte Vermieter*innen werden die Verfahren zur Förderungsbeantragung deutlich entschlackt.

d) Gemeinwohlorientierte Vermieter*innen werden als potenziell begünstige Dritte im Rahmen von Vorkaufsrechtsprüfungen berücksichtigt.

e) Nur gemeinwohlorientierte Vermieter*innen werden bei Grundstücksvergaben des Landes Berlin berücksichtigt und erhalten einen vergünstigten Erbbauzins.

f) Das Land Berlin stellt gemeinwohlorientierten Vermieter*innen vergünstigte Bürgschaften zur Verfügung.

g) Gemeinwohlorientierte Vermieter*innen bekommen kostenlose Beratung und auch Planung für energetische Modernisierung.

h) Das Land Berlin verpflichtet sich langfristig zu dieser verbindlich geschlossenen Zusammenarbeit im Rahmen des Mietenschutzschirms und bietet so den gemeinnützigen Vermieter*innen dauerhaft auch Rechtsfrieden und Sicherheit.

Durch diese und andere Anreize wollen wir es schaffen, dass nicht nur die privaten Wohnungsunternehmen den Berliner Mietenschutzschirm in Betracht ziehen, die durch den Volksentscheid unter Druck geraten sind, sondern auch die vielen kleinen Vermieter*innen, Genossenschaften oder Stiftungen. Somit wollen wir unserem Ziel eines zu mindestens 50 Prozent gemeinwohlorientierten Wohnungsmarkts näherkommen.

Chance mehr Mieter*innen zu schützen

Uns ist bewusst, wie groß diese Herausforderung ist. Deshalb glauben wir auch, dass wir die Vergesellschaftung als Ultima Ratio nicht vom politischen Verhandlungstisch nehmen können. Aber wir wollen ein politisches Instrument bauen, das schneller und rechtsicherer wirksam werden kann. Ein Weg, der das verbindet, was wir schon immer gefordert haben: mehr als 50 Prozent gemeinwohlorientierte Mietwohnungen in Berlin – sowie die Unterscheidung nicht nach Großen und Kleinen, sondern zwischen fairen Vermieter*innen und solchen, die ausschließlich nach Gewinnmaximierung streben.

Wir sehen in diesem Weg eine echte Chance zum Wohle der Stadt, die ohne langwierige Schlachten vor Gericht auskommt. Eine Chance, noch mehr Mieter*innen zu schützen, als es durch die Vergesellschaftung von Wohnungsunternehmen über 3.000 Wohnungen potentiell möglich erscheint. Wird dieses Angebot nicht angenommen, dann ist allerdings klar, dass wir auch den nächsten Schritt gehen müssen, und den werden wir, sollte das Volksbegehren angenommen werden, auch parallel beginnen vorzubereiten. Wir werden die rechtlichen und finanziellen Fragen einer Vergesellschaftung klären und ein Mietkataster aufbauen, das u.a. zur Bestimmung der gegebenenfalls zu vergesellschaftenden Wohnungen nötig ist.

Berlin hat jetzt noch die Chance, die Mietenfrage nachhaltig zu lösen, gemeinsam mit der Stadtgesellschaft und ihren verschiedenen Akteur*innen. Wir sind bereit, dafür neue Wege zu gehen.

Auf einen Blick:

  • Alle Infos zum Mietenschutzschirm findet ihr hier.
  • Ihr habt Fragen zum Mietenschutzschirm? Schaut hier ins FAQ.
  • Unsere Pressemitteilung zum Mietenschutzschirm findet ihr hier.