Bündnis 90/Die Grünen Berlin treten der Berliner Allianz für Freiheitsrechte bei

17.05.18 –

Beschluss des Landesausschuss Bündnis 90/Die Grünen Berlin vom 16. Mai 2018

Bündnis 90/Die Grünen Berlin treten der Berliner Allianz für Freiheitsrechte bei. Das Bündnis setzt sich gegen eine Ausweitung von Ton- und Videoüberwachung an öffentlichen Orten ein und stellt sich damit gegen das derzeit laufende Volksbegehren für mehr Videoüberwachung in Berlin.

Der vollständige Aufruf im Wortlaut:

Berliner Allianz für Freiheitsrechte fordert: Nein zur Ton- und Videoüberwachung an öffentlichen Orten

Jedes Jahr wächst Berlin um mehrere zehntausend Menschen. Jedes Jahr besuchen mehr Tourist*innen als im Vorjahr die Hauptstadt, während die Verbrechenszahlen insgesamt nicht steigen. Letztes Jahr sanken sie sogar. Wir wollen, dass Berlin weiterhin eine weltoffene, lebenswerte, freie und sichere Stadt für alle bleibt. Egal ob Sie in Berlin geboren, zugezogen oder nur zu Besuch sind. Egal ob Sie alt oder jung, arm oder reich, gläubig oder ungläubig sind. Damit dies so bleibt, sind wir für alle zielgerichteten Vorschläge offen.
Aber der Vorschlag der Überwachungsinitiative mit dem irreführenden Namen „Aktionsbündnis für mehr Videoaufklärung und Datenschutz“ trägt nicht dazu bei die Freiheit und Sicherheit in Berlin zu verbessern. Der Gesetzesvorschlag des Überwachungsb, über den wahlberechtigte Berliner*innen eventuell 2019 abstimmen könnten, verstößt an mehreren Punkten gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, gegen elementare Grundrechte und unser Verständnis einer freien Gesellschaft.

Was das Überwachungsbündnis will – und warum das kein Beitrag zur Sicherheit ist

Das Überwachungsbündnis will das Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG Bln) so ändern, dass in Berlin prinzipiell an allen öffentlichen Orten eine Ton- und Videoüberwachung möglich ist. Das Überwachungsbündnis will alle Orte, an denen Straftaten geschehen, geschehen könnten, verabredet oder vorbereitet werden oder große Menschenmengen sind, überwachen.
Das soll in Berlin mit bis zu 2500 Kameras an 50 öffentlichen Plätzen geschehen. Die Orte sollen von der Polizei in Zusammenarbeit mit dem zu gründenden Berliner Institut für Kriminalprävention festgelegt. Das Institut soll, in der von der Überwachungsinitiative vorgeschlagenen Form, nur Vorschläge zum Einsatz der Videoüberwachung machen. Es wird nicht wissenschaftlich arbeiten und verstößt gegen verfassungs- und europarechtliche Vorgaben zur Datenschutzaufsicht. Außerdem sollen 300 große Fahrradabstellplätze überwacht werden. Diese Zahlen werden in den Fußnoten des Gesetzesentwurfs, mit dem in den vergangenen Monaten Unterschriften gesammelt wurden, genannt. Mögliche Orte nennt das Überwachungsbündnis nicht. Die Zahl der Kameras, etwa fünfzig pro Ort, wird ebenfalls nicht begründet.
Die Bild- und Tonüberwachung kann, so die Überwachungsinitiative, auch geheim erfolgen. Es soll, ohne eine öffentliche Diskussion, immer die modernste Technik und möglichst „intelligente“ Videoüberwachung eingesetzt werden. So sollen Verbrechen ausschließlich mit technischer Hilfe aufgeklärt und verhindert werden.
Mit der vom Volksbegehren angestrebten „intelligenten“ Videoüberwachung, wird die Unschuldsvermutung missachtet und jeder Mensch im öffentlichen Raum als potentielle Straftäter*in betrachtet. Mittels Algorithmen sollen „akut gefährliche Situationen“ automatisch erkannt werden. Es geht um die Überwachung von Personen, die aufgrund der Prognosen von Algorithmen Straftaten begehen könnten. Oder sich einfach nur auffällig verhalten. Dafür sollen alle Personen, die sich an einem Ort aufhalten, überwacht und ihre Gespräche abgehört werden. Dies ist vollkommen unangemessen und nach geltendem Recht auch nicht verhältnismäßig. Zudem geht mit einer solchen umfassenden Überwachungstechnologie eine große Missbrauchsgefahr einher.
Bisherige Erfahrungen mit der Videoüberwachung sprechen gegen die vollmundigen Versprechen der Überwachungsinitiative, dass durch Videokameras Verbrechen verhindert werden können.
Wenn die Kameras allerdings vor allem zur Aufklärung von Verbrechen eingesetzt werden sollen, fehlt dem Land Berlin die Gesetzgebungskompetenz.

Warum die Berliner Allianz für Freiheitsrechte den Gesetzesvorschlag ablehnt

Das Überwachungsbündnis möchte die Bild- und Tonaufnahmen einen Monat speichern. Verschiedene datenschutzrechtliche Regelungen sehen jedoch vor, dass Videoaufnahmen unverzüglich zu löschen sind. Derzeit speichert die BVG Bildaufnahmen 48 Stunden. Tonaufnahmen fertigt sie überhaupt nicht an.
Das Speichern von Tonaufnahmen ist ein akustischer Lauschangriff, der nur in sehr wenigen Fällen mit hohen juristischen Hürden erlaubt ist. Nach geltendem Strafprozessrecht muss die belauschte Person – auch wenn sie in der Öffentlichkeit abgehört werden soll – verdächtig sein, eine bestimmte Tat begangen zu haben.
Das Land Berlin hat im Bereich der Strafprozessordnung keine gesetzgeberische Kompetenz. Es kann eine so weitreichende Regel, die alle Menschen betrifft, die sich im Umfeld einer nicht zwingend gekennzeichneten Bild- und Tonüberwachung aufhalten, nicht beschließen.

Die Berliner Allianz für Freiheitsrechte fordert: Keine Verhandlungen über diesen Gesetzesvorschlag

Wir, die Unterzeichnenden, halten den Vorschlag des Überwachungsbündnisses für einen gefährlichen Irrweg. Er verstößt gegen elementare Freiheitsrechte und führt nicht zu mehr Sicherheit.
Deshalb lehnen wir diesen unverhältnismäßigen und sehr wahrscheinlich verfassungswidrigen Gesetzesentwurf ab.
Wir, die Berliner Allianz für Freiheitsrechte, fordern den Senat auf, den Vorschlag der Überwachungsinitiative durch den Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin prüfen zu lassen.
Wir fordern die Regierungsparteien auf, nicht mit dem Überwachungsbündnis zu verhandeln.
Wir fordern die im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien auf, den Gesetzesentwurf der Überwachungsinitiative entschieden abzulehnen.

Quelle: www.baff.berlin , abgerufen am 17.5.2018