GEMEINSAM STARK! WIR STREITEN FÜR ALLEINERZIEHENDE UND IHRE KINDER

27.09.19 –

GEMEINSAM STARK! WIR STREITEN FÜR ALLEINERZIEHENDE UND IHRE KINDER

In Berlin leben viele Kinder in den unterschiedlichsten Familienformen. Mehr als jede vierte Berliner Familie ist eine Ein-Eltern-Familie. Als solche sind sie selbstverständlicher Teil des Berliner Alltags. Umso ärgerlicher ist es, dass sich die bundesdeutsche Familien-, Sozial-, und Steuerpolitik nach wie vor an der (heterosexuellen) Normfamilie mit Vater und Mutter ausrichtet. Als Grüne fordern wir seit Jahren, die staatliche Ungleichbehandlung von Familien und die faktische Schlechterstellung von Ein-Eltern-Familien zu überwinden. Dabei haben wir auch die besonderen Belange von Regenbogenfamilien von Beginn an im Blick. Zwar ist die Zahl der Alleinerziehenden zuletzt gesunken (von 104.000 in 2013 auf knapp 99.000 in 2017). Aber in mehreren Bezirken ist das Gegenteil der Fall. Konkret betrifft das Friedrichshain-Kreuzberg, Marzahn-Hellersdorf, Mitte, Pankow und Treptow-Köpenick.
Dass nahezu 90 Prozent der Alleinerziehenden Frauen sind, ist kein nebensächliches Detail. Während alleinerziehende Väter für ihre Leistung oft bewundert werden, kämpfen alleinerziehende Mütter häufig gegen Vorurteile und Herabwürdigung aufgrund sexistischer Diskriminierung: auf Ämtern, im Beruf, in der eigenen Nachbarschaft. Hinzu kommt, dass sich bei ihnen bestimmte negative Faktoren der weiblichen Erwerbsbiografien häufen: Karriereknick, niedrigerer Verdienst, Rentenlücke, Altersarmut usw.
Alleinerziehende und ihre Kinder sind auch oft von Mehrfachdiskriminierungen betroffen:  aufgrund ihres sozialen Status, ihrer „Hautfarbe“ und Körperformen, ihrer Herkunft, Religion, sexuellen Identität oder aufgrund einer Beeinträchtigung von Eltern oder Kindern.  
Kinder aus Ein-Eltern-Familien sind in besonderer Weise von Armut betroffen und armutsgefährdet. In Berlin bezieht rund die Hälfte der Alleinerziehenden SGB II-Leistungen – häufig trotz Erwerbstätigkeit. Die Grüne Bundestagsfraktion hat zuletzt ein Konzept für eine echte Kindergrundsicherung vorgelegt. Sie soll Familien das Leben leichter machen und allen Kindern das garantieren, was sie zum Leben benötigen. Wir fordern den Senat auf, eine solche Kindergrundsicherung mit einer Bundesratsinitiative auf die Tagesordnung des Bundesrates zu setzen. Weiterhin unterstützen wir eine Bundesratsinitiative zur Abschaffung des Ehegattensplittings. Denn als Grüne wollen wir nicht bestimmte Lebensformen (wie die Ehe) fördern, sondern alle Kinder gleichermaßen.

Mit der Ehe für alle haben wir auch die Scheidung für alle. Und immer mehr Lesben und Schwule bekommen Kinder, ohne verheiratet zu sein.  Die aktuelle Gesetzeslage hinkt diesen Entwicklungen hinterher. Wir brauchen eine Reform des Abstammungsrechts sowie eine Weiterentwicklung des Scheidungs- und Sorgerechts.

Ein-Eltern Familien sind ein real gelebtes Familienmodell. Als solches müssen sie gefördert und unterstützt werden – wie alle Familien. Wir Grüne sind uns bewusst, dass Kinder unsere Zukunft sind. Als Gesellschaft sind wir dafür verantwortlich, welche Chancen und Möglichkeiten diese Zukunft hat.

Wir verbessern die gesetzlichen Rahmenbedingungen
Als Grüne haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, ein Familienfördergesetz für Berlin voranzutreiben. Dieses wendet sich an alle Familien in ihrer Vielfalt und soll die spezifischen Bedarfe von Ein-Eltern-Familien berücksichtigen. Unser Ziel ist klar: Bis zum Ende der Legislatur soll ein entsprechender Gesetzentwurf nicht nur ausgearbeitet, sondern auch beschlossen sein. Wir erwarten von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie, dass sie hier entsprechend der Vereinbarung im Koalitionsvertrag zeitnah tätig wird.

Bereits beschlossen ist das neue Jugendfördergesetz. Damit setzt unsere rot-rot-grüne Koalition verbindliche Standards für die städtische Jugendarbeit und stellt diese auf finanziell sichere Füße. Beispielsweise können nun alle Bezirke wieder Erholungsreisen und internationale Begegnungen durchführen. Insbesondere Kinder aus Ein-Eltern-Familien profitieren von diesen kostengünstigen Alternativen zu Familienurlauben, die sich Alleinerziehende häufig nicht leisten können.

Bei einer Neuformulierung des Sorgerechts ist für uns Grüne klar: Die Kinderperspektive muss im Mittelpunkt stehen. Das paritätische Wechselmodell (50/50) mag für einige Eltern eine mögliche und gute Lösung sein. Für Kinder ist dieses Modell häufig mit besonderen Belastungen verbunden. Es muss berücksichtigt werden, dass von einem Kind, das zwischen den Haushalten seiner Eltern pendelt, eine enorme Anpassungsleistung verlangt wird. Das Kind muss beispielsweise mit der Organisation seines Alltags in zwei verschiedenen Haushalten klarkommen und immer genau im Voraus planen, welche Dinge es in welcher Wohnung benötigt. Wir lehnen die Einführung eines bestimmten Betreuungsmodells als gesetzlichen Regelfall nach wie vor ab. Die Orientierung am Einzelfall darf nicht aufgegeben werden. Denn sonst bestünde die Gefahr, dass Entscheidungen zur Betreuung eines Kindes nicht mehr kindeswohlzentriert sind, sondern Elternrechte im Vordergrund stehen. Es darf aber nicht darum gehen, ein Kind gleich zwischen den Eltern zu verteilen, sondern die beste Lösung für das betroffene Kind zu finden.

Zudem wollen wir den Mehrbedarf für die Ausübung des Umgangs sowohl im SGB II als auch steuerlich berücksichtigen. Die grüne Kindergrundsicherung würde auch nur noch zur Hälfte auf den Unterhaltsvorschuss angerechnet werden.

Damit stärken wir Kinder und verschaffen ihnen mehr Sicherheit in ihren Beziehungen zu ihren Eltern – auch für den Fall, dass Ehen oder Partnerschaften auseinandergehen.

Wir entlasten Ein-Eltern-Familien finanziell und zeitlich
Einiges von dem, was wir im Rahmen von der Koalition erreicht haben, entlastet insbesondere Familien, in denen nur ein Haushaltseinkommen (wenn überhaupt) zur Verfügung steht. Das kostenlose Mittagessen an Schulen und das kostenlose BVG- Schüler*innen-Ticket (beides seit 1. August 2019) entlastet Alleinerziehende ganz besonders. Sie sparen dadurch Geld, das viele dringend für andere Ausgaben brauchen: sei es der Schwimmkurs fürs Kind oder die monatliche Rate für die neue Waschmaschine. In besonderer Weise werden dadurch jene Alleinerziehenden entlastet, die bisher im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepakets (BuT) Zuschüsse zu diesen Leistungen beantragen mussten. Erstens werden die Kosten nun komplett übernommen. Zweitens sparen sie Zeit und Nerven, weil sie diese Leistungen nicht mehr einzeln und an verschiedenen Stellen beantragen müssen. So kommen wir auch unserem Ziel näher, Ein-Eltern-Familien möglichst einfach und diskriminierungsfrei zu unterstützen.
Wie alle Eltern, sind auch Alleinerziehende regelmäßig krank. Sei es ein Magen-Darm-Virus, den die Kinder aus der Kita mitbringen, die winterliche Grippe oder die monatliche Migräne im Rahmen der Menstruation. Das ist schon mit Partner*in anstrengend genug, ohne noch viel mehr. Deshalb fordern wir hier perspektivisch Entlastung, zum Beispiel in Form einer Haushaltshilfe oder eines Hilfe-Telefons. Akuter Unterstützungsbedarf soll möglichst unbürokratisch und ohne vorheriges ärztliches Attest in Anspruch genommen werden können.

Wir bauen ergänzende Kinderbetreuungsangebote aus
Mit dem aktuellen Ausbau von Kita-Plätzen erhöht die rot-rot-grüne Koalition die Chancengleichheit für alle Berliner Kinder. Neben Kita-Plätzen in ausreichender Zahl und guter Qualität sind aber insbesondere Ein-Eltern-Familien auf ergänzende Kinderbetreuungsangebote angewiesen.

Seit dem 1. August ist die Bedarfsprüfung für die Teilnahme am ergänzenden schulischen Förder- und Betreuungsangebot bis 16 Uhr entfallen. Dies kommt allen Familien zugute. Es entlastet aber insbesondere solche Alleinerziehende, die keiner Erwerbsarbeit nachgehen und deshalb bisher keinen Anspruch darauf hatten. Denn im Schulhort werden Kinder auf ihrem Lernweg begleitet, bei den Hausaufgaben unterstützt und vertiefen soziale Bindungen zu ihren Mitschüler*innen. Dass Kinder von erwerbslosen Alleinerziehenden diese Unterstützung jetzt ebenso erhalten, trägt zu Chancengleichheit bei und lässt ihren Eltern ggf. mehr Zeit für die Suche nach Arbeit, Wohnung oder anderen existenziellen Dinge.

Auch der Mobile Kinderbetreuungsservice (MoKiS) ist ein großer Schritt nach vorne. Denn die üblichen Öffnungszeiten von Kitas und Schulhorten sind mit den besonderen Arbeitszeiten vieler Eltern und eben auch von Alleinerziehenden nicht vereinbar. Eltern, die am Wochenende arbeiten oder eine Ausbildung in z.B. pflegerischen Bereichen machen und in (wechselnden) Schichten, am frühen Morgen oder am Abend tätig sein müssen: Sie alle sind auf ergänzende Betreuungsangebote angewiesen. Im Rahmen des MoKiS wird das Kind zuhause, in den eigenen vier Wänden, betreut. Wir sind überzeugt: Dieses Zusatzangebot ist gerade für Ein-Eltern-Familien unverzichtbar. Deshalb wollen wir es weiter ausbauen und vor allem stärker bekannt machen.

Die grüne Forderung nach einem Kita-Bring- und Abholservice erhalten wir trotz MoKiS aufrecht. Denn Alleinerziehende, die ihrer Erwerbstätigkeit innerhalb der klassischen Büroarbeitszeiten nachgehen, haben auf den MoKiS keinen Anspruch. Speziell für sie wäre es eine enorme Entlastung, wenn die Wegstrecken zwischen Wohnung, Kita bzw. Schule und Arbeitsplatz entfallen würden, da die Wegzeiten letztlich den Umfang der Erwerbstätigkeit einschränken.
Wir machen die Berliner Verwaltung fit für die Bedarfe von Alleinerziehenden
Alleinerziehenden mangelt es noch mehr als anderen Eltern an Zeit. Folglich sind sie noch stärker als andere auf wohnortnahe Angebote von Beratungsstellen und Verwaltungen angewiesen, die mit ihrem Berufs- und Familienalltag vereinbar sind. Das betrifft insbesondere die Öffnungszeiten sowie digitale Beratungsangebote. Die Berliner Verwaltung ist darauf noch nicht ausreichend eingestellt.
Sämtliche genannte Maßnahmen sollen aus Mitteln des Familienressorts finanziert werden.

Deshalb fordern wir:

  •     den Ausbau der vorhandenen Familienzentren, auch mit Blick auf die Öffnungszeiten.
  •     den Ausbau der Familienservicebüros, wo Eltern verschiedene Leistungen des Jugendamtes zentral beantragen können, hin zu Familienbüros wie in Steglitz-Zehlendorf. Dort werden amtliche Leistungen und unterstützende Sozialberatung an einem Ort angeboten. Außerdem fordern wir eine Ausweitung dieses Angebots auf alle Berliner Bezirke.
  •     mehr bezirkliche Beratungsstellen speziell für Alleinerziehende. Hier begrüßen wir, dass der Senat die notwendigen Mittel für die nächsten zwei Jahre bewilligt hat, um das Angebot auf alle 12 Berliner Bezirke auszudehnen.
  •     vernünftige digitale Angebote, damit Alleinerziehende lästige und zeitraubende Formalitäten auch vom heimischen Schreibtisch, PC oder Handy aus erledigen können.
  •     Chatangebote als Ergänzung zu den Vor-Ort-Beratungen

 

Um Ein-Eltern-Familien den Alltag zu erleichtern, muss auch beim Unterhaltsvorschuss und anderen finanziellen Leistungen deutlich nachgelegt werden. Viele Bezirke brauchen nach wie vor viel zu lange, bis das Geld bei den Familien ankommt. Hier braucht es zuverlässige und zügige Bearbeitungszeiten, insbesondere beim Unterhaltsvorschuss. Dafür muss die Personalsituation in den Jugendämtern weiter verbessert werden.

Es ist gut, dass der Anspruch auf Unterhaltsvorschuss inzwischen bis zur Volljährigkeit gilt. Doch durch die Verrechnung mit dem Kindergeld liegt er nach wie vor unter dem Mindestunterhalt. Deshalb müssen die Jugendämter in die Lage versetzt werden, Alleinerziehende auch in unterhaltsrechtlichen Fragen zu beraten. Die dafür zuständigen Unterhaltsbeistandschaften müssen entsprechend ausgebaut werden.

Grundsätzlich ist das Berliner Verwaltungspersonal so zu schulen und weiterzubilden, dass es für die Vielfalt von Familienformen sensibilisiert ist und auf die entsprechenden Bedarfslagen angemessen eingehen kann. Das gilt speziell für Ein-Eltern-Familien, Regenbogenfamilien sowie jene Familien, in denen Eltern nach einer Trennung die Betreuung der gemeinsamen Kinder untereinander aufteilen (Wechselmodell oder annäherndes Wechselmodell). Diese Eltern meistern die Nach-Trennungs-Phase oft sehr gut und tragen dazu bei, dass dem Kind beide Elternteile möglichst erhalten bleiben. Jedoch braucht es hierfür spezifische Beratungs- und Mediationsangebote. Denn Konflikte, die sich aus der veränderten Betreuungssituation ergeben, dürfen nicht auf dem Rücken der Kinder ausgetragen werden. Jugendämter und Familienberatungsstellen sind hierfür entsprechend auszustatten.

Mit Blick auf die Ausweitung niedrigschwelliger Beratungsangebote freuen wir uns, dass der Senat ein neues Landesprogramm beschlossen hat, das die wichtige Arbeit der so genannten Stadtteilmütter auf sichere Füße stellen soll. Die Arbeit dieser Frauen ist extrem wichtig und erreicht viele Familien. Durch die geplante personelle und räumliche Ausweitung des Angebots können zukünftig Alleinerziehende mit Migrationsgeschichte, Flucht- und/oder Rassismuserfahrung oder anderen Diskriminierungserfahrungen stärker als bisher unterstützt werden. Trotz dieser Fortschritte bleibt unser Ziel, mit einer Ausweitung des Projektes Stadtteilmütter, Familien unabhängig von ihrer Herkunft niederschwellig zu unterstützen. Es ist bedauerlich, dass der Senat sich mit der Umsetzung des Koalitionsvertrages hier auch auf Kosten von Ein-Eltern-Familien Zeit lässt.

Arbeitsmarkintegration: Wir fordern bessere Angebote von Arbeitgeber*innen und Arbeitsagenturen
Die meisten Alleinerziehenden wollen den Lebensunterhalt für ihre Familie selbst verdienen. Doch wenn durch die Geburt des Kindes die Ausbildung abgebrochen oder die Berufstätigkeit unterbrochen werden musste, dann ist der Weg (zurück) in den Beruf nicht leicht. Ein Grund dafür sind die unzureichenden Angebote auf dem Ausbildungs- und Stellenmarkt. Deshalb fordern wir, dass sich die Berliner Arbeitgeber*innen stärker auf die Situation von Ein-Eltern-Familien einstellen und entsprechende Ausbildungs- und Arbeitsplätze schaffen.

Wir Grüne müssen uns für eine neue Perspektive auf Zeit einsetzen, in welcher Lohnarbeit und Carearbeit, Ehrenamt und Freizeit konsequent zusammengedacht werden. Erst durch eine Umwertung von Zeit und der Aufgaben, die diese Zeit anfüllen, können wir den individuellen Lebensgestaltungen in ihrer gesamtgesellschaftlichen Herausforderung gerecht werden. Dies trifft im Besonderen Alleinerziehende, die oftmals vor großen Herausforderungen der Vereinbarkeit ihrer Lohnarbeit mit anderen Verpflichtungen stehen. Alleinerziehende haben häufig unsichere Beschäftigungsverhältnisse, ein geringeres Haushaltseinkommen und kämpfen mit Vereinbarkeits- und Zeitproblemen. Führungspositionen sollten vermehrt auch in Teilzeit möglich sein, Doppelspitzen können hierbei eine von unterschiedlichen modernen Formen sein. Ob Teilzeit oder Vollzeit - erst eine echte Wahlmöglichkeit zwischen unterschiedlichen Formen der Lohnarbeit und Erleichterungen durch Maßnahmen wie flexible Arbeitszeiten und Homeoffice schaffen die Grundvoraussetzungen um Familie und Beruf auch für Alleinerziehende vereinbar zu machen.

Eine berufliche Ausbildung muss auch in Teilzeit absolviert werden können. Das erhöht die Chancen für Alleinerziehende, einen Berufsabschluss über den ersten oder zweiten Bildungsweg zu erlangen. Und das erleichtert ihnen den Zugang zum Arbeitsmarkt.
Aber auch nach Abschluss der beruflichen Qualifizierung sind Alleinerziehende derzeit häufig darauf angewiesen, in Teilzeit erwerbstätig zu sein. Anders lassen sich Familie und Beruf oft nicht vereinbaren, denn es mangelt oftmals an Betreuungsangeboten für Kinder und individuell gestaltbaren Arbeitszeiten für Eltern. Familien brauchen Zeit miteinander. Deshalb benötigen wir generell moderne Arbeitszeitangebote, welche die Flexibilität zulassen, die Familien benötigen. Führungspositionen in Teilzeit, Jobsharing und Doppelspitzen können Alternativen zu klassischen Vollzeitmodellen bieten. Die Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf dürfen sich aber nicht nur auf Führungspersonal erstrecken, denn Zeit ist für jede*n wertvoll. Grüne Zeitpolitik hat den Anspruch und die klare Zielsetzung, dass sie bei allen gesellschaftlichen Gruppen ankommt. Dabei ist darauf zu achten, dass sämtliche Arbeitszeitangebote tatsächlich zur Entlastung von Familien und nicht zu Entgrenzung von Arbeitszeit führen.

Die öffentliche Verwaltung und die Landesunternehmen sollten hier eine Vorbildfunktion einnehmen. Mit einem Angebot an Alleinerziehende für eine Teilzeitausbildung bei voller Vergütung mit anschließender Teilzeitbeschäftigung kann Berlin einen Teil der dringend benötigten Fachkräfte gewinnen. Damit unterstreicht Berlin seinen Anspruch als familienfreundliche Arbeitsgeberin. Für private Arbeitgeber*innen braucht es entsprechende Anreize und Fördermodelle.

So hilfreich Teilzeitarbeit ist, um eine gute Balance zwischen Familien- und Erwerbsleben zu ermöglichen: Sie hat auch ihre Schattenseiten. Wer weniger arbeitet, verdient weniger und zahlt weniger in die Rentenkasse ein. Das Risiko für Altersarmut steigt.
Hier ist der Gesetzgeber gefragt. Es braucht eine staatliche Ausgleichszahlung für Eltern – insbesondere Alleinerziehende – in Teilzeit inklusive einer Rentenbeitragszahlung, damit Eltern, die in Teilzeit arbeiten, dadurch nicht in die Altersarmut rutschen. Hierzu wäre eine Weiterentwicklung des Elterngeld Plus ein möglicher Weg. Auch das Rückkehrrecht auf Vollzeit muss ausgeweitet werden, damit deutlich mehr Arbeitnehmer*innen als bisher überhaupt einen Anspruch darauf haben.

Handlungsbedarf gibt es auch an anderer Stelle. So ist das derzeitige Beratungsangebot, das Arbeitsagenturen und Jobcenter speziell für Alleinerziehende bereithalten, unzureichend. Viele Alleinerziehende sehen sich hier unverstanden, falsch beraten und/oder diskriminiert. Nach dem Beispiel erfolgreicher, spezialisierter Beratungsstellen (wie z.B. Goldnetz) müssen Arbeitsagenturen und Jobcenter ihre Beratungs- und Coachingangebote verbessern und mit Blick auf die Zielgruppe der Alleinerziehenden anpassen.
Wohnungsnot trifft Alleinerziehende besonders: Wir stehen an ihrer Seite und schaffen neuen Wohnraum
Die steigenden Mietpreise in Berlin führen in vielen Kiezen zu Verdrängung. Jede*r Zweite hat Angst, seine Wohnung und damit das gewohnte Umfeld und eine gewachsene Infrastruktur zu verlieren. Das trifft Ein-Eltern-Familien doppelt: Zum einen ist ihr Haushaltseinkommen im Schnitt niedriger als bei Mehr-Eltern-Familien und sie sind entsprechend stärker auf kostengünstigen Wohnraum angewiesen. Zum anderen sind sie besonders auf ihr soziales Netz im Kiez angewiesen. Ein Umzug in einen anderen Bezirk zieht nicht nur für die Kinder nach sich, dass sie aus ihrem Umfeld herausgerissen werden und Freundschaften verlieren, sondern auch, dass die Eltern sich ein komplett neues Notfallnetz aufbauen müssen. Wir stehen deshalb an der Seite der Ein-Eltern-Familien und kämpfen gezielt auch für sie für bezahlbaren Wohnraum. Dafür wollen wir den Bau neuer Wohnungen beschleunigen, kämpfen aber auch im Bestand für bezahlbare Wohnungen. Unsere grünen Stadträt*innen schaffen deshalb immer mehr Milieuschutzgebiete und ziehen immer häufiger das Vorkaufsrecht oder sichern durch Abwendungsvereinbarungen bezahlbaren Wohnraum. Und der von der rot-rot-grünen Regierung in Berlin beschlossene Mietendeckel ist ein wichtiger Schritt zur Eindämmung der Mietenexplosion. Auch die von uns etablierte Fachstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt hilft vielen Alleinerziehenden, da viele Vermieter*innen Ein-Eltern-Familien bei der Wohnungsvergabe benachteiligen. Ein handfester Erfolg ist auch die Novellierung der AV Wohnen, in der die Kostenübernahme für Unterkunft und Heizung im Rahmen von Sozialleistungen geregelt ist. Hier hat die Koalition eine neue Stufe für Alleinerziehende mit einem Kind eingeführt, so dass nun ein erhöhter Platzbedarf anerkannt und bezuschusst wird.

Wir setzen uns darüber hinaus dafür ein, dass gemeinwohlorientiere Bauträger wie Genossenschaften und Stiftungen gefördert werden. Wir wollen einen höheren Anteil an Sozialwohnungen; davon profitieren vor allem auch einkommensschwächere Ein-Eltern-Familien.

Doch auch die Bundesregierung muss endlich ihre Hausaufgaben machen. Eine Mietpreisbremse, die ihren Namen auch verdient hat, ist dabei genauso essenziell wie gesetzliche Regelungen, die beispielsweise den Kommunen ermöglicht, Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen zu unterbinden oder die Wiedereinführung der Wohngemeinnützigkeit.

Viel erreicht – noch viel zu tun
Als Grüne streiten wir für die Rechte von Ein-Eltern-Familien. Einiges haben wir erreicht, aber es gibt auch noch eine Menge zu tun. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen müssen verbessert, der Ausbau von Kita-Plätzen und ergänzenden Betreuungsangeboten weiter vorangetrieben werden. Finanzielle und zeitliche Entlastungen sind für alle Familien wichtig, für Ein-Eltern-Familien ganz besonders. Dafür ist es wichtig, die Bezirksverwaltungen besser auszustatten und ihre Serviceangebote auszubauen. Nur dann können sie Ein-Eltern-Familien in allen Belangen gut beraten. Die Berliner Arbeitgeber*innen und Arbeitsagenturen müssen ihren Teil dazu beitragen, Alleinerziehenden ihre Ausbildung und Berufstätigkeit zu erleichtern. Dabei muss eine gute Balance zwischen Erwerbstätigkeit und Familienleben gewährleistet sein.

Wir Grüne sind uns bewusst, dass es noch viel zu tun gibt und gehen diese Herausforderungen selbstbewusst und zielstrebig an. Unser Ziel ist, dass Alleinerziehende und ihre Kinder in Berlin ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen können – unabhängig ihrer Herkunft, Religion, „Hautfarbe“, sexuellen Identität und Orientierung und unabhängig von einer möglichen Beeinträchtigung von Eltern oder Kindern. Dafür kämpfen wir.