Schulen in privater Trägerschaft: Soziale Durchmischung ist Voraussetzung für öffentliche Unterstützung

06.03.18 –

Von Andreas Audretsch

Selten stehen Vorgaben so klar im Grundgesetz: „Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet.“ Und: „Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn […] eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird.“ (Artikel 7, Abs. 4) Wir Grüne haben beide Aspekte immer gleichermaßen betont: Unsere Geschichte ist mit vielen Schulen in freier Trägerschaft verbunden. Ebenso wichtig ist für uns der Grundsatz gleicher Chancen. Eine „Sonderung“ darf es nicht geben. Dafür stehen wir.

In Berlin werden ca. 35.000 Schüler*innen an 128 privaten Schulen unterrichtet, das sind ca. 10% der Schüler*innen. Die öffentliche Finanzierung erfolgt über die Personalkosten, von denen 93% erstattet werden. Die Verhandlungen über ein neues Modell, ein so genanntes Vollkostenmodell, laufen derzeit. Vollkosten bedeutet dabei nicht, dass alle Kosten übernommen werden. Es geht um Transparenz und Verlässlichkeit, nicht um mehr Geld.

Und wie steht es um die soziale Durchmischung? Das WZB hat 2017 festgestellt, dass an öffentlichen Grundschulen 36% der Kinder von den Kosten für Lernmittel befreit sind, an privaten sind es 7%.[1] Das deckt sich weitgehend mit der Bildungsstatistik 2017/18 des Landes Berlin. Die Zahlen sprechen dafür, dass die „Sonderung“ privater Schulen, wie es im GG genannt und verboten wurde, erheblich ist. Die Lernmittelfreiheit ist die beste Messgröße, die wir haben, wirklich gut ist sie allerdings nicht. Denn ein Teil der Schulen in freier Trägerschaft führt keine verlässliche Statistik. Ein Manko ist auch, dass die Statistik den Bildungshintergrund der Eltern nicht erfassen kann.

Was heißt das für die anstehende Debatte? Mehr Transparenz in der Finanzierung ist sinnvoll. Eine Entscheidung über die Höhe und die Verteilung von Geldern, kann aber erst getroffen werden, wenn Klarheit darüber herrscht, wie durchmischt die Schulen tatsächlich sind. Im Koalitionsvertrag haben wir 2016 vereinbart, dass das Finanzierungsmodell im Rahmen der „bisher zur Verfügung stehenden Zuschüsse“ bleiben soll. Dies bedeutet, dass Geld innerhalb des Systems umgeschichtet würde – hin zu den Schulen, die viel Verantwortung übernehmen und eine hohe Durchmischung haben. Weniger Zuschüsse würde es für die geben, die wenig Verantwortung übernehmen.

Dieses System kann funktionieren, wenn sich herausstellt, dass die privaten Schulen insgesamt sehr viele Kinder aus wohlhabendem Elternhaus aufnehmen oder eine sehr unterschiedliche Durchmischung haben. Das Elite-Gymnasium, in dem es ausschließlich Kinder aus reichen Elternhäusern gibt, kann gut auf einen Teil der öffentlichen Förderung verzichten, bei stärkerer Staffelung der Elternbeiträge nach Einkommen versteht sich. So lässt sich die Offenheit für alle erhalten. Das freie öffentliche Geld kann Schulen zu Gute kommen, die in Brennpunkten schwierige Arbeit leisten.

Es kann eine Situation geben, in der wir insgesamt mehr Geld brauchen: Wenn alle privaten Schulen gleichermaßen ihre soziale Mischung stark verbessern und sich der Situation öffentlicher Schulen annähern. Dann, aber erst dann, reicht das im Koalitionsvertrag vereinbarte Verfahren nicht mehr aus.

Dies führt zum grundsätzlichen Punkt: Wir müssen alle Schulen zusammen zu denken. Schulen in freier Trägerschaft müssen wir immer auch im Verhältnis zu öffentlichen Schulen betrachten. Schritte zu einer besseren Durchmischung rechtfertigen nicht automatisch mehr Geld. Es kommt auf die finanzielle Ausstattung aber auch auf Klassengrößen, die Personalsituation oder den Zustand von Räumlichkeiten an.

Wir brauchen eine aus der Sache heraus begründete, am Standard in den Schulen und der Durchmischung orientierte Finanzierung privater Schulen. Dafür braucht es zunächst Transparenz. Hier sind die privaten Schulen in der Pflicht. Im Anschluss kann entschieden werden, ob Schulen in freier Trägerschaft insgesamt mehr Geld brauchen oder ob das Geld nicht besser im öffentlichen Schulsystem investiert ist.

Andreas Audretsch ist Mitglieder des Berliner Landesvorstands von Bündnis 90/Die Grünen.

 


[1]                https://bibliothek.wzb.eu/pdf/2017/p17-003.pdf, S. 27

 

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