Neuer Bundesvorstand mit zwei BerlinerInnen

20.10.13 –

Am Tag nach der Bundestagswahl hatte der Bundesvorstand seinen Rücktritt angekündigt. Auf der ersten Bundesdelegiertenkonferenz nach der Wahl wurden die Bundesvorstandsmitglieder verabschiedet, die nicht erneut für ein Amt kandidieren. In einer emotionalen Verabschiedung wurden Claudia Roth, Steffi Lemke sowie Malte Spitz und Astrid Rothe-Beinlich für ihre Arbeit gewürdigt.

Mitglieder des alten Bundesvorstands verabschiedet
Die ehemalige politische Geschäftsführerin Steffi Lemke, die ihr Amt elf Jahre lang ausübte, empfahl der Partei, aus den erfolgreichen, zurückliegenden Jahren das Potenzial für die Zukunft zu schöpfen. Unter ihrer politischen Geschäftsführung erlebte die Partei ein rasantes Mitgliederwachstum. Steffi Lemke erinnerte an die positive Entwicklung der Diskussionskultur, die Parteitage zu Orten des konstruktiven Austausch gemacht hat: „Wir haben eine andere Debattenkultur für uns entwickelt, das haben Führung und Basis gemeinsam gemacht,“ sagte Steffi Lemke in ihrer Abschiedsrede.
Verabschiedet wurde auch die bisherige Beisitzerin und frauenpolitische Sprecherin Astrid Rothe-Beinlich, die sich neben der Frauenpolitik vor allem im Kampf gegen Rechts engagierte. In ihrer Abschiedsrede erklärte sie, sich nun auf den thüringischen Landtagswahlkampf im nächsten Jahr konzentrieren zu wollen. Denn die Präsenz in den Landesparlamenten sei keine Selbstverständlichkeit. Malte Spitz, der ebenfalls sieben Jahre lang Beisitzer im Bundesvorstandes war, hat das Thema Netzpolitik bei den Grünen stark geprägt. „Als ich 2006 angefangen habe, dachten die Menschen bei Netzpolitik nur an Stromleitungen, aber nicht an den digitalen Wandel“, erinnerte sich Malte Spitz und fügte mit Blick auf die Zukunft hinzu: „Wir haben uns als Partei im Ganzen des Themas angenommen und werden es weiter vorantreiben. Denn wir sind der natürlich Teil einer neuen Bürgerrechtsbewegung.“

„Artikel 1 GG ist unser moralischer Imperativ“ - Claudia Roth tritt ab
Besonders emotional war der Abschied der langjährigen Bundesvorsitzenden Claudia Roth, die, wie Frithjof Schmidt in seiner Laudatio sagte, „die emotionale Wahrheit der Partei“ verkörpert hat. In ihrer Abschiedsrede hob Claudia Roth die wesentlichen grünen Eigenschaften hervor, aus denen die Partei in mehr als dreißig Jahren ihre gesellschaftliche Kraft bezogen habe. Grüne Politik gebe vor allem denen eine Stimme, die nicht gehört werden. Dabei wandte sie sich direkt an die Flüchtlinge aus Lampedusa, die auf dem Berliner Oranienplatz campen und Gäste auf dem Parteitag waren.
Basisdemokratie bezeichnete Roth als Lebenselixier der Partei: „Urwahl und Mitgliederentscheid, auch das ist und war GRÜN. Wir sollten nicht an unseren basisdemokratischen Überzeugungen zweifeln.“ Sie empfahl der Partei, sich wieder stärker als Alternative zu profilieren. Nach dem Ausscheiden der FDP, seien die Grünen keinesfalls die neue Öko-FDP: „Unsere Freiheit ist nicht eine, die Schwächere unterdrücken darf, sondern wir GRÜNE verbinden Freiheit mit Gerechtigkeit.“ Eine grundsätzliche Abkehr vom Wahlprogramm hält sie nicht für angebracht. Bei aller Bereitschaft für eine Weiterentwicklung habe die grüne Opposition im Bundestag nun die Aufgabe, „jetzt zu tun, wofür wir gewählt worden sind.“

Cem Özdemir als Bundesvorsitzender bestätigt, Simone Peter neu gewählt
Simone Peter wurde mit 75,91 Prozent zur neuen Bundesvorsitzenden gewählt. Die ehemalige saarländische Ministerin für Umwelt, Energie und Verkehr betonte in ihrer Bewerbungsrede die Rolle der amtierenden grünen Landesregierungen beim Klimaschutz: „Unsere grünen Minister zeigen, wie es besser geht. Sie machen Klimaschutz zum Gesetz, bringen mehr Klimaschutz in die Landwirtschaft. Sie ducken sich nicht weg." Für handlungsfähige Kommunen bräuchte es aber auch neue Investitionsmittel. Zugleich müsste das Thema der grünen Jobs wieder neu angegangen werden. Dafür bräuchte es auch einen Green New Deal, der Ökonomie, Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit verbindet. Dabei dürfe aber nicht vergessen werden, dass die Alternative Kohle oder Sonne auch eine Machtfrage sei. Zur ihre neuen Rolle in der Partei erklärte sie: „Lasst uns Mut haben zu offenen Debatten und Lust auf innerparteiliche Demokratie, selbstbewusst, eigenständig und ohne Scheuklappen. So möchte ich mich Euch die Partei führen, integrativ und streitbar, das gemeinsame Ziel fest im Blick.“
Cem Özdemir wurde mit 71,41 Prozent als Bundesvorsitzender wiedergewählt. Auf den Gegenkandidaten Thomas Austermann entfielen 2,24 Prozent der Stimmen. Der neu gewählte Bundesvorsitzende macht sich in seiner Rede für eine gemeinschaftliche Zusammenarbeit in der Partei stark: „Wir sollten Ideen in Zukunft auf ihren Inhalt prüfen und nicht auf ihre Herkunft.“ In der Sozialpolitik hält er gute öffentliche Institutionen für die entscheidende Weichenstellung: „Ich will das mit meiner eigenen Biografie aus einer Arbeiterfamilie und Migrantenfamilie belegen. Uns hätte nicht mehr Kindergeld geholfen, aber eine gute Kita mit gut ausgebildeten ErzieherInnen, die gut bezahlt werden.“ In seiner persönlichen Bewerbungsrede unterstrich er seine eigenen Ambitionen, nicht allein um Macht zu ringen, sondern ernsthaft für einen grünen Wandel zu streiten. Die aktuellen Äußerungen von Sigmar Gabriel gegen das Erneuerbare-Energie-Gesetz kommentierte er entsprechend: „Wir können nicht nur aus Atom und Kohle raus, wir müssen da sogar raus, um beim Klimaschutz voranzukommen.“

Neue Gesichter im Bundesvorstand - Schatzmeister bleibt
Der neue politische Geschäftsführer Michael Kellner, der mit 88,53 Prozent der Stimmen gewählt wurde, forderte ein Ende der Selbstbeschäftigung und richtete den Blick auf die kommenden Wahlen. Bei der Europawahl ginge es darum, Vorreiter der pro-europäischen Kräfte zu sein: „Ich möchte alles tun, damit der europäische Gedanke nicht von europafeindlichen Rechtspopulisten ausgehebelt wird, die gerade in der AfD kämpfen.“ Auf kommunaler Ebene wiederum müsse die grüne Basis gestärkt werden: „Es war der kommunale Rückhalt, der uns hat wachsen lassen und ich möchte alles dafür tun, dieses Fundament auszubauen.“
Zum Bundesschatzmeister wurde erneut Benedikt Mayer gewählt. Er erhielt mit 91,82 Prozent der Stimmen das beste Ergebnis aller Wahlgänge.
Gesine Agena wurde mit 80,94 Prozent als weiteres Mitglied im Bundesvorstand gewählt. Sie kandidierte zugleich erfolgreich als frauenpolitische Sprecherin. Die Gesellschaft brauche nicht weniger Feminismus, sondern mehr, sagte Agena in ihrer Bewerbungsrede. Die Grünen seien das beste Beispiel: „In unserer Partei haben wir eine Frauenquote und Frauen haben selbstverständlich 50 Prozent der Macht.“ Um Frauen insgesamt besser zu stellen, müsse das Ehegattensplitting abgeschmolzen werden und die eigenständige Existenzsicherung von Frauen gestärkt werden. Als weitere Beisitzerin wurde Bettina Jarasch gewählt. Auf sie entfielen 84,53 Prozent der Stimmen. In ihrer Rede wies sie daraufhin, dass die Energiewende kein reines Gewinnerthema sei. Die Partei müsse ihr Gründungsthema deshalb wieder als Angebot formulieren und die Energiewende als ein Instrument aufzeigen, mit dem sich die Erde auch für kommende Generationen erhalten ließe. Außerdem betonte sie, dass eine abgestimmte Bildungs-, Sozial- und Integrationspolitik nötig sei, um Menschen erst zu einem selbstbestimmten Leben zu befähigen.

Neuer Parteirat und neues Bundesschiedsgericht
In den neuen sechszehnköpfigen Parteirat wurden gewählt: Annalena Baerbock, Claudia Dalbert, Katrin Göring-Eckardt, Rebecca Harms, Britta Haßelmann, Bärbel Höhn, Sylvia Löhrmann, Malte Spitz, Anton Hofreiter, Gerhard Schick, Tarek Al Wazir, Rasmus Andresen, Alexander Bonde. Die beiden Bundesvorsitzenden, Simone Peter und Cem Özdemir, sowie der Politische Bundesgeschäftsführer, Michael Kellner, gehören dem Gremium aufgrund ihres Amtes an.

Dem neuen Bundesschiedsgericht gehören an: Hartmut Geil (Vorsitzender), Anna von Notz (stellvertretende Vorsitzende), Lars Kramm (Beisitzer), Paula Riester (stellvertretende Beisitzerin), Cyrus Zahedy (stellvertretender Beisitzer).

Dieser Text wurde übernommen von www.gruene.de/partei/parteigremien-neu-gewaehlt.html