Die Sendezeit ist ein Bekenntnis zur Relevanz

Mit Erstaunen haben wir die Pläne der neuen ARD-Programmdirektorin Christine Strobl zur Umstrukturierung des ARD-Programmschemas zur Kenntnis genommen.

Es ist vollkommen richtig, neben dem linearen Programm auch auf eine zukünftig immer wichtigere Rolle der Mediatheken zu setzen. Schon jetzt schätzen viele Nutzer:innen, die mit den Online-Angeboten gewonnene Zeitsouveränität. Nachvollziehbar ist in diesem Zusammenhang, dass Beiträge für die Mediatheken möglicherweise speziell auf die dortigen Nutzergewohnheiten angepasst werden müssen. Sicher aber ist hier vor allem ein sorgfältig kuratiertes Angebot bereitzustellen. Die Programmdirektorin im Zuschauer, die sich ihr Menü in der Mediathek zusammenstellt, tendiert zu Vermeidungsstrategien: Unterhaltung geht vor schwerer Infokost. Das Informationsangebot der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten muss daher in seiner vollen Bandbreite den Nutzer:innen präsentiert werden, um Interesse zu wecken. Dies ist wichtig für die gesellschaftliche Debatte in der mittlerweile bedrohten Demokratie und dies entspricht auch dem staatsvertraglich verankerten Auftrag der Sendeanstalten.

Doch lineares Programm wird weiterhin beibehalten werden müssen. Und in diesem Sinne ist die Sendezeit auch ein journalistisch-redaktionelles Bekenntnis zur Relevanz. Politische Magazine weiter zusammenzustreichen, den „Weltspiegel“ von seiner besten Sendezeit ins Abseits zu schieben, zeugt von einem hohen Maß an Ignoranz für journalistische Leistungen und für Kernelemente des öffentlich-rechtlichen Programms.

Ebenso die Einfallslosigkeit, in Konkurrenz zum ZDF zu treten mit gleichartigen Sendeformaten zu praktisch direkt konkurrierenden Sendezeiten. Der schon mantrahaft von der neuen ARD-Chefetage vorgetragene Popanz der Anbiederung an ein jüngeres Publikum kann nicht bedeuten, auf eigene Ideen zu verzichten. Ohne Experimente wird kein Blumentopf beim jüngeren Publikum zu gewinnen sein. Die falschen althergebrachten Erfolgsformate – mögen sie „Um Himmels Willen“, „X-beliebiges Fest der Volksmusik“ oder „Mord an exotische Schauplätzen (Istanbul, Kroatien, Bozen…)“ heißen – blockieren wertvolle Sendeplätze, auch für politisch und gesellschaftlich relevante Information. Stattdessen werden die Programme „auf leichte Konsumierbarkeit getrimmt“, wie die Süddeutsche Zeitung schrieb.

Die Landesarbeitsgemeinschaft Medien (LAG Medien) der Berliner Bündnis-Grünen kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass bei der machtbewussten neuen Pro

grammchefin der ARD, Christine Strobel, eine gewisse politische Agenda mitschwingt, wenn es darum geht, die Informationskompetenz der ARD in die reichweitenarme lineare Sendezeit zu verdrängen, statt die politischen Magazine wieder präsenter zu machen.

Wir fordern die Rundfunkräte in allen ARD-Sendeanstalten ebenso wie das redaktionelle Personal dazu auf, das in ihrer Macht stehende zu tun, damit die derzeit diskutierten Programmreformen so nicht Realität wird.

Wir erklären uns solidarisch mit den Protesten der betroffenen Redakteure aus den Magazinen, den ehemaligen Auslandskorrespondenten wie Fritz Pleitgen, Sonia Seymour-Mikich oder Klaus Kleber, die sich gegen die Abschiebung des „Weltspiegels“ in die späten Abendstunden gewandt haben, aber auch mit den Protesten der Fernsehfilm-Autor:innen und -Regisseur:innen oder der Hörspiel-Autor:innen, die in den letzten Wochen die Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen in vielfacher Weise durch Stellungnahmen an die Öffentlichkeit gebracht haben.

Der jahrelange Spardruck zeitigt nun seine Folgen. Aber die ARD bekommt noch immer nicht mit, dass sie an ihrer eigenen Existenzlegitimation sägt.

 

LAG Medien Bündnis90/Die Grünen Berlin