Dringlichkeitsantrag zum Krieg in der Ukraine und dessen Folgen

02.04.22 –

vorläufiger Beschluss auf der Landesdelegiertenkonferenz:

 

Einführung

Bündnis 90/Die Grünen Berlin verurteilen den völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg in der Ukraine und stehen solidarisch an der Seite der Ukrainer*innen und aller vom Krieg betroffenen Personen und Geflüchteten.

Wladimir Putins Krieg verändert die geo- und sicherheitspolitische Situation in Europa fundamental. Darauf müssen wir in der Europäischen Union Antworten finden. Es ist richtig, dass in einer "Zeitenwende" alte Wahrheiten nicht mehr gelten. Gleichwohl ist es umgekehrt nicht geboten, einfache Antworten in einer Zeit zu geben, in der viele Fragen noch offen sind. Eine angemessene Antwort umfasst Sicherheit, internationale Zusammenarbeit und humanitäre Hilfe, europäische Souveränität ob bei der Energie- oder der Nahrungsmittelversorgung, Antworten auf die Klimakrise sowie auf die sozialen Fragen dieser Zeit gleichermaßen. Ein sehr großer Teil unserer Gesellschaft ist zurecht besorgt über den Krieg und dessen Auswirkungen auf unser hiesiges Leben. Wir geben diesen Ängsten Raum und begegnen den sozialen Folgen des Krieges energisch.

Bündnis 90/Die Grünen Berlin stehen solidarisch an der Seite all jener in der russischen Zivilgesellschaft, die unter schwersten Bedingungen deutliche Kritik am Krieg der eigenen Regierung üben und unter politischer Verfolgung leiden. Wir stellen uns überdies entschieden gegen die zunehmenden Anfeindungen und Übergriffe gegen ukrainische sowie russlandstämmige und russischsprechende Menschen und Einrichtungen in unserer Stadt. Wir setzen uns für ein Berlin ein, in der alle Menschen sich sicher und frei bewegen und leben können.

 

Sicherheitspolitik umfassend denken

Wir müssen in unsere Sicherheit investieren und diese Sicherheit breit denken, um Frieden langfristig zu gewährleisten. Die Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit wird aber nicht nur durch zweckmäßig ausgestattete Bundeswehr und Rüstungsgüter erreicht. Dazu gehört eine funktionierende Abwehr gegen Desinformationskampagnen oder Cyber-Angriffe auf kritische Infrastrukturen, z.B. auf die Wasser- oder Stromversorgung. Zentrale Voraussetzung für langfristigen und nachhaltigen Frieden und Sicherheit sind zudem Diplomatie, feministische Klimaaußenpolitik, atomare Abrüstung, internationale zivile Krisenprävention sowie humanitäre Hilfe.

Daher setzen wir uns dafür ein, dass Sicherheitspolitik umfassend verstanden wird und sich dies auch im Haushalt des Bundes widerspiegelt. Im Fokus der haushaltspolitischen Entscheidungen müssen die tatsächlichen Bedarfe und die Angemessenheit des Vorhabens stehen. Nur wenn wir in diesem Sinne in den Frieden investieren, werden wir tatsächlich mehr Sicherheit erreichen können. Mehr Sicherheit erreichen wir nicht durch das Verfolgen des 2%-Ziels der NATO-Staaten, sondern durch gezielte Investitionen in die Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit. Die Verankerung militärpolitischer Ziele im Grundgesetz lehnen wir strikt ab. Ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro nur für die Bundeswehr, genauso wie die Kürzung von Haushaltsmitteln für die soziale Sicherung zu Gunsten der Aufrüstungsfinanzierung sind nicht zielführend. Zusätzliche Mittel für die Bundeswehr kommen erst nach einer umfassenden Prüfung der Verwendung bereits vorhandener Mittel des Bundesverteidigungsministeriums in Betracht. Zusätzliche Mittel im Bereich Verteidigung müssen mit klarer Zielvorgabe, unter maßgeblicher Berücksichtigung eines erweiterten Sicherheitsbegriffs eingesetzt und deren Einsatz parlamentarisch kontrolliert werden. Wichtig ist zudem, das in Teilen dysfunktionale Beschaffungswesen zu verbessern. Zugleich braucht es endlich eine strukturelle Antwort auf das zunehmend transparent werdende Rechtsextremismus-Problem der Bundeswehr.

Die aktuellen Erfahrungen führen uns noch einmal vor Augen, dass es einen grundlegenden Reformbedarf hinsichtlich der grundgesetzlichen Schuldenregel gibt. Es ist finanzpolitisch nicht nachhaltig, wenn notwendige Investitionen unterbleiben. Nicht zuletzt geht es jetzt darum, den krisenresilienten Ausbau der Verkehrs- und Energiewende zu ermöglichen, die die Grundlage unserer energie- und sicherheitspolitischen Unabhängigkeit sind. Aufgrund der aktuellen Herausforderungen ist es nötig, dass auch bei der Kreditaufnahme alte Glaubenssätze auf den Prüfstand kommen. Klar ist für uns, dass Menschen, die über mehr Geld verfügen auch mehr zur Finanzierung notwendiger Investitionen beitragen müssen, besonders in dieser Ausnahmesituation.

Wir alle wünschen uns eine rasche Rückkehr zum Frieden. Dabei ist klar: Die Ukraine hat wie alle souveränen Staaten das Recht auf Selbstbestimmung und territoriale Integrität.

Eine EU-Mitgliedschaft ist nie eine Frage von Tagen oder Monaten, doch wenn die Ukraine diesen Weg langfristig gehen sollte, sollte sie auf dem Weg unterstützt werden, um die notwendigen Kriterien schnellstmöglich erfüllen zu können. Bündnis 90/Die Grünen Berlin bekennen sich zum Selbstverteidigungsrecht der Ukrainer*innen. Die Waffenlieferungen der Bundesregierung an die Ukraine sind vor dem aktuellen Hintergrund ein gebotenes, wenngleich schmerzhaftes letztes Mittel. Sie müssen ein Ausnahmefall bleiben. Grundsätzlich gilt weiterhin das Exportverbot von Rüstungsgütern in Kriegs- und Konfliktgebiete. Wir fordern von der Bundesregierung überdies, dass sie das Rüstungsexportkontrollgesetz rasch vorantreibt und begrüßen, dass Annalena Baerbock scharfe Regelungen angekündigt hat.

Um Putin nicht nur mit Waffenlieferungen, sondern wirtschaftlich und innenpolitisch in die Knie zu zwingen, gilt es die Europäischen Sanktionen gegen russische Oligarchen bzw. Personen auf der EU-Saktionsliste endlich konsequent durchzusetzen: Die Berliner Strafverfolgungsbehörden müssen sicherstellen, dass bestehende Vermögenswerte eingefroren werden. Länder und Kommunen brauchen zudem eine schnelle Handreichung der gesetzlichen Grundlagen und Verfahren sowie eine enge Zusammenarbeit mit der Taskforce des Bundes. Zudem sollte das Instrument der Beschlagnahmung von Wohn- und Gewerbeimmobilien zur Umsetzung von Sanktionslisten bundesgesetzlich ermöglicht werden. Italien ist hier ein gutes Vorbild, wie es funktionieren kann. Zudem sollte über die Taskforce der G7-Staaten auch Europol mit einbezogen werden.

Besonders auf dem Berliner Immobilienmarkt besteht hier Handlungsbedarf: Die vielen Möglichkeiten der Eigentumsverschleierung in Deutschland rächen sich hier bitter. Personen, die auf der EU-Sanktionsliste stehen müssen daran gehindert werden mit Immobilien oder Bauprojekten weiterhin Einkünfte und Vermögen zu erzielen. Um mehr Transparenz auf dem Immobilienmarkt herzustellen, braucht es weiterhin dringend ein Mieten- und Liegenschaftskataster, in das der wirkliche Eigentümer eingetragen werden muss. Hier steht der Senat in der Pflicht, endlich die gesetzliche Grundlage dafür zu schaffen. Wir Grüne fordern grundsätzlich: undurchsichtige Firmengeflechte sollten keine Immobilien mehr erwerben können. Steueroasen müssen zudem trocken gelegt werden.

 

Globale Gerechtigkeit und sozialer Friede in einer Zeit sich potenzierender Krisen

Aufgrund des Krieges sind globale Nahrungsmittelkrisen zu befürchten. Die internationale Staatengemeinschaft steht in der Pflicht, humanitäre Katastrophen in Ländern wie Jemen und Somalia zu verhindern und unkompliziert Hilfen zur Verfügung zu stellen. Dazu gehört, dem UN-Welternährungsprogramm Geld zur Verfügung zu stellen, damit es auch zu höheren Preisen Nahrungsmittel für die betroffenen Regionen kaufen kann. Hier kann Deutschland ein klares Zeichen globaler Solidarität setzen.

Die aktuelle Situation zeigt, wie wichtig nachhaltige Ernährungssysteme, Ernährungssouveränität und die Unabhängigkeit von energieintensiven Produktionsmitteln sind. Wir Grüne setzen deshalb konsequent auf ein gegenüber Krisen robusteres Ernährungssystem, das durch eine deutliche Reduktion der Tierbestände und Stärkung der pflanzlichen Ernährung weniger Fläche für die Futterproduktion verbraucht, und fordern, den "Green Deal" und die "Farm to Fork" auf EU-Ebene weiter voranzubringen, um Klima-, Arten- und Tierschutz zu fördern.

Zusammen mit unseren Partner*innen in der Europäischen Union und in der Tradition eines echten Multilateralismus wollen wir insbesondere auch mit den Ländern des globalen Südens zusammenarbeiten. Nur wenn alle Menschen sicher vor Hunger, Klimafolgen und Diskriminierung sind, können sie in Frieden leben. Für uns bedeutet Sicherheit daher auch, unsere gemeinsamen Ziele für globale Gerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung umzusetzen. Wir fordern daher die Umsetzung des 0,7 % Zieles in der sogenannten Entwicklungszusammenarbeit, wie im Ampel-Koalitionsvertrag vereinbart. Dort haben die Regierungsparteien auch erklärt, dass die Ausgaben für Krisenprävention, Humanitäre Hilfe, AKBP und Entwicklungszusammenarbeit im Maßstab eins-zu-eins wie die Ausgaben für Verteidigung steigen sollen. Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe müssen weiterhin ein Grundpfeiler der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik bleiben und entsprechend finanziert werden.

Die wirtschaftlichen und ökonomischen Folgen des Krieges sind auch hierzulande bereits deutlich zu spüren. Im Zuge des Krieges sind etwa die Energie- und Lebensmittelpreise enorm gestiegen. Darum ist es wichtig für Entlastung und soziale Sicherheit zu sorgen. Dabei ist es entscheidend, gerade Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen direkt zu entlasten, die auf die Unterstützung besonders angewiesen sind. So bleibt unsere Gesellschaft in Zeiten der Krise handlungsfähig und hält zusammen. Es ist gut, dass die Bundesregierung bereits zwei Entlastungspakete auf den Weg gebracht hat, u.a. mit einem Heizkostenzuschuss für Wohngeld-Empfänger*innen von 270 Euro, einem monatlichen Kinder-Sofortzuschlag für Familien mit geringem Einkommen, einem Einmalbonus in Höhe von 100 Euro zum Kindergeld, einer Einmalzahlung in Höhe von 200 Euro für Menschen in der Grundsicherung und einer Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro ab 1. Oktober und einer Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro als Zuschuss zum Gehalt. Ein besonderer Erfolg unserer Grünen Akteur*innen in den Verhandlungen ist ein 90-Tage-Ticket für den ÖPNV, das nur 9 Euro im Monat kosten soll. Das sichert Mobilität für Millionen von Pendler*innen und ist ein großer Schritt nach vorne für eine bezahlbare und klimaneutrale Verkehrswende. Trotz dieser ersten richtigen Schritte: auch Student*innn und Rentner*innen müssen in dieser Krise unterstützt werden. Wir müssen darauf achten, dass niemand durchs soziale Netz fällt. Überdies schließen wir uns den Forderungen vieler Verkehrsminister*innen der Länder an, dass das 90-Tage-Ticket für den ÖPNV zum Nulltarif angeboten werden sollte und die Mittel des Bundes zusätzlich zu den bisherigen Regionalisierungsmitteln kommen müssen. Nach dem Ausbau der Kapazität des ÖPNV, insbesondere in Zeiten starker Auslastung, wollen wir langfristig die Tarife fahrscheinlos gestalten.

Die Folgen des Ukraine-Krieges werden uns noch über lange Zeit begleiten. Von einer schnellen Entspannung bei den Preisen ist nicht auszugehen. Wir fordern daher, die rasche Anpassung der Regelsätze der Grundsicherung und deren substantielle Anhebung. Wir brauchen sozial ausgewogene, effektive und nachhaltige Entlastungen. Soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz dürfen hier nicht gegeneinander ausgespielt werden. Wir brauchen beides.

 

Energiewende in Land und Bund

Der Krieg in der Ukraine hat uns deutlich vor Augen geführt, wie gravierend die Abhängigkeit von fossilen Energieimporten aus Russland ist, in die wir in den letzten Jahrzehnten geraten sind. Die Abhängigkeit Deutschlands und Berlins von Gas-, Kohle- und Ölimporten aus Russland muss sowohl aus klima-, friedens- wirtschafts- als auch aus sicherheitspolitischen Gründen so schnell wie möglich beendet werden.

Dafür müssen wir neben dem Ausbau der Erneuerbaren Energien auch solidarisch Energie sparen. Eine fortbestehende fossile Abhängigkeit ist nicht tragbar, da sie zum einen Putins Diktatur und Krieg finanziert und zum anderen höchst klima- und umweltschädlich ist. Wir können und sollten uns nicht auf die fossilen Energielieferungen von unberechenbaren Autokraten verlassen, stattdessen muss unser Ziel die europäische Energiesouveränität durch Erneuerbare Energien sein. Echte Energiesouveränität und Unabhängigkeit von russischen Energieträgern wird es nur mit den Erneuerbaren geben. Wir brauchen deshalb einen Energiewende-Booster, um den Umstieg auf 100% Erneuerbare möglichst rasch zu schaffen.

Kurzfristig müssen die Bundesregierung und die Europäische Union die Zufuhr fossiler Energieträger diversifizieren, um die Versorgungssicherheit sicherzustellen. Wir begrüßen daher, dass Wirtschaftsminister Robert Habeck mit Hochdruck genau diese Idee der Energiesouveränität u.a. durch einen massiv beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien und eine Photovoltaikpflicht vorantreibt und gleichzeitig die Versorgungssicherheit durch Diversifizierung, Steigerungen der Energieeffizienz und den Bau von Gasspeichern im Blick behält. In der aktuellen Notlage kann dies bedeuten, dass wir fossile Energien auch aus Ländern beziehen müssen, von denen wir lieber keine Energie beziehen würden, wie z.B. Katar. Es kann aber nur eine letztmögliche und kurzfristige Lösung sein, dass wir uns von einem autokratischen Regime ab- und einem anderen zuwenden.

Auch in Berlin stehen wir vor der Herausforderung, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und zugleich die Energiewende beschleunigt voranzutreiben. Noch können wir nicht komplett auf Gas für die Wärmeversorgung verzichten. Wir werden aber alles tun, um Gas schnellstmöglich durch klimaneutrale Wärmequellen zu ersetzen und die Gasinfrastruktur umzubauen – für eine erneuerbare Wärmeversorgung in Berlin. Am Kohleausstieg noch vor 2030 halten wir fest.

Unser 10-Punkte-Plan im Wärmebereich sieht dabei kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen vor, die wir nun gemeinsam mit unseren Koalitionspartnern auf den Weg bringen wollen. Dafür wird es aber auch zusätzliche Mittel jenseits der aktuellen Haushaltsberatungen brauchen. Die rot-grün-rote Koalition hat sich darauf verständigt, dass Investitionen in die Energie- und Mobilitätswende einen Schwerpunkt dieser Legislatur bilden sollen. Der Krieg in der Ukraine zeigt uns drastisch, wie dringlich eine solche Schwerpunktsetzung ist.

  1. Wir müssen mehr Erneuerbare Wärme in die Heizungskeller bringen. Dazu wollen wir ein Austauschprogramm von Gasheizungen hin zu Wärmepumpen auf den Weg bringen. Zudem soll der Austausch von Heizkörpern gefördert werden, um die Häuser und Wohnungen fit für Wärmepumpen zu machen. Wir prüfen einen Wärmepumpenbonus für Handwerker*innen und beenden die Landesförderung für Gasbrennwertthermen. Für den Neubau schöpfen wir unsere rechtlichen Möglichkeiten für einen Einbaustopp von Gasthermen aus.
  2. Wir müssen bei der Dekarbonisierung der Wärmenetze schneller vorankommen. Hierfür wollen wir die Umstellung der Fernwärme auf Erneuerbare bzw. Abwärme beschleunigen und mit den Betreibern der bestehenden Erdgasverteilnetze verbindliche Ausstiegspläne vereinbaren.
  3. Berlins erneuerbare Wärmepotentiale wollen wir mit einer Wärmeplanung noch konsequenter erschließen. Dazu wollen wir eine Landesförderung für regenerative Nahwärmenetze einführen.
  4. Wir werden auch die Potentiale der Geothermie stärker nutzen. Dafür werden wir in einem ersten Schritt die Datenbasis für die Nutzung von Tiefengeothermie in Berlin verbessern. Für die kostspielige umfassende Erkundung suchen wir sowohl die Unterstützung des Bundes als auch mögliche Kooperationen mit der Wirtschaft. Wir nehmen einen neuen Anlauf, um den Zielkonflikt zwischen der Sicherung unseres Grundwassers und oberflächennaher Geothermie zu lösen. Auch die Potentiale grünen Wasserstoffs müssen wir nutzen – insbesondere als Speicher, für Industrie und Schwerlastverkehr. Dafür braucht es Unternehmen, die sich hierfür engagieren, und deutlich mehr grünen Strom. Eine echte Offensive schaffen wir nur gemeinsam mit Brandenburg.
  5. Wir brauchen ein ambitioniertes und machbares Sanierungsprogramm für Berlins Häuser. Dazu müssen wir bewährte Förderprogramme stärken. Die Ankündigung der Bundesregierung, einen ordnungsrechtlichen Rahmen zu schaffen, begrüßen wir. Etwaige notwendige Lücken schließen wir im Rahmen eines Erneuerbare-Wärme-Gesetzes.
  6. Eine der dringlichsten Maßnahmen ist eine Offensive für mehr Fachkräfte in Klimaberufen. Wir starten deshalb in Abstimmung mit dem Berliner Handwerk, den Kammern und Innungen, eine Aus- und Fortbildungsinitiative, um mehr Menschen für Klimaschutzberufe zu begeistern.
  7. Wir wollen Energiesparchecks für alle öffentlichen Gebäude verpflichtend durchführen und schnell und einfach umzusetzende Einsparmaßnahmen auf den Weg bringen. Privathaushalte wollen wir mit einer Energiesparkampagne und einer kostenlosen Erstberatung über ihre Einsparpotentiale informieren und die bereits vorhandenen Angebote stärker bewerben. So ist ein Großteil der Gasetagenheizungen in Berlins Mietshäusern überdimensioniert, die Anlagen verbrauchen mehr Gas als zum Heizen der Wohnungen nötig ist –zum Schaden der Mieter*innen. Wo die gestiegenen Energiekosten aufgrund der Einkommenssituation schwer zu verkraften sind, müssen neben finanziellen Entlastungen Angebote der Energieschuldenberatung und Maßnahmen zur Vermeidung von Strom- oder Gassperren greifen.
  8. Wir prüfen, wie wir die Grundsteuer und Grunderwerbssteuer an der Energieeffizienz des Gebäudes orientieren können. Je besser saniert ein Gebäude ist, desto weniger zahlt ein*e Eigentümer*in, je schlechter der Sanierungszustand, desto mehr. So setzen wir klare Anreize, in Energieeffizienz zu investieren.
  9. Die Wärmewende braucht mehr grünen Strom. Das bedeutet für Berlin vor allem, Photovoltaikanlagen auf Berlins Dächern. Deshalb haben wir Grüne das Ziel von 25% Solarstrom 2035 im Koalitionsvertrag durgesetzt. Mit dem Solargesetz Berlin, der Solarpflicht für öffentliche Gebäude im EWG und dem Masterplan Solarcity haben wir bereits wichtige Weichen für die notwendige Beschleunigung des PV-Ausbaus gestellt. Diesen Weg muss das Land Berlin konsequent fortsetzen.
  10. Wir wollen die Zusammenarbeit mit dem Land Brandenburg und unseren dort an der Regierung beteiligten bündnisgrünen Parteifreund*innen intensivieren. Beide Bundesländer können gemeinsam die Wärmewende schaffen, wie eine Studie des Fraunhofer-Instituts im Auftrag von Bündnisses Kohleausstieg Berlin gezeigt hat. Dafür gründen wir eine gemeinsame Task Force Energiewende in der Metropolregion.

 

Klimaschutz und Mobilitätswende

Die Klimakrise und die zunehmend steigenden Energiepreise aufgrund des Kriegs in der Ukraine zwingen uns überdies dazu, klimaschädliche Energieträger sparsamer und effizienter einzusetzen. Einsparpotential gibt es im Land Berlin insbesondere auch mit Blick auf den motorisierten Individualverkehr, da der Verkehrssektor nach wie vor der zweitgrößte Emittent von CO2 ist. Eines ist klar: Der Umstieg auf Elektromobilität macht den Verkehr zwar weniger klimaschädlich, verbraucht dennoch Energie und kostbare Ressourcen. Die Mobilitätswende muss daher mehr sein als eine bloße Antriebswende. Unser Ziel, möglichst viele Menschen davon zu überzeugen vom Auto auf Bus, Bahn, Rad oder Fuß umzusteigen ist heute wichtiger und drängender denn je. Zentral wird dabei sein, dass wir den ÖPNV noch attraktiver gestalten.

Daher werden wir eine Attraktivitäts-Offensive starten. In der letzten Periode haben wir bereits die größte ÖPNV-Infrastruktur-Investitions-Phase gestartet, die es in Berlin je gab. Mit neuen Linien, einem besseren Takt und einem deutlich gesteigerten Angebot wird dies schon bald erste Erfolge zeigen. Nun gilt es diesen Weg zu verstärken. Wir werden daher die Bahnhöfe aufwerten, für mehr Sicherheit im ÖPNV sorgen und auch Abos attraktiver machen. Um diese Offensive zu finanzieren und insbesondere am Stadtrand mehr Angebote schaffen zu können, führen wir eine dritte Finanzierungssäule ein. In einem ersten Schritt werden die Gebühren fürs Anwohner- und fürs Kurzzeitparken erhöht. Dies allein wird jedoch nicht reichen.Wir werden darüber hinaus noch weitere Einnahmequellen benötigen, wie beispielsweise eine Maut, die vor allem PKWs mit hohen CO2-Emissionen betrifft und sozial gestaffelt ist. Deren Einnahmen sollen für die Vergünstigung des Verkehrs und den Ausbau des ÖPNV, gerade in den Außenbezirken, verwendet werden.

Wir unterstützen die Pläne der SenUMVK, die Verfahren für Bus- und Radspuren zusammen mit den Bezirken zu beschleunigen. Diesen Weg wollen wir kontinuierlich ausbauen. Um schnell fossile Energien einsparen zu können, fordern wir zudem die Einführung von mindestens einem autofreien Sonntag pro Monat in Berlin.Wir werden überdies alle rechtlichen Möglichkeiten nutzen, um Tempo 30 für den motorisierten Individualverkehr in der Stadt durchzusetzen.Wer sein Auto stehen lässt oder gar keines besitzt, soll dennoch rasch und bequem vorankommen. Wir tun alles, damit das künftig auch für Pendler*innen und für Menschen gilt, die am Stadtrand wohnen.

 

Berlin als "sicherer Hafen" für alle Geflüchteten

Millionen Menschen befinden sich auf der Flucht aus der Ukraine. Dabei ist Berlin als "Sicherer Hafen" für viele Menschen, nicht zuletzt aus der organisierten ukrainischen Zivilgesellschaft, ein Hauptziel. Wir stehen solidarisch an der Seite aller Menschen in der Ukraine und aller Geflüchteten aus der Ukraine. Diese Entwicklung und die anhaltend hohe Zahl an Schutzsuchen, auch aus anderen Konfliktgebieten, bedeuten einen organisatorischen, logistischen und humanitären Kraftakt für Senat, Bezirke und die gesamte Stadtgesellschaft. Wir senden dennoch das klare Signal: Wir lassen Euch nicht allein! Das schließt explizit auch alle Schwarzen Menschen, People of Color und Drittstaatler*innen und Staatenlosen ein, die sich derzeit auf der Flucht vor dem Krieg befinden.

Bündnis 90/Die Grünen Berlin verurteilen scharf die Anwendung von "Racial Profiling" an der polnisch-deutschen Grenze durch die Bundespolizei sowie die schamlosen und rassistischen Bemühungen, zwischen "guten" und "schlechten" Geflüchteten zu unterscheiden. Der Krieg in der Ukraine trifft alle dort lebenden Menschen, und zwar unabhängig von ihrer Herkunft. Für uns steht fest: Die Bundesregierung muss allen Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine flüchten, den gleichen Schutz und die gleichen Aufenthaltsrechte bieten.

So etwa Angehörige der Minderheit der Roma, die bereits vor dem Krieg stark diskriminiert und sozial-benachteiligt waren. 40% der in der Ukraine lebenden Rom*nja sind staatenlos. Wir benötigen eine funktionierende Verteilung nach dem Königsteiner Schlüssel auf die anderen Bundesländer. Besonders vulnerable Geflüchtete wie LSBTIQ* und BIPoC sollen aber nicht gegen ihren Willen durch das EASY-System nach Königsteiner Schlüssel an Orte ohne unterstützende Strukturen verbracht werden, sondern dauerhaft in Berlin bleiben können. Bei Menschen mit Behinderung soll eine Verteilung außerhalb Berlins nur dann erfolgen, wenn vor Ort gleiche Möglichkeiten zur Teilhabe wie in Berlin bestehen. Für diejenigen, die in Berlin bleiben, gilt es nun schnell und unbürokratisch die Registrierung zu ermöglichen, die Gesundheitsversorgung sicherzustellen und Zugang zu Ausbildung, Studium und Arbeitsmarkt tatsächlich zu ermöglichen. Wir werden uns auf Bundesebene und auch in Berlin mit allen Kräften dafür einsetzen, dass für Drittstaatsangehörige gleichberechtigte Aufenthaltsperspektiven geschaffen werden. Dazu gehört es auch, die Menschen in die Lage zu versetzen, rechtliche Voraussetzungen erfüllen zu können. Es braucht zudem in Absprache zwischen Bund und Ländern einen klaren finanziellen Rahmen, der die besondere Situation Berlins anerkennt und dieser gerecht wird. Die Bundesregierung steht in der Pflicht, dem Land Berlin die notwendigen Finanzmittel und strukturellen und personellen Unterstützungsangebote zügig bereit zu stellen.

Die Berliner Stadtgesellschaft hat in den vergangenen Wochen enormes geleistet. Die gezeigte Solidarität und das gelebte Engagement boten vielen Menschen in einer für sie verzweifelten Lage Hoffnung. Nicht nur zu Beginn der Krise waren der Berliner Senat und die Verwaltung auf die Unterstützung der Zivilgesellschaft angewiesen, bis heute ist die ehrenamtliche Helfer*innenstruktur unverzichtbar und garantiert, dass Berlin der Aufgabe weiter gewachsen bleibt. Es gilt nun diese Lage Schritt für Schritt in geordnete Bahnen zu lenken und dauerhaft funktionierende Strukturen für Ankunft, Unterbringung und soziale und gesellschaftliche Teilhabe zu schaffen. Dabei ist eine enge Zusammenarbeit zwischen professionellen und den bereits bestehenden ehrenamtlichen Strukturen von besonderer Bedeutung, um die Kontinuität von Projekten und Angeboten zu sichern und eine stete Verbesserung der Angebote zu erreichen. Dafür braucht es in einem ersten Schritt eine vereinfachte und direkte Gewährung von Personal- und Sachmitteln für die zivilgesellschaftlichen Träger durch die Zuwendungsstellen zum Aufbau professioneller Hilfestrukturen neben dem ehrenamtlichen Engagement. In einem zweiten Schritt wird mittelfristig ein neuer "Masterplan" benötigt, der die Teilhabe und Inklusion aller geflüchteter Menschen aus der Ukraine auf Landes- und Bezirksebene sowie in allen gesellschaftlichen Bereichen aktiv befördert. Dabei sollen u.a. geflüchtete Kulturschaffende und Kulturprojekte für Geflüchtete besondere Unterstützung erfahren sowie Jugendbegegnungen zur Kriegsaufklärung gefördert werden.

Der Berliner Senat hat in den letzten Wochen schnell und geschlossen agiert, um die Geflüchteten angemessen unterzubringen und zu versorgen. Aber wir müssen damit rechnen, dass in den nächsten Wochen die Zahl der Menschen, die zu uns flüchten, noch weiter ansteigen wird. Deshalb sind eine funktionierende Struktur und ausreichende Kapazitäten in den Ankunftszentren sicherzustellen. Vulnerablen Gruppen müssen überdies sichere Unterkünfte unterbreitet werden, die ihren Sicherheitsbedarfen Rechnung tragen. Wir fordern daher den Senat auf, die zivilgesellschaftlichen Organisationen bei der Einrichtung von eigenen Unterkünften für LSBTIQ*- und BIPoC-Geflüchtete als "Safer Spaces" zu unterstützen. Zudem müssen in allen Einrichtungen Betreiber*innenschutzkonzepte für vulnerable Gruppen zur Prävention und zum Schutz vor Sexismus, sexualisierter Gewalt, Rassismus oder Queerfeindlichkeit implementiert werden. Den Senat fordern wir auf, zivilgesellschaftliche Plattformen, die die private Unterbringung Geflüchteter organisieren, professionell zu beraten. Dabei müssen sowohl die Sicherheit und der Schutz vulnerabler Gruppen gewährleistet als auch ehrenamtliches Engagement niedrigschwellig möglich sein.

Der 2018 beschlossene Bau von modularen Unterkünften für Geflüchtete muss zudem zügig zum Abschluss gebracht werden, damit pro Bezirk die vereinbarten 1.000 Plätze errichtet werden. Damit Geflüchtete zügig von Unterkünften in Wohnungen ziehen können, insbesondere auch jene, die bereits seit vielen Jahren in Unterkünften leben, braucht es weitere Vereinbarungen über Kontingente mit den kommunalen Wohnungsbaugesellschaften und mit privaten Wohnungsunternehmen. Zudem muss der Zugang zum Wohnberechtigungsschein für Geflüchtete unabhängig von der Dauer des Aufenthaltsstatus endlich ermöglicht werden. Zudem wollen wir durch Programme wie "Wohnen für Hilfe" oder durch die Kooperation mit Sozialen Trägern Alleinlebende in großen Wohnungen oder gar Häusern davon überzeugen, Menschen aufzunehmen. Zudem wird es umso dringender, dass neuer Wohnraum im bezahlbarem Segment entsteht. Die Schaffung ausreichender Unterbringungskapazitäten ist nur möglich, wenn alle Beteiligten in der Stadt ihren Beitrag leisten. Nicht nur die Landeseigenen Wohnungsunternehmen sollten wie bisher feste Vermietungsquoten für Geflüchtete erfüllen, auch die großen privaten Wohnungsunternehmen stehen in der Pflicht, einen deutlichen Beitrag zu leisten.

Überdies braucht es qualifizierte und passgenaue Angebote, die den verschiedenen Bedarfen der Geflüchteten gerecht werden. Etwa kostenlose Beratung zu Fragen des Aufenthalts und341 Asyls, des Studiums und der Erwerbstätigkeit sowie der sozialrechtlichen Unterstützung für Drittstaatler*innen. Ebenso muss das Land Berlin auf die besonderen gesundheitlichen, psychosozialen oder Inklusionsbedarfe von allen Menschen aus der Ukraine adäquat reagieren – insbesondere bei der Unterstützung von trans-Geflüchteten, sowie Geflüchteten mit HIV oder anderen Infektionserkrankungen und von Geflüchteten mit Behinderungen.

Besonders viele der Geflüchteten sind Frauen. Sie kommen allein, mit Kindern oder mit Großeltern. Sie bangen um ihre männlichen Verwandten und Freund*innen in der Ukraine und tragen zeitgleich Verantwortung für ihre Angehörigen, die sie mitbringen. Sie gehören zu den vulnerablen Gruppen. Schutz vor Gewalt und Ausbeutung gilt auch für sie. Bündnis 90/Die Grünen Berlin unterstützt Aufklärungskampagnen zu Menschenhandel und Informationen zu Gewalt. Zudem setzen wir uns dafür ein, dass der Kampf gegen Menschenhandel von Seiten der Bundes- und Landespolizei sowie des Senats noch mehr in den Fokus gerückt wird. Letztgenannter soll gemeinsam mit dem vom Bundesfamilienministerium geförderten Koordinierungskreis gegen Menschenhandel eine Struktur schaffen, die darauf abzielt Menschenhandel und Ausbeutung von Schutzsuchenden maximal zu verunmöglichen. Die Teilnahme an einem Integrationskurs, Qualifizierungsmaßnahmen oder Arbeitsmarktangeboten soll allen geflüchteten Menschen aus der Ukraine zügig ermöglicht werden. Mütter können diese Angebote nur nutzen, wenn sie eine Kinderbetreuung haben. Wir setzen uns deshalb für die schnelle Eingliederung der Kinder in Kindertageseinrichtungen und Schulen ein, nicht nur in Willkommensklassen, sondern auch direkt integriert in die Regelklassen verbunden mit hybriden Lernmodellen, temporären außerschulischen Lerngruppen und frühkindlicher Sprachförderung außerhalb der Kitas. An den Schulen ist eine ausreichende personelle Ausstattung der schulpsychologischen Beratung zu gewährleisten.

Die Bedürfnisse von besonders vulnerablen Gruppen, insbesondere unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten, sind von Minute eins an zu berücksichtigen. Darüber hinaus befürworten wir vereinfachte Einstellungsverfahren für die ukrainischen Geflüchteten als pädagogische Fachkräfte für ihre berufliche Integration und gleichzeitig als Brückenbauer*innen zwischen den Kindern und Jugendlichen und den Bildungssystemen der Ukraine und Deutschlands.

Eines ist klar: Die Aufnahme flüchtender Menschen aus der Ukraine darf nicht zulasten anderer geflüchteter Menschen gehen, die bereits länger bei uns leben.Wir dürfen und werden auch diejenigen Schutzsuchenden nicht vergessen, die noch immer an der polnisch-belarussischen Grenze, in Afghanistan oder auf Lesbos ausharren müssen. Auch für sie muss es sichere & legale Fluchtwege und eine Chance auf Leben geben. Berlin als "Sicherer Hafen" heißt alle Schutzsuchenden willkommen.

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