29.06.22 –
Beschluss auf dem Landesausschuss:
Die Klimakrise verursacht immer stärkere und längere Hitzeperioden. Allein in den Jahren 2018 bis 2020 gab es in Berlin und Brandenburg 1.400 Hitzetote. Auf Hitzewellen wie im Sommer 2021 in Kanada oder im Mai dieses Jahres in Indien sind Kommunen, das Gesundheitswesen und die Versorgungssysteme in Deutschland nicht ausreichend vorbereitet. Die völlige Überlastung des Berliner Rettungsdienstwesens in den letzten Tagen ist auch ein Ausdruck für die erhöhte gesundheitliche Belastung der Berliner Bevölkerung durch die aktuelle Hitzewelle.
Hitzeschutz ist Gesundheitsschutz. Um Berlin auch mit Fortschreiten der Klimakrise als lebenswerte Stadt zu erhalten, brauchen wir daher umfassende Schutzmaßnahmen, um alle Berliner*innen während starker Hitzewellen zu schützen. Dabei übernimmt die Berliner Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung gemeinsam mit der Landesärztekammer Berlin und der "Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit" mit dem "Aktionsbündnis Hitzeschutz Berlin" und in Zusammenarbeit mit den Bezirken deutschlandweit eine Vorbildrolle bei der Einführung von Hitzeschutzplänen im Gesundheits- und Pflegebereich. Durch zentrale Alarmierung und Musteraktionspläne werden in einem breiten Bündnis die Berliner Gesundheitseinrichtungen, wie Krankenhäuser, Arztpraxen und Pflegeheime, auf aktuelle und kommende Hitzewellen vorbereitet.
Darüber hinaus sind neben den personell oft stark belasteten Gesundheitsämtern aber alle Teile der Verwaltung aufgerufen, kreative Lösungen zu entwickeln. Dabei brauchen wir Lösungen, die kurzfristig greifen und langfristig wirksam sind, um maximalen Veränderungspush zu entwickeln. Berlin braucht passgenaue Hitzeaktionspläne, die die unterschiedlich gelagerten Bedürfnisse und Ressourcen unserer vielfältigen Bezirke berücksichtigen. Die Entwicklung kreativer und umsetzbarer Ideen bedarf einer entsprechenden Personalausstattung, die in der Planung berücksichtigt werden muss. Das Thema Hitzeschutz muss strukturiert erforscht und wesentlicher Bestandteil eines Programms zum Umgang mit den gesundheitlichen Folgen des Klimawandels in der Großstadt Berlin unter Federführung der Gesundheitsverwaltung werden. Die Umsetzung liegt bei allen Verwaltungen und bei allen Berliner*innen. Hierfür bedarf es entsprechender Sensibilisierung und Aktivierung der Berliner*innen über Hitzeschutzbündnisse in den Bezirken.
Hitzewellen betreffen jedoch nicht nur das Gesundheits- und Pflegewesen, sondern Menschen in allen Lebenslagen. Damit ist Hitzeschutz auch ein herausragendes Beispiel für einen Health in all policies Ansatz: Kleinkinder, Schüler*innen, Studierende und Auszubildende haben das Recht auf sichere Lernbedingungen. Obdachlose Menschen brauchen kühle und sichere Rückzugsorte und jederzeit Zugang zu ausreichend Trinkwasser. Berufs- und Freizeitsportler*innen brauchen sichere Sportstätten. Die Ausübung aller Berufe muss sicher möglich sein. Das betrifft insbesondere Menschen, die unter Sonneneinstrahlung arbeiten, wie Lieferdienste und Bauarbeiter*innen. Aber auch viele Büros heizen sich so auf, dass sicheres Arbeiten kaum möglich ist. Und auch Kulturveranstaltungen und Festivals müssen so gestaltet sein, dass Kulturschaffende und Besucher*innen sicher an ihnen teilhaben können.
Hitzeschutz ist überall notwendig, wo sich Menschen aufhalten, und muss deshalb als Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge in allen politischen Bereichen mitgedacht werden. Vor Allem darf die Möglichkeit sich abzukühlen und ausreichend Trinkwasser zur Verfügung zu haben, keine Frage des sozialen Status sein. Dabei müssen wir besonders vulnerable Gruppen, wie Kinder unter 15 Jahre, Menschen mit Vorerkrankungen und alte Menschen besonders im Blick haben.
Wir brauchen eine Analyse in welchen Bereichen der Stadt die Menschen besonders durch Hitze belastet sind, um städtebaulich darauf reagieren und sogenannte Cool-Spots voranbringen zu können. Außerdem muss das Thema Hitzeschutz strukturiert erforscht und als wesentlicher Bestandteil eines Programms zum Umgang mit den gesundheitlichen Folgen des Klimawandels in der Großstadt Berlin unter der Federführung der Gesundheitsverwaltung vorangebracht werden.
Hitze ist auch ein Thema über Health in all policies hinaus: Wird es zu heiß, hat dies jedoch nicht nur einen negativen Einfluss auf unsere Gesundheit, sondern auch auf die Funktionalität der kritischen Infrastruktur. Schienen verbiegen sich, mit steigender Anzahl an Klimaanlagen steigt der Energieverbrauch und Kühlkreisläufe von technischen Anlagen funktionieren nicht mehr. Bei länger anhaltenden Hitzewellen kann es zu Black-Outs kommen, durch die schnell alle weiteren kritischen und sicherheitsrelevanten Infrastrukturbereiche betroffen sind.
Viele der zu ergreifenden Maßnahmen sind relativ einfach und müssen schnell umgesetzt werden. Andere Maßnahmen betreffen den grundlegenden Umbau der Stadt und müssen langfristig geplant werden. Wichtig ist, dass wir jetzt sofort anfangen. Wenn es uns gelingt, einfache Maßnahmen unmittelbar umzusetzen, und das Thema Hitzeschutz entsprechend des Leitsatzes "Health in all Policies" überall mitzudenken, dann haben wir Berlin in diesem Sommer schon ein ganzes Stückchen sicherer gemacht.
Kategorie