03.06.23 –
Beschluss auf der Landesdelegiertenkonferenz:
Als Landesverband Berlin erklären wir uns uneingeschränkt solidarisch mit Bahar Aslan, stellvertretend für alle Menschen, die in unserer Gesellschaft gegen Rassismus und Rechtsextremismus kämpfen.
Der Einsatz gegen Rassismus und rechtes Gedankengut ist Teil unseres bündnisgrünen Selbstverständnisses und Wertefundaments. Gleichzeitig sind Rassismus und rechtsextreme Strukturen innerhalb von Sicherheitsbehörden ein bis heute ungelöstes Problem. Wir dürfen und werden auch zukünftig davor nicht die Augen verschließen, sonst riskieren wir den Bruch mit den Grundwerten unserer rechtsstaatlichen Demokratie. Wer Menschen wie Bahar Aslan angreift, die auf Missstände hinweisen, indem sie ihre Lebensrealität und die Lebensrealität nicht weiß gelesener Menschen für andere sichtbar machen, der wird selbst zum Teil des Problems.
Bahar Aslan, die sich nicht zuletzt durch ihre Arbeit als Dozentin für interkulturelle Kompetenz an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV) NRW aktiv, mutig und fachlich gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit eingesetzt hat, erlebt gerade, wie folgenschwer dieser Einsatz sein kann.
Wegen eines persönlichen Tweets, der missverständlich formuliert aber im Inhalt klar gegen Rechtsextremismus in der Polizei gerichtet war, wurde Bahar Aslan innerhalb von 48 Stunden und ohne vorherige Anhörung der Lehrauftrag von der HSPV entzogen und der Bezirk Münster prüft dienstrechtliche Konsequenzen gegen sie als verbeamtete Lehrerin. In den Sozialen Medien überrollte sie eine Welle des Hasses, der Beleidigungen und Bedrohungen.
Berufliche Konsequenzen sind auf dieser Grundlage unangebracht. Die fehlende Solidarität von staatlicher Seite hingegen erschreckend. Niemand verdient es aufgrund der Schilderung negativer persönlicher Erfahrungen mit Hass überschüttet zu werden oder gar die berufliche Zukunft zu verlieren. Bahar Aslan hat sich von ihrer eigenen Wortwahl bereits distanziert und klargestellt, dass sie keine Pauschalverurteilung von Polizist*innen vornehmen wollte. Die Tatsache, dass sie als Dozentin an der HSPV lehrt und regelmäßig mit Polizeischüler*innen interagiert, zeigt, dass sie schon heute Teil der Lösung sein will.
Wir erwarten, dass auch die Verantwortlichen in Politik und Sicherheitsbehörden Teil der Lösung sein wollen. Seit Jahren lässt sich beobachten, wie Vorfall um Vorfall von Innenminister*innen zu „Einzelfällen“ erklärt werden. Netzwerke und Chat-Gruppen, in denen Hakenkreuze und Witze über Gaskammern geteilt werden, bleiben für die Beteiligten oft ohne Konsequenzen. Wir werden Zeug*innen, wie Menschen Opfer von Polizeigewalt werden und es noch immer keine unabhängigen Studien zu deren Ausmaß gibt. Auch gibt es noch immer keine polizeiunabhängige Stelle, die Anzeigen gegen Sicherheitskräfte wegen Gewaltanwendung untersuchen. Wer sich aus den Reihen der Beamt*innen traut auf Missstände aufmerksam zu machen, wird nicht selten Opfer von Anfeindungen und Mobbing.
Nicht die Hinweise darauf sind es, die dem Ansehen und dem Vertrauen in die Arbeit der Sicherheitsbehörden in unserem Land schaden, sondern dass diese Zustände seit Jahren bekannt sind und viel zu wenig unternommen wird sie zu ändern. Damit schaden die Verantwortlichen vor allem der überwältigenden Mehrheit der Einsatzkräfte, die tagtäglich rechtmäßig, professionell und neutral ihren Dienst ausüben, sich den damit verbundenen Gefahren aussetzen, um das Grundgesetz, die Rechtsordnung und die Menschen in diesem Land zu beschützen. Sie schaden damit all jenen Beamt*innen, die rechtes Gedankengut genauso unvereinbar mit ihrer Aufgabe und Rolle empfinden, wie wir. Sie gefährden jene Beamt*innen, die selbst ins Fadenkreuz von Rechtsextremen und Reichsbürger*innen gelangen.
Die größte Gefahr für unsere Demokratie geht von rechts aus, daher ist es unsere gesamtstaatliche Pflicht, dem konsequent und überall entgegentreten. Wir setzen uns auch weiterhin dafür ein, internalisierten und strukturellen Rassismus zu erkennen, zu hinterfragen und aktiv zu bekämpfen. Die Hochschulen und Polizeischulen müssen Orte sein, an denen diskriminierungssensibles Handeln, Selbstreflexion und eine ernsthafte Fehlerkultur zum Alltag gehören. Bahar Aslan darf nicht in der geschehenen Form dafür bestraft werden, dass sie über ihre Ängste spricht. Diese Ängste werden von vielen nicht weiß gelesenen Menschen in diesem Land geteilt. Sie zu äußern und als Problem zu benennen ist zulässig und berechtigt, solange das Sicherheitsversprechen in diesem Land nicht für alle gleichermaßen gilt.
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