28.09.24 –
Beschluss auf der FLINTA-Konferenz:
Der Gender Pay Gap, die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen, liegt in Deutschland bei 18 Prozent. Von unfairer Entlohnung und ungleicher Behandlung auf dem Arbeitsmarkt sind Frauen, Lesben, inter, nicht-binäre, trans* und agender Personen (FLINTA) besonders betroffen. FLINTA arbeiten häufiger in Berufen, die strukturell schlechter bezahlt werden und übernehmen seltener Führungspositionen. Sie erledigen mehr unbezahlte Sorgearbeit und nehmen aufgrund von Schwangerschaften und Kindererziehung häufiger längere Auszeiten aus dem Erwerbsleben. Sie arbeiten häufiger in Teilzeit oder in Minijobs. All das wirkt sich negativ auf die finanzielle Selbstständigkeit von FLINTA aus und sorgt dafür, dass sie häufiger von Altersarmut betroffen sind. Doch ohne die Erwerbsarbeit und Care-Arbeit von FLINTA würde unsere Gesellschaft nicht funktionieren. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass gute Arbeit endlich auch gut entlohnt wird.
Unklare Gehalts- und Beförderungsstrukturen befördern den Gender Pay Gap. Wenn Gehaltsstrukturen und -verhandlungen, sowie Beförderungen undurchsichtig sind, haben FLINTA weniger Informationen und Möglichkeiten, faire Gehälter zu fordern. Fehlende Transparenz bei der Tarifeinstufung oder generell fehlende Tarifbindung sowie faktische Entgeltungleichheit werden als Individualproblem ausgelegt, obwohl sich dahinter Strukturen abbilden, die echte Lohngerechtigkeit verhindern. Das Entgelttransparenzgesetz muss in seiner Grundstruktur erheblich verbessert und auch endlich umgesetzt werden und Unternehmen auch kleinerer Betriebsgrößen zur proaktiven Lohntransparenz verpflichten. Deswegen unterstützen wir das Vorhaben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die EU-Entgelttransparenzrichtlinie zügig und umfassend in nationales Recht zu überführen.
Ungleich verteilte Sorgearbeit ist auch heute noch ein geschlechterbasiertes Problem. FLINTA sind häufiger in Teilzeitbeschäftigung tätig oder unterbrechen ihre Karrieren, um sich um Familie und Kinder zu kümmern. Das führt zu geringen Verdienstmöglichkeiten und wirkt sich negativ auf die Rente für FLINTA aus. Obwohl sich viele Familien Fürsorge- und Erwerbsarbeit gleichberechtigt aufteilen wollen, gilt bei der Steuer nach wie vor das Modell: ein Elternteil verdient das Geld, der zweite Elternteil bleibt zuhause und kümmert sich um die Care-Arbeit.
Das Ehegattensplitting ist ungerecht sowie unzeitgemäß und muss reformiert werden. Aktuell ist die Steuerersparnis umso höher, je größer der Einkommensunterschied zwischen den Ehepartner*innen und je höher das gemeinsame Einkommen ist. Somit fördert das Ehegattensplitting Alleinverdiener-Haushalte mit hohen Einkommen und stellt eine große Hürde für die Erwerbstätigkeit von Frauen dar. Sie arbeiten häufiger in Teilzeit oder Minijobs und erzielen damit ein niedrigeres Lebenserwerbseinkommen. Dies führt zu einem erhöhten Armutsrisiko im Alter oder nach einer Trennung. Auch bildet das Ehegattensplitting die vielfältigen Formen partnerschaftlichen Zusammenlebens nicht ab. Die Reform soll das Ehegatten-Splitting durch eine Individualbesteuerung mit übertragbarem Grundfreibetrag ersetzen. Alleinerziehende (Ein-Eltern-Familien), die sowohl das Familieneinkommen erwirtschaften als auch die Familiencare-Arbeit leisten, werden aktuell durch die Eingruppierung in die Steuerklasse 2 benachteiligt. Auch für sie müssen grundlegende Veränderungen, die die Abschaffung der Steuerklasse 2 nicht ausschließen, geschaffen werden.
Statt eine Brücke zu Vollbeschäftigung zu schaffen, sind Teilzeit und Minijobs zu Dauerbeschäftigungen gewachsen. Die Zahl der Minijobs beträgt deutschlandweit über 6,4 Millionen. Mehr als zwei Drittel betreffen Frauen. Insbesondere Alleinerziehende sind davon betroffen. Wichtige Hebel hiergegen sind die Reformierung von Steuervorteile bei Minijobs und den Einbezug in die Sozialversicherung gesetzlich zu regeln.
FLINTA haben beim Sprung in die Selbständigkeit mit mehr Herausforderungen zu kämpfen als Männer. Hierzu tragen nicht nur traditionelle Rollenbilder, die Frauen als Chefinnen nicht vorsehen, bei. Auch die Tatsache, dass für FLINTA eine Familiengründung in Selbständigkeit mit wesentlich höheren Hürden verbunden ist als für Männer, spielt eine entscheidende Rolle. Dass während des Mutterschutzes Kund*innen zu anderen Anbieter*innen wechseln, lässt sich kaum verhindern - dies führt jedoch dazu, dass viele selbständige FLINTA kaum Elternzeit nehmen können, um so schnell wie möglich nach dem Mutterschutz wieder ihre Arbeit aufzunehmen. Damit FLINTA in dieser Situation nicht ihre Selbständigkeit aufgeben müssen, muss es dringend flexiblere Kinderbetreuungsmöglichkeiten auch für einzelne Tage oder wenige Stunden auch für sehr kleine Kinder vor dem Eintritt in die Kita geben. Es ist problematisch, dass selbständige Menschen nicht automatisch in die gesetzlichen Krankenversicherungen einzahlen (können), die ja Mutterschaftsgeld als Versicherungsleistung tragen. Wir unterstützen deshalb die Forderung nach einer Bürgerversicherung und die Forderungen der Initiative "Mutterschutz für alle". Darüber hinaus braucht es zusätzlich Lösungswege, die die wirtschaftlichen Gefahren für das Unternehmen während des Mutterschutzes über spezielle, finanziell leistbare Ausfallversicherungen abwenden.
Im Vergleich zum Gender-Pay-Gap fällt der Pension-Pay-Gap noch viel dramatischer aus. Langfristige Verbesserungen könnten die Ursachen beheben, aber das betrifft vor allem zukünftige Generationen. Auf viele Frauen aus den Babyboomer- Jahrgängen wartet dagegen eine Rente unter dem Existenzminimum. Das bedeutet, dass viele von ihnen auf Transferleistungen angewiesen sein werden oder von der Versorgung in einer "Ernährer-Ehe" abhängig bleiben. Wir brauchen mutige Reformen des Rentensystems: Zum Beispiel durch eine Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung für ALLE, ergänzt durch eine einkommensabhängige verpflichtende Versicherung, in die ALLE einzahlen.
Die Berufswahl und Verteilung in verschiedenen Branchen wird stark von patriarchalen Strukturen beeinflusst. Berufe, die als "Frauenberufe" gelten, werden in diesen Strukturen oft abgewertet und schlechter bezahlt. Wenn verschiedene Geschlechter dazu neigen, unterschiedliche Berufe zu wählen, die unterschiedlich bewertet und bezahlt werden, verstärkt das die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern.
Ein wichtiger Beitrag für eine gendergerechte Ausbildung beginnt schon bei der Berufsorientierung. Hier ist es notwendig, gezielt Mädchen und junge FLINTA für Ausbildungsberufe, die momentan noch männerdominiert sind, anzusprechen und sie für diese zu begeistern. Es sollte mehr (bezahlte) Praktika und einzelne Mitlauftage geben, damit verschieden Berufe kennengelernt werden können. Die Zusammenarbeit der Schulen mit den Jugendberufsagenturen muss ausgebaut werden, sodass Berufsberater*innen von der Jugendberufsagenturen mit festem Arbeitsplatz in den Schulen in mehreren Beratungsgesprächen Beziehungsarbeit leisten können und z.B. Schüler*innen an Betriebe vermitteln können.
Wir fordern außerdem genügend betriebliche Ausbildungsplätze zusätzlich zum neuen Gesetz zur Ausbildungsgarantie (April 2024). Dies wird durch eine Umlagefinanzierung bewerkstelligt, bei der alle Betriebe, die nicht ausbilden, eine Umlage in einen Fonds einzahlen, der dann neue, weitere Ausbildungsplätze schafft und gleichzeitig die ausbildenden Betriebe entlastet. So gibt es mehr ausbildende Betriebe und die Qualität der Ausbildungen steigt, weil z.B. bessere Vergütung möglich ist und überbetriebliche Ausbildungsstätten finanziert werden.
In Berlin gibt es die Integrierte Berufsausbildungsvorbereitung, ein sehr sinnvolles und hilfreiches Konzept, das derzeit noch recht unbekannt ist. Durch eine Umbenennung kann sie attraktiver und bekannter gestaltet werden. Wir fordern außerdem eine Orientierungsausbildung, bei der man die Branche und Berufliche Schulen, Oberstufenzentren, kennenlernt, aber sich noch nicht für eine Ausbildung entscheidet. Durch Zentrale Tage der offenen Tür in den Oberstufenzentren und organisierte, begleitete Teilnahme von Schüler*innen der allgemeinbildenden Schulen können diese Art von Angeboten besser an die Schüler*innen getragen werden.
Wir brauchen dringend mehr Handwerker*innen und FLINTA sind die größte Potenzialgruppe. Um FLINTA für den Handwerksberuf zu begeistern, braucht es mehr Vernetzung unter den Frauen, Sensibilisierung bei den bisher männlich dominierten Betrieben und gezielte Berufsorientierung. Zudem braucht es Beschwerdestrukturen für Antidiskriminierung und für Probleme im Betrieb. Dabei sollte alles zentral über eine Stelle laufen, damit diese auch bekannt wird und sich etabliert. Es braucht auch eine zentrale Beratungsstelle (z.B. für Azubis mit Kind, oder Hilfe bei Bürokratie), die über das Azubiwerk läuft. Dieses wollen wir analog zum Studierendenwerk aufbauen. Das Azubiwerk soll außerdem Wohnraum akquirieren, um die Wohnungskrise für Azubis zu bekämpfen. Auch gemeinsame Studi- und Azubiwohnheime können eine geeignete Strategie sein. Genau so, wie es an Unis zusätzlich zu den Modulen beispielsweise FLINTA- Programmierkurse gibt, sollte es auch kostenlose und bekannte Angebote für FLINTA in Ausbildungen geben (z.B. Schweißkurse), um die Möglichkeit zu haben sich auf den Beruf vorzubereiten.
Wie das Handwerk sind die Digitalwirtschaft und Start-up-Unternehmen ein männlich dominiertes Feld, in denen FLINTA eher die Ausnahme bilden. Berlin ist Hotspot der Digitalwirtschaft und Ort digitalpolitischer Debatten. Die Digitalwirtschaft mit ihren vielen Start-ups ist ein zentraler Motor der wirtschaftlichen Entwicklung und sichert Berlin als Standort mit Zukunft. Doch der Anteil von weiblichen Gründerinnen liegt in Berlin bei nur 18,3 Prozent. Deshalb setzen wir uns für höhere Frauenquoten bei der Vergabe von Gründungsförderungen ein. Projekte, die Gründerinnen unterstützen, wollen wir finanziell besser ausstatten. Wir müssen zudem die Aus- und Weiterbildungsangebote für digitale Kompetenzen für FLINTA fördern und FLINTA in der Digitalbranche sichtbarer machen. Denn neben der Tatsache, dass auch FLINTA von den guten Gehältern in der Digitalbranche profitieren sollen, wird in dieser Branche die Technologie unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens entwickelt. Diversere Entwickler*innenteams sorgen dafür, dass Künstliche Intelligenz, Social Media Plattformen und eine digitale Verwaltung auch die Bedürfnisse von FLINTA berücksichtigen und diese weniger anfällig für Diskriminierung, Hassrede, Datenschutzverstöße, Doxing und Stalking sind.
Auch in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) sind FLINTA stark unterrepräsentiert. In den Leistungskursen, den Ausbildungen oder Studiengängen, den Professuren oder der Berufswelt bilden FLINTA nur die Ausnahme, sodass gut bezahlte Jobs oder Entscheidungspositionen männlich besetzt bleiben. Die Förderung für Mädchen und junge FLINTA in MINT- Fächern muss bereits in der frühkindlichen Bildung angesetzt und durch alle weiterführenden Schulen fortgesetzt werden. Gezielte Schnupperangebote in außerschulischen Bildungseinrichtungen sowie Initiativen und Vereine, die die spielerische Vermittlung von MINT-Kompetenzen an Mädchen und junge FLINTA zum Ziel haben, wollen wir in Berlin stärker unterstützen. FLINTA sollten in jeder Lebensphase unterstützt werden, Kenntnisse zu erwerben, die ihre Situation am Arbeitsmarkt verbessern. Daher muss Lebenslanges Lernen für FLINTA in Weiterbildungsinitiativen unterstützt werden. Gerade in der sich schnell ändernden Software- und Digitalbranche sind Weiterbildungen essentiell, um aktuelle Kenntnisse vorweisen zu können. FLINTA können reguläre Weiterbildungsmaßnahmen, die häufig außerhalb der Arbeitszeiten stattfinden, jedoch oft aufgrund von Care-Arbeit nicht besuchen. Daher sind Einrichtungen, wie zum Beispiel das Frauen Computer Zentrum Berlin (FCZB e.V.) oder die ReDI School of Integration, die Kinderbetreuung anbieten und auch auf die Kommunikationsbedürfnisse eingehen zu unterstützen. Genau wie im Handwerk sind wir im MINT-Bereich mit einem extremen Fachkräftemangel konfrontiert, der uns nicht zuletzt bei der Bekämpfung der Klimakrise Steine in den Weg legt. Die Energiewende hin zu Erneuerbaren wird die europäische und deutsche Infrastruktur und Wirtschaft transformieren. Als Grüne haben wir die besondere Verantwortung, diese Transformation sozial und inklusiv zu gestalten. Die Stärkung von FLINTA in diesem Sektor ist nun wichtig, um sie auch von den neuen Jobs in der Energiewende profitieren zu lassen, einen Wiedereinstieg nach Jobverlust zu ermöglichen und nicht erneut ungleiche Strukturen zu etablieren.
Der Begriff "Vollzeitarbeit" erkennt nur die Lohnarbeitszeit an. Besonders FLINTA, aber auch andere Menschen mit Sorgeverantwortung, leisten zusätzlich zu ihrer Lohnarbeit viele Stunden unbezahlte Arbeit. Wer einen Haushalt führt, Kinder erzieht und eine Familie versorgt oder wer Angehörige pflegt, die*der arbeitet. Um das neben der Erwerbsarbeit zu schaffen, wünschen sich viele Arbeitnehmer*innen eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit bei vollem Lohnausgleich. Wir wollen den erfolgreichen Beispielen vieler Städte folgen und in Berlin ein Modellprojekt zur reduzierten Wochenarbeitszeit auf den Weg bringen.
Gleichzeitig gilt es in Berlin verlässliche Strukturen in Kita- und Ganztag anzubieten, um qualitativ hochwertige Betreuung und Bildung zu ermöglichen. Hierzu sind Qualifizierungs- und Onboardingstrategien auch für Quereinsteiger*innen, Jobwechlser*innen, Einwander*innen und Menschen mit Fluchthintergrund zu entwickeln, um den wachsenden Bedarf an Fachkräften zu decken und berufsbegleitende Qualifizierung zu ermöglichen. Die bündnisgrüne Abgeordnetenhausfraktion hat erfolgreich für höhere Löhne für Erzieher*innen gekämpft – nun gilt es, auch die Arbeitsbedingungen so zu verbessern, dass sich in Zukunft wieder mehr Menschen für diesen Beruf entscheiden. Wir unterstützen deshalb – sowohl zum Wohl der Kinder als auch zum Erreichen von besseren Arbeitsbedingungen für das Personal – die Bestrebungen zum Kita Qualitätsentwicklungsgesetz unserer Bundesfamilienministerin Lisa Paus. Ein verlässliches Bildungs- und Betreuungsangebot erleichtert vor allem Frauen ihre Erwerbsarbeitszeit und Entwicklungsmöglichkeiten frei zu wählen.
Für mehr Geschlechtergerechtigkeit braucht es auch mehr FLINTA in Führungspositionen – sowohl, weil sie Unternehmen oft anders leiten, als auch weil sie so Vorbild für jüngere Frauen sind. Bis eine Ausgeglichenheit beim Zugang zu Führungspositionen erreicht ist, braucht es deshalb Maßnahmen, die den Weg von FLINTA in Führungspositionen gezielt unterstützen. Gerade bei den Landesunternehmen konnten wir während unserer Regierungszeit wichtige Schritte gehen - daran gilt es anzuknüpfen und diesen Weg weiter zu gehen. Schwarz-Rot lässt hier viel zu viel Potenzial in unserer Stadt liegen; wir wollen hingegen endlich die Hälfte der Macht – auch in Führungspositionen!
Frauen verdienen auch dann weniger, wenn das Land Berlin Arbeitgeberin ist. Es ist nicht glaubwürdig, sich gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz einzusetzen, wenn diese Ungleichheit bei den eigenen Arbeitnehmer*innen fortbesteht. Deshalb fordern wir den Senat auf, effektive Maßnahmen für Lohngerechtigkeit umzusetzen und Transparenz herzustellen. Um gleiche Chancen und faire Löhne für alle zu erreichen, müssen wir die Hindernisse beseitigen, die das verhindern. Dazu gehören undurchsichtige Tarifeinstufungen, die Elternzeit als Karrierestopper und die Schwierigkeit, Familie und Vollzeitjob zu vereinbaren.
Knapp jede fünfte Frau (19 Prozent) arbeitete im April 2023 in Deutschland im Niedriglohnsektor. Sowohl im Bund als auch in Berlin hat der Mindestlohn die Lohnsituation vieler Menschen verbessert. Um die sozialpolitische Situation von Menschen abzusichern, müssen der Mindestlohn weiter erhöht und gesetzliche Kontrollen verstärkt werden. Berlin sollte dabei weiterhin eine Vorreiterrolle spielen. Teilzeitarbeit darf kein Hindernis für berufliche Entwicklung sein und nicht zu niedrigerem Einkommen oder Altersarmut führen. Es ist wichtig, die EU- Mindestlohnrichtlinie umzusetzen, die Mitbestimmung zu stärken und die Beteiligung von FLINTA zu fördern.
In Berlin fordern wir den Ausbau von Programmen für den (Wieder)-Einstieg von Pflegenden, Familienversorger*innen und Alleinerziehenden und Coachingprogramme für FLINTA in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen, um ihren Einstieg in Beschäftigung mit Sozialversicherung zu fördern. Um FLINTA aus prekären Arbeitsbeschäftigungen zu helfen, fordern wir die rechtliche und die steuerrechtliche Gleichstellung von Regenbogenfamilien und Ein-Eltern-Familien (Alleinerziehende).
Eine echte Gleichstellung bedarf außerdem eines Nationalen Aktionsplans, vergleichbar mit dem Aktionsplan zur Bekämpfung von Hass und Hetze bei LGBTIQ*- Personen.
Tarifverträge sichern gute Arbeitsbedingungen, Mitbestimmungsrechte, Zeit für Weiterbildung und Work-Life-Balance. In Berlin haben nur 13 Prozent der Unternehmen eine Tarifbindung, während es im öffentlichen Dienst und bei den landeseigenen Unternehmen 60 Prozent sind – dies ist deutlich ausbaufähig. Konsequente Maßnahmen gegen die sinkende Tarifbindung sind notwendig. Dies kann in Berlin unter anderem durch die Auftragsvergabe der öffentlichen Hand an Unternehmen, die einem Tarifvertrag angehören, erreicht werden, zum Beispiel bei Schulessen oder Schulreinigung.
Ein effektives Entgeltgleichheitsgesetz ist ebenfalls erforderlich, um Chancengerechtigkeit zu fördern und die EU-Richtlinie für Lohngleichheit umzusetzen. In der Betrachtung und Eingruppierung von Erzieher*innen versus Ingenieur*innen und Handwerker*innen gibt es nach wie vor strukturell unterschiedliche Bewertungen. Das Land Berlin soll seine Stimme in der Tarifgemeinschaft der Länder einbringen, um einen Prozess anzustoßen, der auch die Eingruppierungen im Öffentlichen Dienst im Hinblick auf Geschlechterstereotype und verfestigte Ungleichheiten untersucht und anpasst.
Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt hängt nicht nur vom Geschlecht ab. Verschiedene Diskriminierungsformen wirken gleichzeitig und beeinflussen sich dabei. Um spezifische Diskriminierungsformen besser erkennen und abbauen zu können, ist deswegen die intersektionale Perspektive auf Erwerbsarbeit für alle FLINTA in ihrer lebensweltlichen Realität notwendig. So sind zum Beispiel migrantische FLINTA auf spezifische und unterschiedliche Weisen in der Arbeitswelt diskriminiert. FLINTA migrieren aus den verschiedensten Gründen und sind eine in sich sehr vielfältige Gruppe. Entsprechend unterschiedlich ist der Unterstützungsbedarf, um auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen oder den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Für geflüchtete FLINTA stellt die Massenunterkunft von geflüchteten Personen am ehemaligen Flughafen Tegel (UA TXL) zudem aktuell eine weitere Herausforderungen dar.
Vorhandene Strukturen und Angebote in Berlin müssen sich sowohl an zugewanderte FLINTA selbst als auch an die im Wege des Familiennachzugs mit- und nachreisenden Familienangehörigen richten. Diese Strukturen und Angebote sollen den Wunsch nach Erwerbsarbeit unterstützen, dürfen dabei aber nicht nur auf ein Aktivwerden der Zugewanderten und deren Kenntnis des deutschen Bildungs- und Arbeitsmarktes setzen. Hier müssen die vielfältigen Wege und Möglichkeiten aufgezeigt werden und die Informationen zu den FLINTA gebracht werden.
Auch FLINTA mit Behinderungen erfahren auf dem Arbeitsmarkt eine doppelte Diskriminierung: die Überschneidung der Diskriminierung aufgrund ihrer Behinderung und aufgrund ihre Geschlechts macht ihre Position im Arbeitsmarkt besonders marginal. Sie werden schlechter bezahlt, erhalten selten Vollzeit- und Führungspositionen und sind durch Haushalts- und Familienaufgaben besonders belastet. Deswegen müssen wir sie darin zu empowern, selbst zu handeln und selbst zu entscheiden. Von gleichberechtigter Teilhabe sind wir noch weit entfernt.
Eine strukturelle dauerhafte Förderung ist essentiell, um vorhandene Berliner Projekte, die FLINTA mit Behinderungen empowern, weiterzuentwickeln statt immer wieder neue Modellprojekte zu starten. Wir brauchen eine dauerhafte und stabile Finanzierung der Angebote, die regelmäßig angepasst wird, weil Bedarfe und Aufgaben stets wachsen. Außerdem ist ein gesellschaftlicher und politischer Bewusstseinswandel nötig: weg von der rein medizinischen Betrachtung hin zum Empowerment – Menschen mit Behinderungen sind Expert*innen eigener Sache. Darüber hinaus ist es notwendig, dass Frauenbeauftragte in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen und anderen Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen gesetzlich verankert und finanziell ausgestattet werden.
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