10.05.20 –
Feministische Verkehrspolitik ist eine Haltungsfrage
Bericht unserer April-Sitzung
„Die Straße darf nicht nur als Transportweg verstanden werden, sondern als Aufenthaltsraum!“ sagt Lena Osswald von Fem*Mo, einer Untergruppe von Changing Cities, die sich für eine feministische Mobilitätswende einsetzt. Der bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete Stefan Gelbhaar, Sprecher für Radverkehr und städtische Mobilität, stimmt zu und ergänzt: „Verkehrspolitik aus rein männlicher Perspektive schadet, es gibt auf Bundesebene noch keine weibliche Ministerin für Verkehrspolitik.“ Auf Landesebene sehe es dagegen ein wenig besser aus.
Am 22. April um 19.00 Uhr haben wir uns als LAG Frauen* und Gender zum Thema Feministische Verkehrspolitik getroffen, in Zeiten von Corona natürlich per Video-Konferenz mit rund 30 Teilnehmer*innen. Feministische Verkehrspolitik ist eng verzahnt mit der Grünen Agenda: Es geht um inklusive Stadtentwicklung und umweltschonende Verkehrskonzepte.
Als Fachexpert*innen sind neben Stefan Gelbhaar und Lena Osswald, auch Indre Zetzsche, ebenfalls von Fem*Mo, sowie Prof. Dr. Christine Bauhardt von der Humboldt-Universtität zu Berlin und Harald Moritz, Sprecher für Verkehrspolitik der bündnisgrünen Abgeordnetenhausfraktion, bei uns. Birthe Berghöfer von der Zeitung Neues Deutschland hat sich ebenfalls eingewählt. Ihren Artikel „Schneller, höher, weiter – Wissenschaftler*innen fordern eine feministische Verkehrspolitik“ gibt es hier hier nachzulesen.
Feministische Verkehrspolitik ist eine Haltungsfrage
Prof. Dr. Bauhardt erläutert in ihrer Einleitung die Theorie der feministischen Verkehrspolitik: „Verkehrsplanung fokussiert unverhältnismäßig stark auf Erwerbstätige und Berufspendler*innen. Beschleunigung und Raumüberwindung stehen übermäßig im Fokus.“ Die feministische Perspektive hingegen zeige Zeit und Raum als soziale Kategorien, so Bauhardt, zentral sei hierbei die Bedarfsangemessenheit für alle Verkehrsbeteiligten.
Auch Fem*Mo sieht „eine realistische Bedarfserhebung abseits des Automobil-geprägten Mainstream-Mindsets“ als einen wichtigen Schritt hin zu einer radikal inklusiven Mobilität. Ihr Ziel ist die Mobilität für Menschen jeden Alters zu ermöglichen. Alle sollen Zugang zur Stadt haben, sich barrierefrei bewegen sowie sicher und wohl fühlen können.
Antrag im Bundestag zu feministischer Verkehrspolitik
Stefan Gelbhaar stellt für das Jahr 2020 in Aussicht: „Feministische Politik muss in den Bundestag“ und listet eine Reihe von Initiativen. Die Machthebel seien der Haushalt, insbesondere das Gender-Budgeting, sowie das Personal und die Gesetzeslage. „Wir müssen Verkehrspolitik als eigenständiges Feld denken, und nicht mit der Wirtschaftspolitik zusammen. Sonst geht es zu schnell um die Automobilindustrie.“ Er meint, Corona könne auch Chancen bieten. Den Shutdown sieht er als Referenzpunkt für zukünftige Diskussionen über Entschleunigung.
Harald Moritz aus dem Abgeordnetenhaus dagegen sieht Corona auch als hemmendes Element. Er kämpft dafür, dass der Fußverkehr mitgedacht wird und der ÖPNV gegenüber dem Auto priorisiert wird. Gerade bezüglich der Wahl zwischen Auto und ÖPNV wird Corona in die falsche Richtung lenken, fürchtet er. Sein Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Berliner Mobilitätsgesetzes ist hier nachzulesen.
„Das Ziel ist es, das Thema 2020 im Bundestag zu setzen. Mit einem Antrag, in dem feministische Verkehrspolitik beschrieben wird, und gefragt wird: Wo stehen wir heute? Das wird kein rosiges Bild abgeben.“, schließt Stefan Gelbhaar.
Wir danken Euch allen für die rege Teilnahme an der Diskussion!
Unsere nächste Sitzung wirdam 12.05.2020 um 19 Uhr als Videokonferenz stattfinden. Das Thema: Femizide und häusliche Gewalt in Zeiten von Corona. Wir freuen uns, dass Ulle Schauws und Anja Kofbinger aus dem Bundestag, Josefine Paul aus dem Landtag NRW (Sprecherin für Frauen- und Queerpolitik, Sprecherin für Sportpolitik) und eine Vertreterin der Zentralen Informationsstelle autonomer Frauenhäuser als Gäste dabei sein werden.
Kategorie