Aktuelle Lage: Handlungsprogramm zur Beschleunigung des Wohnungsbaus

07.09.18 –

Stand: 07.09.2018

Hintergrund

Am Dienstag wurde im Senat auf Vorlage der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen das „Handlungsprogramm zur Beschleunigung des Wohnungsbaus“ beschlossen.
Im Vorfeld dieses Papiers hatte es einige Irritationen gegeben, weil einige der Vorschläge den Eindruck erweckten, als ob die Beschleunigung vor allem zu Lasten des Berliner Stadtgrüns gehen sollte.
Die grüne Umweltverwaltung, die Wirtschaftsverwaltung, Fraktion und Partei haben vor der Beschlussfassung deutliche Änderungen und Klarstellungen erwirkt. Am Ende wurde ein Handlungsprogramm verabschiedet, das dem Anspruch an Beschleunigung und zugleich den Erfordernissen einer grünen Stadtentwicklung gerecht wird.
Im Folgenden wollen wir Euch über die aus grüner Sicht wesentlichen Ergebnisse informieren – auch weil in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt wurde, als ob künftig Baumfällungen einfacher möglich sind. Das Gegenteil ist der Fall. Gegenüber dem Status quo gab es keine Verschlechterungen, in einigen Fällen sogar deutliche Verbesserungen.
Die wichtigste Beschleunigungsmaßnahme ist, dass künftig eine neue Abstimmungs- und Steuerungsstruktur aufgebaut wird. Schon frühzeitig sollen alle relevanten Akteure zu den einzelnen Stadtentwicklungsquartieren in einer Taskforce zusammenkommen. Denn das größte Hindernis bei Bauvorhaben sind Planungsprozesse, in denen nicht von Anfang an alle relevanten rechtlichen Erfordernisse berücksichtigt werden (vom Denkmalschutz über Immissionsschutz bis zum Naturschutz). Umplanungen sind teuer und kosten vor allem Zeit. Um die neue Taskforce zu unterlegen, wurden 100 neue Stellen beschlossen, davon 35 bei den Bezirken und 25 in der Umweltverwaltung.

Zu einzelnen Regelungen:

Bau- und Fällgenehmigungen
Schon bisher konnten Anträge für Baumfällungen vor dem Vorliegen einer Baugenehmigung gestellt und erteilt werden. Als Grundlage war ein Bauvorentscheid ausreichend. Diese aktuelle Regelung ist befristet bis zum Sommer 2018. Neu ist, dass diese Regelung dauerhaft gelten soll. Neu ist vor allem – und das ist eine Präzisierung und Verschärfung  – dass eine sehr konkrete Bauabsicht nachgewiesen werden muss, ein Bauvorbescheid nicht mehr ausreicht, sondern der Bauantrag mit der konkreten Planung gestellt sein muss. Das macht es für Bodenspekulant*innen unattraktiver, Genehmigungen im Voraus einzuholen, die den Wert des Grundstücks steigern, aber offen lassen, ob und wann ein Vorhaben wirklich realisiert wird. Und es verhindert auch, dass Bäume gefällt werden, nur weil an ihrer Stelle vielleicht mal ein Hauseingang geplant werden könnte. Diesem „Missbrauch“ haben wir jetzt einen Riegel vorgeschoben, ohne den Beschleunigungsgedanken zu verhindern.
Waldumwandlung
Der Berliner Wald ist ein geschütztes Gut. Wenn Wald fürs Bauen weichen muss, bedarf es einer Waldumwandlungsgenehmigung und es müssen die abgeholzten Flächen kompensiert werden. Entweder durch Aufforstung an anderer Stelle oder durch eine monetäre Kompensation. Die Anforderungen richten sich dabei nach dem sog. Waldleitfaden. Hier gab es in der Vergangenheit immer wieder Auseinandersetzungen über die Berechnung der Kompensationserfordernisse.
Daher überarbeitet die Umweltverwaltung den Waldleitfaden, um rechtssichere Lösungen zu vereinfachen und auch, um die unterschiedlichen Anforderungen aus dem Waldgesetz und – wichtig und neu - dem Naturschutzgesetz zusammenzuführen. Das dient der Klarheit und der Vereinfachung.
Bei dieser Überarbeitung soll jetzt auch geprüft werden, ob für die Umwandlungsgenehmigung von sog. Pionierbewuchs eine gute und rechtssichere Lösung gefunden werden kann. Das sind Wälder, die sich z.B. auf Baugrundstücken entwickelt haben, wenn diese einige Jahre nicht genutzt werden. Oft führt die Sorge von Grundstückseigentümer*innen, sich ein „Waldproblem“ einzuhandeln, dazu, dass solcher Bewuchs schon im Ansatz abgemäht wird und das Potential für temporäre Biotope nicht genutzt wird.
Der Berliner Forst bleibt davon unberührt. Eingriffe in den „klassischen“ Wald waren und sind nur unter strengen Auflagen möglich, sie bleiben auch künftig die Ausnahme.
Ausgleichsflächen
Zum Ausgleich für die Bebauung von großen Wohnquartieren werden Bauherr*innen dazu verpflichtet, neue Grünflächen zu schaffen bzw. Freiflächen mit konkreten Maßnahmen naturschutzfachlich aufzuwerten.
Um dies zu vereinfachen und vor allem, um auch unabhängig von einem konkreten Bauvorhaben größere Freiflächen hochwertig für den Naturschutz entwickeln zu können, arbeitet die Umweltverwaltung bereits seit einiger Zeit an einem neuen Instrument: dem Ausgleichsflächenmanagement und der Einführung eines Ökokontos als revolvierender Fonds. Mit dem Geld sollen Flächen schon im Vorgriff auf Bauvorhaben aufgewertet werden können und nicht immer nur Stück für Stück im Nachhinein. Das macht es für Bauprojekte einfacher, den Ausgleich zu leisten und es ermöglicht „große“ Würfe, statt einem Maßnahmenkleinklein.
Grundsätzlich gilt: Wer in Berlin baut, muss in Berlin kompensieren. Das wurde festgeschrieben. Bei sehr großen Bauvorhaben kann es in Ausnahmefällen sinnvoll oder notwendig sein, Flächen in Brandenburg zu entwickeln, zum Beispiel auf den Berliner Stadtgütern. Unter welchen Bedingungen, das möglich ist, soll jetzt geprüft werden.
Klimaschutz und -anpassung
Erst auf grünen Druck hin wurden Klimaschutz und Klimaanpassung überhaupt ins Handlungsprogram aufgenommen. Im Rahmen von Bebauungsplänen sollen Energie- und Klimaschutzkonzepte erstellt und auch die Anforderungen zur Sicherung klimatischer Entlastungsräume berücksichtigt werden. Denn wir wollen nicht nur schneller bauen, sondern auch nachhaltiger.
Über diese Punkte hinaus, in denen wir Grünen eine besondere Verantwortung hatten, darauf zu achten, dass Bauen nicht gegen Umwelt und Natur ausgespielt wird, sind eine Reihe von Maßnahmen beschlossen, die wir von Anfang an vorbehaltlos unterstützt haben:
Die Aufstockung von Plattenbauten, die Verstärkung von Vorkaufsrechten, der Kampf gegen (spekulative) Bauverzögerung, wenn eine Baugenehmigung vorliegt, die Förderung von und Vergabe an Genossenschaften, die Verkürzung der Bearbeitungszeit in Grundbuchämtern, die Förderung von Aufzügen.
Erst auf grünen Druck hin, wurden auch die Vorschläge des sog. „Alt-Berichts“ als eine weitergehende Empfehlung der Beschleunigung und Modernisierung aufgenommen und eine Verbesserung bei Entscheidungsprozessen beim Denkmal angemahnt.
Kurz: Insgesamt ist dies ein guter Beschluss – auch wenn wir Grünen uns durchaus mehr konkrete Beschleunigungsmaßnahmen hätten vorstellen können und mehr Phantasie gewünscht hätten. Gegenüber der Ursprungsfassung konnten wir nicht nur eine Rolle rückwärts verhindern, die der Linkspartei unter Applaus der SPD vorschwebte, sondern wir konnten Maßnahmen, an denen unsere Umweltverwaltung ohnehin schon sitzt, nochmal schärfen und durchsetzen. Bei der wichtigen Frage der Baumfällungen haben wir eine bessere Lösung als die gegenwärtig geltende.