19.05.25 –
Beschluss LAG Frieden und Internationales Bündnis 90/Die Grünen Berlin (19.05.2025)
Input zum Wahlprogramm zur Abgeordnetenhauswahl 2026
Unterkapitel Internationales (FAG 10)
Die Weltstadt Berlin in Zeiten geopolitischer Umbrüche (Bezüge auch zu FAGen 4, 9)
Berlin ist eine Weltstadt und von vielerlei internationalen Bezügen geprägt: Ein großer Teil der Berliner*innen hat Wurzeln im Ausland, Millionen Menschen besuchen Berlin jedes Jahr als Tourist*innen, Berliner Privatpersonen, Unternehmen und Einrichtungen pflegen enge Kontakte ins Ausland, Berlin ist als Hauptstadt Deutschlands diplomatisches Zentrum und für seine Kulturszene international bekannt. Wir setzen uns dafür ein, dass Berlin eine weltoffene Stadt bleibt, die den engen Kontakt zu Menschen aus der ganzen Welt sucht und ermöglicht. Berlin profitiert enorm von europäischen und internationalen Einflüssen – und beeinflusst Europa und die Welt. Nun kommt es darauf an, enge globale Partnerschaften fortzusetzen und strategischer auszurichten.
Angesichts der enormen außenpolitischen Herausforderungen muss auch Landespolitik zunehmend international gedacht werden. Die aktuellen geopolitischen Entwicklungen betreffen Berlin sehr direkt. Autokratische Akteure greifen eine regelbasierte internationale Ordnung und Werte wie Demokratie und Menschenrechte direkt an. Das zeigt sich am deutlichsten an Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. Hybride Bedrohungen wie Einflussnahme in die demokratische Meinungsbildung oder Angriffe auf kritische Infrastruktur finden aber auch in Deutschland statt – und könnten in Zukunft auch in Berlin zu einem noch größeren Problem werden. Zugleich droht die Instrumentalisierung einseitiger Abhängigkeiten und die Verlässlichkeit der transatlantischen Beziehungen hat deutlich abgenommen. Als Haupt- und Weltstadt ist Berlin von diesen Herausforderungen noch mehr als andere Bundesländer betroffen. Daher muss Berlin sich im globalen Wettstreit zwischen Autokratien und Demokratien noch entschlossener für seine Werte stark machen, zu einer resilienten und auf Krisen vorbereiteten Stadt werden und in seine Sicherheit investieren.
Globale Partnerschaften strategisch ausrichten, Demokratie ins Zentrum stellen (Bezüge auch zu FAGen 1, 3, 7, 8, 9)
Wir wollen, dass unsere Stadt Zugpferd eines globalen Bündnisses demokratischer Akteure wird. Geflüchtete und demokratische Oppositionelle aus autokratischen Ländern sollten in Berlin Zuflucht finden können und im Exil in ihrer demokratischen zivilgesellschaftlichen Arbeit unterstützt werden. Bei den Städtepartnerschaften und globalen Partnerschaften des Berliner Senats, der Bezirke, von Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen, Kulturinstitutionen, der Wirtschaftsförderung und in vielen weiteren Bereichen sollten die Chancen internationaler Zusammenarbeit noch effektiver genutzt werden. Berlin muss besser darin werden, von bewährten Vorbildern im Ausland zu lernen, wie beispielsweise Verkehrskonzepten in Paris oder digitaler Kompetenz in Estland. Dafür bedarf es der Festlegung klarer strategischer Ziele. Berlin sollte seine Städtepartnerschaften auf Themenfelder mit besonders großen Potentialen ausrichten, zum Beispiel Schutz von Klima und Demokratie, Ausbau von Resilienz oder grüne und digitale Zukunftstechnologien, um von anderen Städten zu lernen und eigene Erfahrungen zu teilen. Dafür sollten insbesondere Partnerschaften mit Städten im Globalen Süden und von autoritärer Aggression bedrohten Partnern wie Taiwan und Staaten in Osteuropa, insbesondere der Ukraine, ausgebaut werden. Außerdem kann Berlin dort aktiv werden, wo es der Bund nicht in gleicher Weise kann – zum Beispiel bei der subnationalen Klimadiplomatie in die USA.
Unsere Stadt hat dafür angesichts der Vielzahl an zivilgesellschaftlichen Organisationen beste Voraussetzungen. Der Austausch mit ihnen muss institutionalisiert werden, u.a. mit Runden Tischen. Dafür schlagen wir die Einrichtung einer zentralen „Kompetenzstelle für strategische Partnerschaften“ im Berliner Senat vor.
Gleichzeitig wollen wir die globalen Partnerschaften für die Berliner Bürger*innen erlebbarer machen. Internationale Kooperationen bergen Chancen, Großprojekte wie Sportereignisse gemeinsam mit Partnerstädten zu realisieren, um Ressourcen zusammenzuführen.
Berlin muss aber auch besser darin werden, kompetent mit den Risiken internationaler Zusammenarbeit umzugehen. Die Zusammenarbeit mit Institutionen aus autoritären Systemen erfordert einen anderen Werkzeugkasten als mit demokratischen Partnern. Die von uns vorgeschlagene zentrale „Kompetenzstelle für strategische Partnerschaften“ im Berliner Senat sollte Senatsverwaltungen, Bezirke, Wissenschaftseinrichtungen etc. bei der Zusammenarbeit mit autoritären Counterparts beraten. Die Berliner Außenwirtschaftsförderung sollte auf De-Risking und Diversifizierung ausgerichtet werden, entsprechende Aktivitäten in China sollten beispielsweise reduziert werden.
Für ein resilientes Berlin (Bezüge auch zu FAGen 1, 2, 3, 5, 9)
Angesichts der Vielfältigkeit hybrider und weiterer Bedrohungen sollte der Berliner Senat eine Strategie für ein resilientes Berlin erarbeiten, das im Sinne eines erweiterten Sicherheitsbegriffs sämtliche Bereiche einschließt. Dazu zählen unter anderem die Verwaltung, Sicherheitsstrukturen, Bildung, Wissenschaft und Forschung, Wirtschaft und kritische Infrastruktur. Einseitige analoge und digitale Abhängigkeiten gilt es abzubauen – Berlin sollte seinen Beitrag zu europäischer Souveränität und Wirtschaftssicherheit leisten. Um die Abhängigkeit von kommerziellen Tech-Unternehmen, derzeit insbesondere US-amerikanischen, zu verringern, muss auf Open-Source-Lösungen gesetzt werden. Die Cybersicherheit von Berliner Institutionen muss deutlich ausgebaut werden. Die Berliner*innen sollten besser auf den Umgang mit Desinformation vorbereitet werden – dazu gehört die Stärkung der zivilgesellschaftlichen Widerstandsfähigkeit nach Vorbild unserer skandinavischen und osteuropäischen Partner.
Als Vorbereitung auf Krisen jeglicher Art setzen wir uns für die Stärkung des Bevölkerungsschutzes in Berlin ein. Außerdem sollte Berlin seinen Beitrag zu Europas Verteidigungsfähigkeit leisten, zum Beispiel bei militärischer Mobilität und in der Verteidigungsindustrie.
Vorschläge zu anderen Kapiteln entlang Zuständigkeiten der Facharbeitsgruppen
FAG 1 Wissenschaft, Kitas, (Hoch)schulen, Ausbildung, Jugend, Familie
Um gegen ausländische Desinformation und Einflussnahmen in unseren demokratischen Willensbildungsprozess gewappnet zu sein, muss sowohl an Schulen als auch in der politischen Bildung deutlich mehr für digitale Medienkompetenz getan werden. Dies sollte in Lehrplänen widergespiegelt und Lehrpersonal entsprechend fortgebildet werden.
Berliner Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen sollten bei Forschungssicherheit unterstützt werden, um den Abfluss von Forschungsergebnissen mit Dual Use-Einsatzmöglichkeiten an strategische Rivalen zu unterbinden.
FAG 2 Verkehr, Mobilität
Verbindung zu „Für ein resilientes Berlin”: militärische Mobilität, kritische Infrastruktur
FAG 3 Wirtschaft, Kreativ-Wirtschaft, Soziales, Arbeit, Senior*innen, Inklusion
Um zu einer resilienten Wirtschaft beizutragen, die auf internationale, auch geopolitische Schocks vorbereitet ist, sollte Berlin seine Wirtschaftssicherheit ausbauen. Dafür kommt neben De-Risking und Diversifizierung der Stärkung der heimischen und europäischen Industrie eine wichtige Rolle zu – unter anderem durch strategische Nutzung von Beschaffungen.
Wir setzen uns dafür ein, attraktiv für internationale Fachkräfte zu sein, unter anderem durch den Abbau von Sprachbarrieren in Verwaltungsverfahren.
FAG 4 Vielfalt, Frauen, Queer, Migration und Teilhabe, Gleichstellung, Anti-Rechts, Anti-Diskriminierung
Verbindung zu „Die Weltstadt Berlin in Zeiten geopolitischer Umbrüche”: Weltoffene Stadt
FAG 5 Wohnen, Mieten, Bauen, Tourismus, Stadtentwicklung
Verbindung zu „Für ein resilientes Berlin”: Schutz kritischer Infrastruktur
FAG 6 Kultur, Medien, Clubkultur, Koloniales Erbe, Religion
Angesichts von Berlins besonderer Rolle als Hauptstadt und geteilter Stadt aus ursprünglich vier Besatzungszonen gilt es, in der Auseinandersetzung mit unserer Geschichte und in unserer Erinnerungskultur die internationale Dimension immer mitzudenken. Wir fordern eine weitere Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit Berlins kolonialem Erbe. Es bedarf einer deutlich sichtbaren Kontextualisierung der sowjetischen Kriegsdenkmäler im Osten unserer Stadt. Gerade in Zeiten des russischen Angriffskriegs müssen diese Orte der systematischen, staatlichen Instrumentalisierung durch Russlands Informationskriegsführung entzogen werden. Menschen aus allen ehemaligen Sowjetrepubliken sollte eine würdige Teilhabe an unserer Gedenkkultur ermöglicht werden.
FAG 7 Klima, Umwelt, Energie, Ökologie, Tierschutz, Ernährung, Verbraucherschutz
Verbindung zu „Globale Partnerschaften strategisch ausrichten, Demokratie ins Zentrum stellen”: subnationale Klimadiplomatie
FAG 8 Pflege, Gesundheit, Demographischer Wandel, Drogen, Sport
Verbindung zu „Globale Partnerschaften strategisch ausrichten, Demokratie ins Zentrum stellen”: Sportgroßereignisse mit Partnerstädten
FAG 9 Sicherheit, Justiz, Bürger*innenrechte, Datenschutz, Innenpolitik, Demokratische Beteiligung
Berlin ist als Hauptstadt überproportional von Überwachung, Spionage und Sabotage durch ausländische Geheimdienste und von Verfolgung von Menschenrechtsverteidiger*innen durch autoritäre Regime betroffen. Wir setzen uns dafür ein, dass die Ressourcen der Berliner Sicherheitsbehörden für den Umgang mit transnationaler Repression und mit den Aktivitäten fremder Geheimdienste deutlich gestärkt werden.
Der Abbau und die Vermeidung digitaler Abhängigkeiten gilt auch für den Einsatz algorithmisch-automatisierter Analysesysteme in Sicherheitsbehörden. Der Einsatz von Software des US-Unternehmens Palantir und ähnlicher Produkte in der Verwaltung, insbesondere in den Polizeibehörden, ist daher entschieden abzulehnen. Stattdessen ist auf die Entwicklung von Software zur automatisierten Datenanalyse in der EU zu setzen. Solche Software muss Anforderungen wie Diskriminierungsfreiheit, Transparenz und demokratische Kontrolle, Konformität mit digitalen Bürger*innenrechten und Nachhaltigkeit erfüllen.
FAG 10 Verwaltung, Finanzen, Bezirke, Digitales, Europa
Um digitale Abhängigkeiten abzubauen, sollte Berlin eine Führungsrolle bei digitalen Zukunftstechnologien wie KI einnehmen. Dafür schlagen wir die Einrichtung eines KI-Labors vor, das Forschung, Wissenschaft, Kultur und Verwaltung zusammenbringt. Gleichzeitig gilt: Bei der Entwicklung und der Anwendung von KI-Technologien und anderen algorithmischen Analysesystemen sind die ökologischen, ethischen und sozialen Folgen ihres Einsatzes stets zu berücksichtigen. Die Berliner Verwaltung sollte vermehrt Open Source-Anwendungen nutzen, um sich von außereuropäischen Digitalkonzernen unabhängig zu machen und Lizenzkosten zu sparen.
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