Der Wasserkrise Grenzen setzen – Grüne Vorschläge zur Berliner Wasserversorgung

30.11.24 –

Beschluss auf der Landesdelegiertenkonferenz:

Der Wasserkreislauf der Hauptstadtregion – und mit ihm die Wasserversorgung von Millionen Berliner*innen – ist aus dem Gleichgewicht geraten. Dem steigenden Wasserverbrauch stehen aufgrund von Dürren und wegen der langjährigen Braunkohleförderung in der Lausitz schwindende Grundwasserbestände und ein abnehmender Wasserstand der Spree gegenüber. Dies macht eine politische Reaktion erforderlich, damit Berlin nicht in eine Wasserkrise gerät.

Bündnis 90/Die Grünen sprechen sich daher für die untenstehenden Maßnahmen aus. Sie machen sich einerseits den natürlichen Wasserkreislauf und seine Regenerationsfähigkeit zunutze, um die langfristige Wasserversorgung Berlins zu sichern. Dabei gilt das Leitbild, dass möglichst wenig Wasser dem lokalen Wasserkreislauf entnommen werden und das entnommene Wasser diesem naturnah wieder zugeführt werden soll. So wird verhindert, dass die Hauptstadtregion von externen und naturunverträglichen Wasserquellen wie entsalztem Meerwasser abhängig wird. Andererseits tragen die vorgeschlagenen Maßnahmen dazu bei, dass gewährleistet ist, dass das Grundbedürfnis an der zunehmend knappen Ressource Wasser erfüllt ist. Dabei halten wir im Blick, dass die ausreichende Verfügbarkeit und der Preis von Wasserver- und Abwasserentsorgung zunehmend Standortfaktoren für Unternehmen sind und dass wasserschonendes Wirtschaften ein verbindliches Leitbild werden muss. Der gesundheitliche und soziale Grundbedarf an Wasser für alle Berliner*innen wird ebenso gewährleistet, wie die Stabilität des Natur- und Wasserhaushalts, bevor sonstige Nutzungsinteressen bedient werden.

 

A. Mit den Folgeschäden der Braunkohleförderung umgehen

Der im Koalitionsvertrag der "Ampel" festgeschriebene Braunkohleausstieg "idealerweise" bis 2030 muss vollzogen werden. Berlin muss bundespolitisch, sowie gegenüber den Ländern Brandenburg und Sachsen darauf hinwirken, dass die negativen Auswirkungen des Kohleausstiegs in der Lausitz und in Sachsen auf die Berliner Wasserversorgung möglichst gering ausfallen. Dazu sollte sich das Land wie folgt positionieren:

  1. Die Errichtung von kleiner dimensionierten Restseen in Teilen der Tagebaufläche sollte beschleunigt werden. Statt groß und flach sind diese Seen klein und tief anzulegen, um Wasserverluste durch eine hohe Verdunstungsrate zu reduzieren.[1] Das Wasser dieser Seen sollte bei Bedarf in die Spree übergeleitet werden.
  2. Soweit das Wasser der Restseen nicht ausreicht, um die Spree und den regionalen Wasserhaushalt zu stützen, müssen die existierenden Tagebaupumpen zur Überleitung von Grundwasser in die Spree temporär und in einem schrittweise abnehmendem Umfang weiter betrieben werden.
  3. Bei der Wassernutzung durch Folgebetriebe in der Lausitz, insbesondere bei der Nachnutzung von Kraftwerksstandorten, ist konsequent zu recyceln.
  4. Die zunehmende Sulfatbelastung des Berliner Trinkwassers ist durch geeignete Maßnahmen im Entstehungsgebiet zu reduzieren. Die entstehenden Kosten sind den Bergbauunternehmen als Verursacher aufzuerlegen.
  5. Eine Überleitung von Wasser aus der Elbe zur Stützung des Wasserhaushalts der Spree halten wir für den falschen Weg. Wir halten sie aufgrund der von uns vorgeschlagenen Maßnahmen der Wassereinsparung, des Wasserrecyclings, der Stützung des Grundwasserhaushalts und einer temporären Weiternutzung der Tagebaupumpen für entbehrlich. Sie stünde zudem in Konflikt mit den Vorgaben der europäischen Wasserrahmenrichtlinie und des EU-Renaturierungsgesetzes. Die ökologisch wichtigen Flussauen und Auwälder der Elbe sind darauf angewiesen, regelmäßig überflutet zu werden.
  6. Dasselbe gilt für Pläne, entsalztes Meerwasser aus der Ostsee nach Berlin zu leiten. Die Überleitung von entsalztem Meerwasser nach Berlin würde einen hohen zusätzlichen Energieaufwand schaffen und Berlin damit auf dem Weg zu vollständiger Klimaneutralität zurückwerfen. Es würden zudem unüberschaubare Umweltfolgen in der Ostsee verursacht, welche dem ohnehin stark beanspruchten Ökosystem nicht zuzumuten sind.

 

B. Mit Wasser in Berlin sparsamer umgehen

  1. Senat, Bezirke und Eigenbetriebe der Stadt werden verpflichtet, im Sommerhalbjahr nur spätabends oder nachts Grünflächen zu bewässern sowie wassersparende Techniken wie Tröpfchenbewässerung zu nutzen.
  2. Die Stadtgesellschaft und alle Sportvereine werden – begleitet durch eine Öffentlichkeitskampagne – aufgerufen, mit Grünflächen und Gärten ebenso zu verfahren. Nach zweijähriger Erfolgskontrolle wird entschieden, ob der Aufruf in eine entsprechende Verpflichtung umzuwandeln ist.
  3. Für Grundwasserentnahmen, die zu den bisherigen hinzutreten, sind grundsätzlich keine Genehmigungen mehr zu erteilen. Ausnahmen kommen in Betracht, wenn bisherige Grundwasserentnahmen entfallen. Dies und die Erneuerung von Genehmigungen zur Entnahme von Grundwasser ist vom Grundwasserstand abhängig zu machen. Bestehende private Grundwasserentnahmestellen werden vollumfänglich erfasst und öffentlich einsehbar kartiert. Der bestehende Freibetrag vom Grundwasserentnahmeentgelt bis zu 6.000 m³ pro Jahr ist entweder zu streichen oder durch ein bis zu dieser Menge reduziertes Entgelt zu ersetzen. Über erteilte Ausnahmegenehmigungen für die Grund- und Oberflächenwasserentnahmen durch Unternehmen ist hinsichtlich Menge und Gebührt öffentlich zu berichten.

 

C. Mit Wasser naturgerechter umgehen

  1. Der Senat muss die Verfahren zur Festlegung von zulässigen Mengen der Trinkwasserförderung an allen Wasserwerken zügig abschließen. Dabei sind insbesondere für alle Brunnengalerien im weiteren Umkreis von grundwasserabhängigen Feuchtgebieten Höchstmengen der Wasserförderung festzulegen, die zum Schutz der Natur nicht überschritten werden dürfen.
  2. Die erfolgreich im Spandauer Forst praktizierte Grundwasseranreicherung ist in wasserreichen Wintermonaten zur Stützung der Moorgebiete und des Grundwasserspiegels auszuweiten.
  3. Zur gezielten Stützung des Landschaftswasserhaushalts, insbesondere in gefährdeten Feuchtgebieten, soll Wasser aus den Klärwerken wieder in die Landschaft eingeleitet werden. Voraussetzung ist eine mit nach höchstem Stand der Technik erfolgte Wasserreinigung. Dem erfolgreichen Projekt in Rieselfeldern bei Hobrechtsfelde folgend, soll die Einleitung über die Anlage von Teichen einer Stärkung von Natur und biologischen Vielfalt vor Ort dienen.
  4. In der Berliner Bauordnung sind für alle Neubauten, für umfassende Sanierungen von Altbauten und für neuangesiedelte Gewerbebetriebe Regelungen zur Wassereinsparung, zum Wasserrecycling, und zur Regenwasserbewirtschaftung vorzusehen, die angemessen finanzierbar sind. Hierbei ist darauf zu achten, dass das Wohnen für alle Bevölkerungsschichten bezahlbar bleibt.
  5. Die schrittweise Abkoppelung des Regenwassers von der Mischkanalisation ist zu beschleunigen. Hierzu ist die Regenwasserverordnung "BreWaBe" konsequent anzuwenden. Das anfallende Regenwasser ist, soweit aufgrund möglicher Belastungen vertretbar, vor Ort zu nutzen oder zu versickern. Mit der Entsiegelung in Muldensystemen sind "Regengärten" im Straßenland zu schaffen, um die Versickerung mit der Förderung einer vielfältigen Tier- und Pflanzenwelt in der Stadt zu verbinden. Grundstücksübergreifende Lösungen sollten leichter ermöglicht werden, so dass z.B. das Wasser vom Dach eines Grundstücks die Grünanlage nebenan bewässern kann.
  6. Die Neuversiegelung von Fläche ist in Berlin schrittweise so zu reduzieren, dass bis zum Jahr 2030 eine dauerhafte Netto-Null-Versiegelung erreicht ist. Für jede neue Versiegelung wird ab dann eine mindestens gleiche Fläche gleichen Umfangs in der Stadt zu entsiegelt. Zur Kontrolle findet jedes Jahr ein entsprechendes Monitoring statt.
  7. Entsiegelung muss als Fachaufgabe der Berliner Verwaltung begriffen und verankert werden. Es sind hinreichend personelle und organisatorische Ressourcen zur Planung und Umsetzung neu zu schaffen. Es wird ein Entsiegelungskataster angelegt.
  8. Zusätzlich steigert Berlin in der Entsiegelung jedes Jahr den relativen Anteil an Entsiegelung öffentlicher Flächen im Straßenland bzw. an öffentlichen Grundstücken, so dass ab 2030 eine anteilige Entsiegelungsquote von 1% pro Jahr erreicht ist. Es finden regelmäßige Erfolgskontrollen und eine Evaluation nach 10 Jahren statt.
  9. Schaffung von Wasserstellen an Rückzugsorten für die Tier-Berliner*innen. Berlins Tiere finden in der Trockenheit des Sommers immer weniger Möglichkeiten um ihren Durst zu stillen oder sich abzukühlen.

 

D. Mit Wasser gesundheitsgerechter umgehen

  1. Wir setzen uns bundes- wie europaweit für ein schnelles und vollständiges Verbot der Herstellung von PFAS ein. Innerhalb von Berlin erwarten wir eine vollständige Transparenz zur ermittelten Belastung des Wasserkreislaufes durch PFAS und andere Schadstoffe und den damit verbundenen Risiken, einschließlich der zu erwartenden Entwicklung an den betroffenen Brunnen, insbesondere im Umfeld des ehemaligen Flughafens Tegel im Bereich des Wasserwerks Tegel. Die PFAS-Belastung muss schnellstmöglich nach dem Stand von Wissenschaft und Technik untersucht und die weitere Belastung bekämpft und nachhaltig verhindert werden. Auch hier gilt das Verursacherprinzip.
  2. Die Reinigungsleistung aller Berliner Klärwerke zur Ausfilterung organischer Stoffe sowie anthropogener Spurenstoffe von Mikroplastik bis zu Arzneimittelrückständen muss umgehend auf den bestmöglichen Stand der Technik (wie die vierte Reinigungsstufe) verbessert werden. Das extrahierte Phosphat ist wieder in Nutzung zu bringen.
  3. Gleichwohl ist das Berliner Leitungswasser noch von sehr guter Qualität. Der Konsum von Leitungswasser statt Flaschenwasser spart viele Ressourcen wie CO2, Abfall und Kosten. Daher gehen wir Grünen voran und setzen auf öffentlichen Veranstaltungen und internen Treffen wo möglich auf Leitungswasser statt Flaschenwasser.
  4. Kunstrasenflächen werden nur noch unter Verzicht auf Mikrogranulat und mit wasserdurchlässigem Material angelegt. Die Zusatzkosten für Sportvereine übernimmt das Land.

 

E. Mit Wasser finanzgerechter umgehen

  1. Die notwendigen Investitionen im Sektor müssen zuverlässig finanziert werden. Infrage kommen dafür u.a. ein Verzicht auf die Gewinnentnahmen der BWB , sozial gestaffelte und insgesamt kostendeckende Wassergebühren und Kredite für Investitionen im Bereich Wasser und Abwasser.
  2. Die Erträge aus dem in Berlin erhobene Grundwasserentnahmeentgelt werden überwiegend für das Grundwasser entlastende Maßnahmen eingesetzt, wie z.B. Entsiegelung von Flächen, die Anlage von Regengärten, die Stützung der grundwasserabhängigen Feuchtgebiete und die Wiedereinleitung hinreichend geklärter Abwässer in austrocknende Landschaft.
  3. Wer viel verbraucht, soll mehr zahlen. Wir plädieren für die lenkende Wirkung der Wassertarife im Sinne fairer und sparsamer Verteilung von Wasser. Dabei soll die Preisbildung sozialverträglich so erfolgen, dass Verbraucher*innen eine Grundmenge an Wasser zu günstigen Konditionen erhalten und darüber hinausgehende Bedarfe progressiv bepreist werden.
  4. Die Bundesregierung sollte die jüngste Anpassung der EU-Abwasserrichtlinie schnellstens ins nationale Recht übernehmen und Berlin dann die vorgeschriebene "erweiterte Herstellerverantwortung" für die Verschmutzung kommunaler Abwässer zügig und konsequent umsetzen. So werden vor allem die Hersteller von Arzneimitteln und Kosmetika, deren Produkte kommunale Abwässer verunreinigen, gemäß dem Verursacherprinzip zu den Investitions- und Betriebskosten der Wasserbetriebe beitragen. Sie werden zukünftig mindestens 80% der zusätzlichen Kosten für die 4. Stufe der Abwasserreinigung in den Klärwerken übernehmen. Zusätzlich müssen die Hersteller die Kosten für die Erhebung und Überprüfung von Daten über in Verkehr gebrachte Produkte tragen.
  5. Es sollen weitere Finanzierungsformen wie zum Beispiel Transaktionskredite für die Zukunftsaufgabe Ausbau der grün-blauen Infrastruktur geprüft werden.

 

F. Transparenter und evidenzbasierter Umgang mit Wasser

  1. Berlin braucht bessere Daten über den Wasserverbrauch von Unternehmen, um wasserpolitisch auch auf deren Verbräuche und Bedarfe besser regieren zu können.
  2. Die Berliner Wasserbetriebe (BWB) sollen in die Berichte über ihre Verbrauchszahlen eine Unterteilung nach einzelnen Gewerbesektoren aufnehmen.
  3. Die Statistiken zur Erteilung wasserrechtlicher Erlaubnisse zur Oberflächenwassernutzung und Grundwasserförderung, sollen die Unterscheidung der Begünstigten ermöglichen, einerseits nach "Privat und Gewerbe", andererseits nach einzelnen Gewerbesektoren.
  4. Über erteilte Ausnahmegenehmigungen für die Grund- und Oberflächenwasserentnahmen durch Unternehmen ist hinsichtlich Menge, Gebühr und Dauer öffentlich zu berichten.

 

[1] Die vom UBA beauftragte Studie zu wasserwirtschaftlichen Folgen des Braunkohleausstiegs in der Lausitz beziffert die Verdunstungsverluste bei gegenwärtigen Stand der Seen im Tagebau-Gebiet auf 62 Mio m³ pro Jahr. Dabei legt sie Schätzungen zur Verdunstung aus dem Schnitt der Jahre 1920 – 2020 zugrunde. Sie klammert als die zu erwartende Zunahme durch die, auch vom Braunkohle-Tagebau mitverursachten Erderhitzung in den kommenden Jahren aus. Aus: Grüne Liga, Stellungnahme zur UBA Studie, Cottbus, Juli 2023, S.21.

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Lebenswerte Stadt