07.12.19 –
Beschluss der Landesdelegiertenkonferenz am 7. Dezember 2019:
Die Klimakrise verschärft sich und hat bereits heute weltweit tödliche Folgen, Flugreisen können deshalb nicht mehr als ein beliebiges Produkt unter vielen angesehen werden. Durch die vergleichsweise hohen Treibhausgasemissionen, die sie pro Kopf verursachen, sind sie mit einer nachhaltigen Lebensweise in besonderem Maße unvereinbar. Flugreisen sollten wie ein schädliches und gemeinwohlgefährdendes Produkt behandelt werden. Passagiere müssen über die Nebenwirkungen ihrer Flugverbindung, deren verursachte Treibhausgasemissionen, aufgeklärt werden Außerdem sollte die Bewerbung von Flügen verboten werden, mit dem Ziel eine Reduktion des Flugverkehrs einzuläuten. Sicherlich wird dies letztlich nur durch eine Vielzahl von Gesetzen und im Rahmen einer effektiven nationalen und europäischen Klimaschutzstrategie gelingen wird, dennoch ist es dringend notwendig auch kommunikative Maßnahmen zu ergreifen und alle Handlungsspielräume auf Landesebene, im Sinne einer No-regret-Maßnahme, auszuschöpfen. Dies gilt umso mehr, als von einem „Greta Effekt“ im Flugverkehr bislang nichts zu spüren ist. Obwohl eine klimafreundliche Lebensweise und Flugreisen kaum zu vereinbaren sind, vermelden die Fluggesellschaften weiter Buchungsrekorde. Im Jahr 2017 wurde mit über 4 Milliarden Passagieren weltweit doppelt so viel geflogen wie zu Beginn der 1990er Jahre. Das Umweltbundesamt rechnet auch in den kommenden Jahren mit einem ungebrochenen Wachstum des globalen Passagierverkehrs. Es ist deshalb höchste Zeit gegenzusteuern und die Fluggesellschaften stärker zu regulieren.
Werbeverbote zur Gesundheitsprävention sind nichts Neues. Tabakwerbung sollte in Deutschland nach dem WHO-Rahmenabkommen zur Eindämmung des Tabakgebrauchs schon lange verboten sein. Vergleichbar mit dem regelmäßigen Konsum von Zigaretten kann der Klimawandel in Form von extremen Dürren, Starkregen und einem steigenden Meeresspiegel ebenfalls tödlich verlaufen. Diese Klimaschädlichkeit gilt bei Flugreisen in besonderem Maße. Um die Erderwärmung auf unter 2 Grad zu begrenzen, müssen die Treibhausgasemissionen laut Umweltbundesamt auf unter 1 Tonne pro Kopf sinken. Hingegen verursacht beispielsweise ein Flug von Berlin nach Bangkok hin und zurück mit 5,1 Tonnen CO2 ein Vielfaches der Emissionen, die bei einer nachhaltigen Lebensweise pro Kopf noch zulässig wären. Ein Flug von Berlin nach Hamburg hin und zurück verbraucht mit 310 kg CO2 ungefähr ein Drittel des klimaverträglichen Jahresbudgets eines Menschen. Die Wissenschaft mahnt uns alles notwendige dafür zu tun, die Erderwärmung noch auf unter 1,5 Grad zu begrenzen. Weitere Gesundheitsrisiken des Flugverkehrs entstehen durch die hohe Lärmbelastung oder den Ausstoß von Feinstaub und Mikropartikeln, von denen die Anwohner*innen von Flughäfen in hohem Maße betroffen sind. Das ist bittere Realität des Flugverkehrs, an der auch das Heilsversprechen vom grünen Kerosin, das der Bundesverband der deutschen Luftverkehrswirtschaft und andere Lobbyorganisationen verbreiten, weder mittel noch langfristig substantiell etwas ändern wird.
Erschwerend kommt hinzu, dass die meisten Flüge unnötig wären, wenn bestehende Reisealternativen mit der Bahn genutzt oder Urlaubsziele anders gewählt werden würden. Flugreisen sind oft genauso vermeidbar wie das Rauchen einer Zigarette. Die schädliche Wirkung der Flugwerbung liegt vor allem darin, die Entwicklung einer neuen Kultur des Reisens zu konterkarieren, indem sie mit Sonderangeboten und Idyllischen Reiseimpressionen weiterhin einen schnelllebigen Lifestyle ohne Rücksicht auf die Umwelt propagiert. Stattdessen bräuchte es bei rein touristisch motivierten Reisen eine kulturelle Hinwendung zu "Slow Travel“. Dies würde bedeuten, ferne Reisen mit mehr Zeit und Muße anzutreten, sowie eine neue Wertschätzung für naheliegende regionale und europäische Urlaubsziele zu entwickeln. Berlin sollte nun vorangehen und dafür sorgen, dass dieser gesellschaftliche Wandlungsprozess, für den sich immer mehr Menschen interessieren, nicht weiter durch die grellen Leitbilder eines überkommenen Mobilitätszeitalters gestört wird. Folgende Maßnahmen können diesen nötigen kulturellen Wandel stattdessen befördern:
Erstens sollten innerhalb öffentlicher Gebäude keine Flächen mehr für Flugwerbung zur Verfügung gestellt werden.
Zweitens sollte Flugwerbung auf Außenanlagen im öffentlichen Raum verboten werden - soweit dies über die Landesgesetzgebung möglich ist.
Drittens sollten Fluggäste an den Berliner Flughäfen zukünftig über den Emissionsgehalt ihrer gewählten Verbindungen, dem Ausstoß an CO2 und äquivalenten Treibhausgasen, informiert werden. Eine solche Kennzeichnung führt zu mehr Verbrauchertransparenz und kann dazu beitragen, dass sich Passagiere in Zukunft für andere Formen der Mobilität entscheiden. Dafür muss den Fluggesellschaften in der Nutzungsordnung der Berliner Flughäfen verbindlich vorgeschrieben werden, die gesamte Klimawirkung eines Fluges - ausgedrückt in CO2-Äquivalenten - auf den Bordkarten und auf den Bildschirmen am Check-In-Schalter deutlich sichtbar zu dokumentieren. Nach vielen Jahr der Stagnation streben wir höhere Flughafenentgelte auf alle Flüge von und nach Berlin an - gestaffelt nach Lärm-, Feinstaub- und Treibhausgasemissionen. Die verpflichtenden Kompensationzahlungen für Flüge des Senats und der Mitarbeiter*innen von Behörden des Landes Berlin, die 2009 eingeführte sogenannte Klimaschutzabgabe, wollen wir auf alle Mitglieder des Abgeordnetenhauses und ihre Dienstreisen mit dem Flugzeug ausweiten. Vor jedem Flug muss dabei geprüft werden, ob zwingende Gründe vorliegen, dass ein Flug gebucht werden muss und die Anreise nicht per ICE oder mit anderen Schnellzüge - zumindest innerhalb von Europa - stattfinden kann.
Die Zeit der Billigflieger und des Vielfliegens muss zu Ende gehen. Ein Werbeverbot für Flugreisen kann eine Symbolwirkung über das Land Berlin hinaus entfalten und viele kommunale Nachahmer finden. Auch ein Werbeverbot für weitere fossile Produkte ist grundsätzlich denkbar. Die schwedische Tageszeitung Dagens ETC erklärte kürzlich, keine Werbeanzeigen von Fluggesellschaften, fossilen Stromanbietern oder Autofirmen mit Verbrennungsmotoren im
Angebot mehr anzunehmen. Ein Anfang wäre gemacht, wenn der Klimawandel und seine absehbaren Folgen auch bei der Urlaubsplanung nicht mehr verdrängt werden würden. Die Fluggesellschaften dürfen unser Bild von der Welt nicht mehr beeinflussen, damit es auch in Zukunft noch schön sein wird, sie zu bereisen. Wir streben zur Eröffnung des BER an, alle Fluggesellschaften darauf zu verpflichten, für die gebuchten Flüge eine Kompensation ihrer Treibhausgasemissionen und Klimawirkungen zu entrichten. Erworbene Zertifikate müssen dabei allerhöchsten Standards entsprechen mit wirksamen Controlling sowie dem Ausschluss von Mehrfachanrechnungen oder der Vertreibung indigener Gruppen aus geschützten Waldgebieten.
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