Gemeinsam für den Schutz von Bürger*innenrechten!

30.06.18 –

Den angekündigten Entwurf für mehr Videoüberwachung von Innensenator Geisel halten wir für einen falschen Schritt und ein falsches Zeichen, um auf den Gesetzesentwurf des „Aktionsbündnis für mehr Videoaufklärung und Datenschutz“ zu reagieren. Es braucht nicht mehr Kameras, sondern mehr 

  • gut ausgebildete, in allererster Linie deeskalierende kommunikations- und reflexionsstarke Polizist*innen auf der Straße,

  • weiteres gut ausgebildetes Personal wie z.B. street worker, Sozialarbeit an Schulen etc.

Diese Ansätze müssen Hand in Hand gehen, um Straftaten präventiv zu verhindern und entsprechend belastete Orte sicherer zu machen. 

Maßnahmen, die unserer Grundrechte einschränken, sind soweit wie möglich zu vermeiden und ihre Verhältnismäßigkeit, d.h. ob sie angemessen und geeignet sind, bedürfen jeweils der genauen Prüfung. 

 

Bezüglich der Videoüberwachung hat das Kriminologische Institut Niedersachsen (KFN) aktuell die Effekte in 7 Städten in NRW untersucht (Glaubitz, C.; Kudlacek, D.; Neumann, M.; Fleischer, S. & Bliesener, T. (2018): Ergebnisse der Evaluation der polizeilichen Videobeobachtung in Nordrhein-Westfalen gemäß § 15a PolG NRW. (KFN-Forschungsberichte No. 143). Hannover:KFN). 

Das Forschungsergebnis ist eindeutig: Die Kameras wirken kaum oder gar nicht. Damit steht das KFN nicht alleine da, ähnliche Ergebnisse gibt es z.B. aus Großbritannien. In Kürze: Die Abschreckung von Straftaten ist nicht nachweisbar. Zudem besteht keine höhere Aufdeckungsrate und die Stärkung des Sicherheitsgefühls ist fragwürdig  (siehe auch:Ott/Ackerschott/Müller: Kameras gegen Gewalt. Wie effektiv ist die öffentliche Videoüberwachung? 2013). 

 

Auch denken wir nicht, dass die erforderliche Güterabwägung, d.h. wo eine Überwachung für notwendig und sinnvoll gehalten wird, von der Polizei allein getroffen werden sollte. Wir wollen keine Stadt, in der wir uns ständig fragen müssen, ob uns eine Kamera gerade bei unserem morgendlichen Kaffee am Kottbusser Tor oder bei einem Treffen mit Freund*innen am Alexanderplatz beobachtet.

 

Wir fordern Innensenator Geisel auf, die verfassungsrechtliche Prüfung abzuwarten und einen Gesetzesentwurf nur dann vorzulegen, wenn er sich an realen Risiken orientiert, nachhaltige Ansätze und Alternativen zur Videoüberwachung formuliert und die Bürger*innenrechte nicht grundlos einschränkt. 

 

Die Sprecher*innen der LAG Demokratie und Recht Bündnis 90 / Die Grünen Berlin

Christiane Howe, Jan Fährmann, Claudia Fechner, Christian Demmelmeier