12.04.13 –
Unser LAG-Mitglied Alexander Klose hat einen kleinen Bericht über unseren Abend mit dem Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit verfasst:
Am 8. April stellte der Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Dr. Alexander Dix seinen neuesten Bericht zu Datenschutz und Informationsfreiheit in der Landesarbeitsgemeinschaft Demokratische Rechte von Bündnis 90/Die Grünen Berlin vor. In dem Bericht geht er, neben einigen Schwerpunktthemen, auf Verletzungen des Datenschutzes und der Informationsfreiheit in Berlin im vergangenen Jahr ein.
Dix weist einleitend darauf hin, dass Bündnis 90/Die Grünen die einzige Partei sei, die ihn – nun schon wiederholt - zur Vorstellung des Berichts einlade.
Zu den Tätigkeitsschwerpunkten 2012 gehörte zunächst die nichtindividualisierte Funkzellenabfragen (FZA). Hier ergab eine stichprobenartige Untersuchung von Ermittlungsverfahren, dass die FZA entgegen den Vorgaben des Gesetzgebers in der staatsanwaltlichen Praxis zur Routinemaßnahme geworden sei. Geortet würden nur aktive Telefone, mit denen telefoniert werde oder die gerade eine SMS empfingen. Um eine Lokalisierung zu vermeiden, müsse das Telefon ausgeschaltet werden. Die FZA sei als „ultima ratio“ zulässig. Erforderlich seien grundsätzlich eine richterliche Anordnung und eine nachträgliche Benachrichtigung der Betroffenen oder zumindest eine Begründung der Nichtbenachrichtigung. Die Staatsanwaltschaft glaube, mit Hinweis auf den Richtervorbehalt, dass die FZA nicht der Kontrolle des Datenschutzbeauftragten unterliege. Richtig sei, dass die richterliche Entscheidung selbst nicht der Kontrolle unterliege, wohl aber das darauf basierende Verhalten der Staatsanwaltschaft. Das Abgeordnetenhaus hat den Senat u.a. aufgefordert, eine Bundesratsinitiative zu starten, um die bundesrechtlichen Grundlagen zu konkretisieren und restriktiver zu fassen.
Für Diskussion sorgt die Frage, ob bzw. wie eine Benachrichtigung der von einer FZA Betroffenen erfolgen könne. Dix stellt klar, dass eine Benachrichtigung nur bei den Telefonnummern erforderlich sei, die von der Polizei bereits konkreten Personen zugeordneten wurden. Nach Auskunft von Dix speicherten die Kommunikationsunternehmen die Daten zwischen zwei und vier Wochen, auch dort wo dies, z.B. bei prepaid/Flatrates gar nicht erforderlich sei. Der Bundesdatenschutzbeauftragte hält hier nur eine Speicherungsdauer von fünf bis sechs Tagen für zulässig. Bei postpaid Tarifen dürften die Daten bis zur Begleichung der Rechnung gespeichert werden. Ihm sei kein Fall bekannt, in dem der Polizei keine Auskunft gegeben werden konnte.
Weitere sicherheitspolitische Themen des Berichts sind die Anti-Terrordatei, über die das Bundesverfassungsgericht in den nächsten Wochen entscheidet. Dix hält ein Verbot der Datei oder weitgehende Änderungen für wahrscheinlich. Die Rückkehr der sogenannten taktischen Hinweise wie „Geisteskrank“ oder „Ansteckungsgefahr“ bei der Polizei wird von Dix ebenfalls kritisch gesehen. Der gegenteilige Beschluss des Abgeordnetenhauses aus dem Jahr 1988 habe, so die Innenverwaltung, seine Bindungswirkung verloren. Dix hält ihn und die in ihm genannten Gründe gegen die taktischen Hinweise immer noch für gültig.
Dix macht anschließend auf die Bedeutung des aktuellen Gesetzgebungsprozesses über ein Datenschutzpaket auf europäischer Ebene aufmerksam, das Teile des Bundes- und der Landesdatenschutzgesetzes ersetzen könnte. Während die geplante Richtlinie wenig Aussicht auf Erfolg habe, könnte die Grundverordnung den Datenschutz auch in Deutschland voranbringen. Zu den zentralen Punkten aus Sicht des Datenschutzes gehörten die wichtige Klarstellung, dass europäisches Datenschutzrecht auch für außereuropäische Anbieter wie z.B. Facebook gelte. Viele Generalklauseln blieben in ihrer Allgemeinheit hinter den konkreteren deutschen Vorgaben zurück – hier werde sich die Frage der Weitergeltung des deutschen Rechts stellen. Ein weiterer Punkt sei das „Recht auf Vergessen“ im Internet.
Es bestehe aber auch die Gefahr eines Rollbacks, wenn der massive Lobbydruck der Wirtschaft (Google etc.) sich in den nächsten sechs bis acht Monaten durchsetze. Die nationalen Regierungen sollten durch entsprechende Aufklärung „bösgläubig“ gemacht werden.
Dix würdigt den Grünen Gesetzentwurf für ein Berliner Transparenz- und Informationsfreiheitsgesetz und erinnert an seine Forderung, den Anspruch auf Informationszugang auch verfassungsrechtlich zu verankern. Der Widerspruch zwischen Transparenzrhetorik auf der einen und der Praxis der Verwaltung auf der anderen Seite werde deutlich bei der Weigerung des Senats und der Bezirksämter, Senatsbeschlüssen und Aktenplänen zu veröffentlichen.
Weitere Fragen von den LAG-Mitgliedern betreffen die Erhebung sensitiver Daten zu Zwecken des Integrationsmonitorings, einer Datenerhebung, bei der z.B. festgestellt werden soll, inwiefern die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in der Verwaltung erfolgt. Wie bei der Weitergabe von Verordnungsdaten von Apothekenrechenzentren an die Pharmaindustrie fordert Dix eine klare gesetzliche Regelung und eine Anonymisierung der Daten.
Zum Ende wendet sich die Diskussion allgemeinen Fragen zu, die von dem drohenden Einschüchterungseffekt durch die zunehmende Datenerfassung durch Sicherheitsbehörden über den nicht nachgewiesenen Sicherheitsgewinn durch Videokameras bis hin zu einer möglichen gesellschaftlichen Entwicklung hin zu „post-privacy“ reicht. Hier sehe Dix sich nicht als Oberlehrer, der anderen vorschreibt, was sie von sich im Internet preisgeben. Er pocht aber auf das Recht, dies nicht tun zu müssen.
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Weitere Informationen
Homepage des Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit
Unterseite mit der Kurzfassung des Berichts und dem vollständigem Bericht
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