30.04.20 –
Beschluss der Landesarbeitsgemeinschaft Bildung Bündnis 90 / Die Grünen Berlin vom 29. April 2020
1. Schulbauten sind keine Zweckbauten, sondern "Kathedralen des Lernens". Wir erwarten die Realisierung von architektonisch und pädagogisch anspruchsvolleren Schulen. Wenn der Bedarf an Schulräumen kurzfristig stärker ansteigt als die Baukapazitäten, fordern wir als Zwischenlösung wiederverwendbare "Fliegende Klassenzimmer" in Holzmodulbauweise anstatt dauerhafter Flurschulen wie die Modularen Ergänzungsbauten (MEB).
2. Schulbauten müssen nachhaltig sein. Dies ist eine pädagogische und eine ökologische Aufgabe. Daher fordern wie die Realisierung von mindestens 30% Holzbauten. Diese sind nachhaltig, vermeiden eine Umweltbelastung durch Sandabbau und einen weiteren Kohlendioxidausstoß bei der Produktion von Baustoffen, funktionieren als Kohlenstoffsenke in den Zeiten der Klimakrise und dienen als gesellschaftliches Vorbild. Der Anteil von Schulbauten in Holzbauweise kann nach Möglichkeit höher sein, alternativ sollen andere nachhaltige Bauweisen zur Anwendung kommen (z.B. der Einsatz von Recyclingbeton). Im Rahmen der Klimakrise ist es notwendig, einen möglichst geringen ökologischen CO²-Fußabdruck zu hinterlassen. Dieser muss ein Teil jeder Wirtschaftlichkeitsberechnung sein. Alle, insbesondere alle neuen Schulgebäude, sollen mit Solaranlagen ausgestattet sein. Sofern dies nicht aus den Mitteln der BSO finanziert werden kann, müssen andere Finanzierungsquellen bereitgestellt werden.
3. Die Planung von neuen Schulbauten und Großsanierungen muss alle Beteiligten über alle Bauphasen hinweg einbeziehen. Dazu gehören auf jeden Fall Schulpraktiker*innen wie Schulleitungen und Hausmeister*innen gerade auch bei neuen Schulen, bei denen noch kein Schulteam feststeht. Auch sonst ist eine Mitbestimmung der Schulgemeinschaft während der Planungsphase mit Unterstützung der Bezirksämter vorzusehen. Dadurch wird die Zufriedenheit und Akzeptanz gesichert und Vandalismusschäden weitgehend vorgesorgt.
4. Die Schaffung neuer Unterrichtsräume muss die Erfahrungen aus der Coronakrise widerspiegeln. Die Raumplanungen berücksichtigen neue Erkenntnisse zur Flexibilität und Raumgröße der Klassenräume. Freiflächen in den Schulen sind als pädagogisch nutzbarer Lernraum zu gestalten. Die Praxistauglichkeit der Compartmentschulen (Berliner Lern- und Teamhaus) als neuer Typ von Schulbau wird evaluiert, sobald die ersten fünf Schulen dieses Typs ein Jahr in Betrieb sind.
5. Schule soll sich in die Sozialräume öffnen. Die Zusammenarbeit mit den Akteur*innen der Stadtgesellschaft ist von Beginn an sicherzustellen. Nach Möglichkeit werden weitere gesellschaftliche Aufgaben und bestehende Initiativen integriert. Daher ist bei der Bauplanung darauf zu achten, dass die Zugänglichkeit der Gebäudeteile, die insbesondere für die sozialräumlichen Aktivitäten genutzt werden, wie Musik und Kunsträume, Mehrzweckräume, Sporthallen u.a., so gestaltet wird, dass eine getrennte Zugänglichkeit gesichert ist. Klassenräume stehen grundsätzlich für solche Nutzungen nicht zur Verfügung.
6. Um Schulen als „Kiezzentren“ ausgestalten zu können, bedarf es auf Landesebene entsprechender haushaltsrechtlicher Regelungen, so dass die Gebäude sowohl aus Mitteln des Schul-, Kultur- und Sozialetats finanziert werden können. Dies zu bewerkstelligen, darf nicht allein den Bezirken überlassen werden, da dabei immer auch Senatsverwaltungen tangiert sind und es ein grundsätzliches Problem ist. Außerdem sollen den Bezirken Mittel zur Verfügung gestellt werden, um ihre kommunale Aufgabe als Schulträger besser erfüllen zu können, indem sie die Zahl der Hausmeister*innen sowie die Qualität der Schulreinigungen erhöhen, um so die Kooperation mit außerschulischen Akteur*innen zu ermöglichen und gleichzeitig die Gebäudeinstandhaltung zu verbessern. Auch ist bei Schulen, die reibungslos als „Kiezzentren“ funktionieren sollen, eine Hausmeister*innenwohnung vorzusehen.
7. Die Planung neuer Schulen und Ergänzungsbauten beruht auf einer konkreten Berücksichtigung der verfügbaren Fläche und des städtebaulichen Umfelds. "Einheitslösungen" sind daher zu vermeiden, da sie den konkreten Bedürfnissen nur unzureichend gerecht werden können.
8. Die Schulbauoffensive hält derzeit mit den realen Platzbedarfen nicht Schritt. Kreative Ausweichlösungen können zur Beschleunigung beitragen und gleichzeitig verhindern, dass sich schlechte Lösungen wie Containerbauten verfestigen. Große Überbelegungen einzelner Standorte sind zu vermeiden, mit allen Akteur*innen der Stadtgesellschaft nach Alternativen für Orte, Inhalte, Zeiten, Tools usw. suchen.
9. Zur weiteren Beschleunigung und Transparenz der Schulbauoffensive sollen in der verwaltungsinternen, zwischenbehördlichen Zusammenarbeit Bearbeitungsfristen für alle Verfahrensschritte sowie Genehmigungsfiktionen eingeführt werden. Auch gemeinsame Prüfungstermine von Bezirks- und Senatsverwaltungen führen zur Beschleunigung. Um zu verhindern, dass dies auf Kosten der Umwelt geht, werden gleichzeitig die Umwelt- und Naturschutzbehörden verstärkt.
10. Die Schulbauoffensive muss weitergeführt werden, bis auch die derzeitigen Überbelegungen an bestehenden Schulstandorten wieder aufgelöst werden können und keine Schule mehr überbelegt ist. Die gebäudespezifischen Zügigkeiten in jeder Schule müssen eingehalten werden; die Klassenfrequenzen in den Schulen dürfen nicht schleichend erhöht werden.
Die Schulbauoffensive ist nicht zuletzt durch uns Grüne erkämpft worden. Die Schulbauoffensive ist seit Beginn der Wahlperiode spürbar in Fahrt gekommen und zeigt erste Erfolge. Wir bedanken uns bei all den Mitarbeiter*innen in den Verwaltungen und bei der HOWOGE, die alles geben, um diesen Kraftakt und dieses größte Versprechen, das die rot-rot-grüne Koalition der Stadtgesellschaft gegeben hat, umzusetzen.
Wir Bündnisgrüne halten es gerade um die Schulbauoffensive zum Erfolg zu führen für notwendig, den Prozess eng zu begleiten. Für uns ist die Schulbauoffensive nicht zuletzt ein Qualitätsversprechen: eine neue Art von Schulen für die Pädagogik des 21. Jahrhunderts zu bauen – und dies mit Schnelligkeit zu verbinden.
Allerdings hält die Schulbauoffensive mit den Bedarfen zeitlich nicht Schritt und dadurch gerät die gewünschte und hart erkämpfte Qualität enorm unter Druck. Während die versprochenen Lern- und Teamhäuser noch auf sich warten lassen, werden Dutzende von MEBs und noch einmal Dutzende von Containern aufgestellt. Diese Varianten drohen da, wo sie einmal stehen zu dauerhaften „Lösungen“ zu werden. Sie tragen erheblich zu der Verdichtung der Schülerzahlen an bestehenden Standorten bei, verkleinern die Freiflächen und erhöhen den Druck auf die Gemeinschaftsflächen, insbesondere die Mensen. Auch genügen sie nicht unseren ökologischen Anforderungen. Und auch angesichts der vielfach nicht für Typenbauten geeigneten, verfügbaren Bauflächen sprechen wir uns für weiterhin für individuelle, standortspezifische Lösungen aus. Auch regen wir an, gemeinsam mit den Betroffenen kreative temporäre Ausweichlösungen zu finden, statt auf starren, zeitraubenden Ausweichstandortplanungen zu beharren oder immer mehr Schüler*innen in die bestehenden Schulen zu quetschen.
Wir fordern außerdem nicht nur insgesamt mehr Holzbau, der sich als schneller erwiesen hat als konventionelle Schulbauten. Darüber hinaus fordern wir mit temporären und wieder verwendbaren Holzmodulbauten zu arbeiten statt mit herkömmlichen Container- und Modulbauten. Solaranlagen müssen zur Standardausrüstung aller Schulgebäude gehören.
Der Landesbeirat Schulbau scheint zu groß und schwerfällig, um jede Baustelle an Berliner Schulen zu begleiten. Es braucht vielmehr konkrete Beteiligungsprozesse vor Ort bei allen Standortplanungen durch Schulpraktiker*innen und die verschiedenen Nutzergruppen.
Bei der Ausarbeitung des Konzepts des neuen Berliner Lern- und Teamhauses ist das Thema der sozialräumlichen Öffnung ursprünglich mit bedacht worden. In der Realität droht es immer wieder unter die Räder zu kommen. Zum einen, weil Bedarfe im Sozialraum haushalterisch meist als nicht-schulische Bedarfe gelten und Finanzierungsquellen außerhalb der Schulbauoffensive benötigen. Diese Finanzierungsquellen zu finden darf nicht allein den Bezirken überlassen sein. Vielmehr muss das Land mit in die Verantwortung und die dafür notwendigen haushaltsrechtlichen Voraussetzungen schaffen. Zum anderen, weil die Schulen nicht ausreichend dafür ausgestattet sind, den Aufwand rund um die Einbeziehung Dritter technisch und organisatorisch zu bewältigen. Auch hier sind die Bezirke gefragt. Wir wollen ihnen ausreichend Mittel zur Verfügung stellen, dass sie die bezirklichen Schulämter stärken, mehr Hausmeister*innen an die Schulen bringen und die Schulreinigung deutlich verbessern und damit ihrer kommunalen Aufgabe als Schulträger nachkommen können.
Die Schulbauoffensive kennt derzeit kein Soll-Ist-Monitoring, dem seriös zu entnehmen wäre, in welchem Schuljahr wo welche Plätze geschaffen sein müssten, um mit den Bedarfen Schritt zu halten. Auch fehlen die dazugehörigen Fertigstellungsterminsetzungen. Wir halben beides jedoch für unabdingbar. Bearbeitungsfristen bzw. Genehmigungsfiktionen bei der Zusammenarbeit der vielen verschiedenen Behörden, die an der Schulbauoffensive beteiligt sind, könnten dazu beitragen, ein solches Monitoring in Zukunft zu haben.
Ebenfalls für unablässig halten wir es, ein Ausbauziel zu definieren. Dies kann nicht nur darin bestehen, so viele neue Schulplätze zu bauen, dass die jetzt noch hinzukommenden Schülerzahlen abgedeckt werden können. Ziel muss sein, auch die Verdichtung bzw. Überbelegung an den bestehenden Schulstandorten, die in den letzten Jahren stattgefunden hat und auch weiter zunehmen wird, wieder auflösen zu können.
LAG Bildung Berlin
bildung@ gruene-berlin.de
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