Aktuelle Lage: Rigaer Straße und Kiezladen „Friedel54"

06.07.17 –

Hintergrund?
Der Kiezladen „Friedel54“ in Neukölln soll am 29. Juni geräumt werden. Die „Friedel54“ besteht seit 13 Jahren. Das alternative Projekt hat sich in der Zeit mit Lesungen, Kunstprojekten und politischen Veranstaltungen einen Namen gemacht. Die Kündigung wurde bereits 2015 ausgesprochen, seitdem wehrt sich das Laden-Kollektiv gegen eine Räumung. Im Oktober 2016 übernahm die Firma Pinehill s.a.r.l. als neue Eigentümerin das gesamte Haus. Der Verbleib der jetzigen Mieter*innen und die angekündigte Modernisierung der Wohnungen sind bis heute unklar. An dem Räumungstitel für den Laden im Erdgeschoss änderte sich jedoch nichts.
Ebenfalls am 29.6. sollte sich das Landgericht Berlin mit einem Räumungstitel für die Kneipe „Kadterschmiede“ (Hinterhof, EG) in der Rigaer Straße 94 beschäftigen. Dieser Termin kann nicht gehalten werden, da der Geschäftsführer der Eigentümergesellschaft, Colin Guille, Mitte Mai verstorben ist. Ohne Geschäftsführung ist die Briefkastenfirma „Lafone Investment Limited“ nicht prozessfähig. Im Hinterhaus sind neben der „Kadterschmiede“ noch sechs Wohnungen mit unklaren Mietverhältnissen. Alle weiteren 29 Wohnungen haben unbefristete Mietverträge.
Wie stehen wir zu den wiederholten Ausschreitungen?
Wir verurteilen die wiederkehrenden Gewaltausbrüche in der Rigaer Straße scharf! Wir stellen fest, dass derzeit verstärkt Trittbrettfahrer*innen aus anderen Bundesländern den Druck der Bewohner*innen ausnutzen und Krawalle in der Rigaer Straße offenbar als „warm up“ für die G20 Proteste in Hamburg verstehen. Autos anzünden, Barrikaden bauen und anzünden, Anwohner*innen und Polizist*innen bedrohen und angreifen – all das sind für uns keine legitimen Mittel des Protests. Ja, die Veränderungen durch Verkauf und Privatisierungen sind groß. Allein in Neukölln sind die Mieten in den letzten zehn Jahren um 73 Prozent gestiegen, in Friedrichshain-Kreuzberg um 65 Prozent. Viele Anwohner*innen teilen die Angst, ob sie in ihrem gewohnten Umfeld bleiben können oder dem Gentrifizierungsdruck weichen müssen. Aber Gewalt öffnet keine Türen. Gewalt spaltet einen Kiez und schafft Misstrauen untereinander. Wie geht es jetzt weiter?
Für die „Friedel54“ sind die rechtlichen Mittel ausgeschöpft. Gesprächs- und Verhandlungsrunden im letzten Sommer - sowohl mit dem alten als auch dem neuen Eigentümer - blieben erfolglos. Das jüngste Angebot eines Runden Tisches durch Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (die LINKE) und unserem Grünen Baustadtrat Jochen Biedermann schlug die neue Eigentümerin aus. Die Möglichkeit des Vorkaufsrechts wurde von Bezirksamt und Bezirksverordnetenversammlung der letzten Wahlperiode (rot-schwarze Zählgemeinschaft) nicht genutzt. Möglicherweise hätte damit der Verkauf in private Spekulationshände verhindert werden können.
Für die Rigaer Straße muss der bereits in der vergangenen Legislatur begonnene Prozess des Runden Tisches unter Bezirks- UND Senatsbeteiligung fortgeführt werden. Der Bezirk allein stößt aufgrund seiner eingeschränkten Kompetenzen und Ressourcen immer mehr an seine Grenzen. Unsere Grüne Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann spricht sich sehr dafür aus, in Absprache mit den Beteiligten, den Dialogprozess so schnell wie möglich in Gang zu setzen. Dafür muss Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (die LINKE) aber eine tragende Rolle einnehmen und zeigen, dass der Senat hier Verantwortung übernimmt. Innensenator Andreas Geisel (SPD) hat zugesichert, die Einsatzkräfte rund um die Rigaer zu verstärken. Straftäter müssen festgesetzt werden. Was sich aber auf gar keinen Fall wiederholen darf, ist ein Generalverdacht gegenüber den Anwohner*innen und die verfehlte „Hau drauf“-Politik des ehemaligen CDU-Innensenators Frank Henkel. Denn diese eskaliert, anstatt zu befrieden.
Wir wollen, dass Kiezläden wie der „Friedel54“ und der „Kadterschmiede“ eine Perspektive geboten wird! Die alternative, linke Szene ist ein Teil Berlins und soll es bleiben.