Politische Prioritäten - Volker Beck im Interview zur eingetragenen Lebenspartnerschaft

27.07.11 –

Volker Beck, Mitglied des Bundestages, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer und Menschenrechtspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, im Interview mit der Siegessäule.

"Im August 2001 trat die Homo-Ehe in Deutschland in Kraft. Ein Interview mit ihrem Vordenker Volker Beck

Zehn Jahre Lebenspartnerschaftsgesetz in Deutschland.Volker Beck, ist das für Sie ein Grund zum Feiern?
Klar ist es ein Grund zum Feiern. Das Gesetz ist einer der bedeutendsten Fortschritte, die in der Lesben- und Schwulenpolitik in den vergangenen Jahrzehnten erzielt wurden. In der Bevölkerung ist die Botschaft angekommen, dass Schwule und Lesben Anspruch auf gleiche Rechte haben. Der Volksmund sagt inzwischen, lesbische und schwule Paare können heiraten. Viele wissen gar nicht, dass die Lebenspartnerschaft immer noch ein Gesetz mit minderen Rechten ist.

Das ist ja die Krux an der Sache. Weder auf Bundesebene noch in den Ländern ist alles gleichgestellt worden. Warum hat Rot-Grün das Lebenspartnerschaftsgesetz seinerzeit nicht besser machen können?
Im Bundesrat hatten wir keine Mehrheit. Gleichstellung bei der Steuer und andere Punkte, die dort zustimmungspflichtig waren – und zum Teil bis heute nicht verwirklicht sind –, konnten wir damals gegen die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat nicht durchsetzen.

Aktuell hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Gleichstellung im Bundes beamtenrecht verabschiedet. Was gibt es daran zu kritisieren?
Für die Zukunft sind Beamtinnen und Beamte gleichgestellt. Das ist gut so. 2001 hatte Schwarz-Gelb im Bundesrat das noch abgelehnt. Aber die Bundesrepublik Deutschland ist aufgrund arbeitsrechtlicher europäischer Richtlinien bereits dazu verurteilt worden, rückwirkend mindestens bis 2003 gleichzustellen. Die Bundesregierung will erst ab 2009 zahlen. Das ist ein willkürliches Datum, für das es kein rechtliches Argument gibt.

Wie wird es denn begründet?
Die FDP sagt, mehr ging mit der Union nicht, und gibt sich damit zufrieden. Ich finde aber, man kann nur zwei Stichdaten begründen: das Inkrafttreten des Gesetzes 2001 – wofür wir uns eingesetzt haben – oder das Inkrafttreten der europäischen Antidiskriminierungsrichtlinie 2003. Für 2009 gibt es keinen Grund. Das teilt auch die Bundesjustizministerin. Sie empfiehlt den Betroffenen, weiter vor die Gerichte zu ziehen und sich das Recht vor dem Bundesverfassungsgericht oder dem Europäischen Gerichtshof zu holen. Dass eine Justizministerin dazu auffordert, gegen ein neu erlassenes Gesetz zu klagen, ist eine liberale Bankrotterklärung.

Vielleicht war es der FDP unmöglich, in dieser Frage mehr rauszuholen?
Es ist eine Frage der politischen Prioritäten. Die FDP ist bei diesem Thema nicht bereit gewesen, einen Koalitionskonflikt einzugehen, auch nicht beim Thema Einkommenssteuer. Angeblich ist die FDP die große Steuersenkungspartei, doch wenn es darum geht, die steuerliche Benachteiligung von eingetragenen Partnerschaften zu beseitigen, hört man von ihr erstaunlich wenig. Stattdessen sagt sie, das müsse das Bundesverfassungsgericht machen. Ich finde, es ist das Ende von Politik, wenn die einzelnen Fortschritte nur noch von den Gerichten erkämpft werden können.

Wie groß ist der finanzielle Unterschied einer Gleichstellung rückwirkend ab 2003 oder eben, wie im Gesetz, ab 2009?
Das kann niemand sagen, doch es sind keine ernsthaft großen Summen. Darauf darf es auch gar nicht ankommen. Es geht schließlich um Grundrechtsfragen von Nichtdiskriminierung.

Der Kompromiss ist demnach nicht im Hinblick auf möglicherweise ausufernde Kosten geschmiedet wurden?
Nein, es geht nicht ums Geld. Das ist keine relevante Größe, weswegen dem Finanzminister graue Haare wachsen müssten. Vielmehr waren hier Ideologen am Werk, die offenbar eines in der Optik klarstellen wollen: Wenn Lesben und Schwule etwas bekommen, dann soll das aus ihrer Sicht keine Frage des Rechts sein, sondern ein Gnadenakt der Politik – eine unglaubliche Demütigung von Lesben und Schwulen.

Sie haben sich von Anfang an für die Homo-Ehe engagiert. Warum diese Kontinuität?
Wenn ich etwas für richtig erkannt habe, kämpfe ich dafür, bis es Punkt für Punkt durchgesetzt ist. Ein bisschen Gleichstellung reicht nicht. Nur das volle Programm ist gerecht.

Ich frage, weil Teile der Community die Homo-Ehe immer skeptisch gesehen haben oder es auch heute noch tun
... Das verstehe ich immer weniger. Das Gesetz hat die Akzeptanz in der Gesellschaft spürbar erhöht und zwar für alle lesbischen und schwulen Lebensweisen. So manche Kritiker von damals sind übrigens längst zum Standesamt gegangen. Ich selbst habe nie propagiert, die Ehe sei das einzig wahre schwule Leben. Ich will, dass alle Menschen die gleichen Möglichkeiten haben, ihr Leben rechtlich auszugestalten. Ob sie das wahrnehmen und und ob man dann in einer Partnerschaft monogam lebt oder wilde Sexpartys feiert – das hat den Gesetzgeber nicht zu interessieren. Aber wenn ich gemeinsam mit meinem Partner einen Betrieb gründe, gemeinsam eine Wohnung kaufen will, sollte man das rechtlich absichern können, damit nicht die vielleicht ungeliebte Verwandtschaft oder der Fiskus im Krisenfall – wenn einer erkrankt oder stirbt – auf der Matte steht. Jeder soll sein Leben so organisieren können, wie das dem gemeinsamen Willen der beteiligten Personen entspricht. Und dafür ist die Lebenspartnerschaft oder die Ehe bei uns der Rechtsrahmen. Ich war übrigens nie ein Freund der Lebenspartnerschaft als solche. Das war damals ein zeitgebundener Kompromiss. Unsere Forderung bleibt die Öffnung der Ehe.

Wenn noch das Ehegattensplitting für Lebenspartnerschaften kommt, haben wir eine Situation, dass Lebenspartner diese Steuererleichterung ebenso unabhängig von Kindern bekommen wie Ehegatten.
Das ist richtig.

Das untergräbt ein wenig die Institution Ehe.
Ich bin mir nicht sicher, ob es die Ehe untergräbt. Darum geht es mir auch nicht. Wichtiger ist die Frage, was wird wie steuerrechtlich gefördert, insbesondere angesichts klammer Haushalte. In der Ehe gibt es gegenseitige Unterhaltsverpflichtungen. Im Bedarfsfall müssen Lebenspartner füreinander aufkommen. Diese Verpflichtungen müssen steuerrechtlich berücksichtigt werden. Darüber hinaus sollte man weitere Förderungen daran knüpfen, dass Menschen sich um Kinder oder um pflegebedürftige Personen kümmern. Der Staat sollte künftig eine Solidargemeinschaft unterstützen, die Humanität und soziale Solidarität produziert. Insofern wäre das Ehegattensplitting, wie wir es uns heute leisten, nicht mehr angemessen. Solange es das aber gibt, sollte man nicht nach homosexuell oder heterosexuell unterscheiden. Insgesamt brauchen wir hier eine Reform.

Interview: Sirko Salka"

Quelle: http://www.siegessaeule.de/uploads/img/printausgaben/SIS-aktuell.pdf