Für eine Berliner Polizeistudie!

02.12.20 –

In den letzten Monaten und Jahren mehren sich die Berichte über rechtsextreme und rassistische Chatgruppen sowie rechte Netzwerke bei der Polizei: Im Zusammenhang mit dem sog. Nordkreuz-Komplex besteht u.a. der Verdacht, dass ein Polizist Munitionsbestände der Polizei entwendet hat. Ein sog. NSU 2.0 bedroht Menschen und es gibt Hinweise darauf, dass die dafür genutzten Daten aus polizeilichen Datenverarbeitungssystem stammen. Die bislang bekannt gewordenen Vorfälle sind über das gesamte Bundesgebiet verteilt. Fortlaufend werden  neue Verdachtsfälle bekannt. Allein Berlin hat im Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis 31. März 2020 in insgesamt 53 Fällen (Verwaltungs-)Ermittlungen wegen entsprechender Vorwürfe gegen Mitarbeitende in den Sicherheitsbehörden geführt. Wer noch immer von Einzelfällen spricht, will die Hinweise auf ein strukturelles Problem nicht erkennen.

Dabei ist klar: Jede auf Rassismus oder Diskriminierung zurückzuführende polizeiliche Maßnahme und jede*r Mitarbeitende mit rassistischer, rechtsextremer oder antisemitischer Einstellung in den Sicherheitsbehörden stellt eine Bedrohung für Rechtsstaat und Demokratie dar und führt zu einem enormen Vertrauensverlust. Dabei ist das Vertrauen der Bürger*innen in die Polizei die Grundvoraussetzung für deren erfolgreiche Arbeit.

Die bekannt gewordenen Sachverhalte lassen jedoch keinen belastbaren Rückschluss zu, wie weit rassistische, antisemitische und rechtsextreme Überzeugungen in den Sicherheitsbehörden tatsächlich verbreitet sind. In einer solchen Situation helfen weder das Zurückweisen jeglicher Kritik an den Sicherheitsbehörden noch undifferenzierte Anschuldigungen. Vielmehr ist zunächst eine solide Datengrundlage durch eine wissenschaftlich unabhängige Analyse zu ermitteln. Erst auf einer solchen Grundlage können evidenzbasierte Einschätzungen und Lösungsstrategien entwickelt werden. Damit werden auch all die Mitarbeitenden der Sicherheitsbehörden gestärkt, die fest auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung stehen und sich täglich bemühen, jede Form von Diskriminierung zu verhindern und zu beseitigen und damit helfen, eine Kultur der Wertschätzung von Vielfalt zu fördern.Gleichzeitig wird damit die politische Debatte versachlicht.

Daher fordern wir:

  • Eine von unabhängigen Forschenden konzipierte und durchgeführte eigenständige Studie zu strukturellem Rassismus, rechtsextremistischen, rassistischen und antisemitischen Einstellungen und Racial-Profiling in den Berliner Sicherheitsbehörden.
  • Die Untersuchung der Fehlerkultur in den Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit rechsextremistischen, rassistischen und antisemitischen Vorfällen und die Analyse existierender Schutzmechanismen gegen die Verbreitung dieser Einstellungen sowie die Vorlage von Verbesserungsvorschlägen.
  • Die Einbeziehung der Perspektiven von Berliner*innen, die potenziell von Rassismus betroffen sind z.B. durch die Zusammenarbeit mit Berliner Organisationen von BPoC`s und jüdischen Mitbürger*innen, die selbst Erfahrung und Sachverstand einbringen können.
  • Das ins-Benehmen-setzen mit den übrigen Ländern, um im Idealfall ein länderübergreifendes Forschungsprojekt zu ermöglichen.
  • Die Orientierung der Berliner Innenpolitik an den Erkenntnissen der Studie.
  • Die regelmäßige Wiederholung der Studie, um die Entwicklungen in den Sicherheitsbehörden und die Wirksamkeit der ergriffenen Maßnahmen evaluieren zu können.