Ausverkauf des Datenschutzes?

18.08.11 –

Im Dezember 1983 erkannte das Bundesverfassungsgericht das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Bestandteil unserer verfassungsmäßigen Ordnung an. Doch wie steht es heute um den Datenschutz im Bezirk Mitte und Berlin? Dieser Frage gingen die Teilnehmenden des Datenschutzpolitischen Spaziergangs mit den Referenten Malte Spitz, Mitglied im Bundesvorstand von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Silke Gebel, Direktkandidatin im Wahlkreis Mitte 2, nach. Ein Stadtrundgang der besonderen Sorte.


1. Station: Drogeriemarkt. Datenkrake Payback?

 Fast jeder zweite Haushalt verfügt über eine Kundenbonuskarte wie beispielsweise die Payback-Karte. Es ist jedoch weitgehend unbekannt, dass durch den Einsatz der Karte das eigene Kaufverhalten komplett nachvollziehbar für die Kartenanbieter wird. Diese Praxis ist lediglich legal, da kein Weiterverkauf der Daten an Dritte stattfindet. Allerdings werden die Daten zwischen den Payback-Partnern genutzt, um zielgruppenspezifische Werbung zu ermöglichen. Deswegen empfiehlt Malte Spitz auf die Teilnahme an Kundenbindungsprogrammen wie dem der Deutschen Bahn („bahn.bonus“) zu verzichten, wenn ein zu geringer Mehrwert entsteht.“


2. Station: Universität. Komplette Krankheitsakten in der Verwaltung?

Datenschutzpolitischer Spaziergang: IKTAuch an staatlichen Stellen wie etwa an der Humboldt-Universität werden Daten gesammelt. Viele Hochschulen bundesweit geben Studierendenkarten mit Zahlungsfunktion kombiniert mit einer Zugangskarte zu Räumen aus. So ist es möglich, umfangreiche Profile von Nutzungsmustern der Studierenden zu erstellen. Laut Silke Gebel wäre es dabei ohne weiteres möglich, getrennte Karten für Zahlungs- und Raumzugangsfunktion auszugeben. Weiterhin verlangen auch in Berlin zahlreiche Fakultäten immer häufiger bei krankheitsbedingtem Versäumen einer Klausur ein dezidiertes Krankheitszeugnis - statt den sonst üblichen ärztlichen Krankschreibungen. „Wir fordern deshalb zwei Datenschutzbeauftragte für jede Universität, eine hauptamtliche unabhängige Kraft aus der Universitätsverwaltung und einen Beauftragten aus der Studierendenschaft“, so Silke Gebel.


3. Station: Deutsche Post. Der größte Adresshändler der Republik

Die Deutsche Post ist der größte Adresshändler Deutschlands. Sie ermöglicht ihren Werbekunden zielgruppenspezifische Werbung durch die Weitergabe der von ihr gesammelten Adressen – meist ohne das Wissen der Privathaushalte. Malte Spitz dazu: „ Allen Betroffenen muss nach §34 des Bundesdatenschutzgesetzes Auskunft über die gesammelten Daten gegeben werden. Das gilt auch für die Post und ihre verschiedenen Tochterunternehmen.“ Unternehmen, die personenspezifische Daten sammeln, geben hingegen auf Nachfrage häufig nur rudimentäre Informationen heraus.


4. Station: Banken – Befallen von der Datensammelwut?

Auch die Banken sammeln Daten über ihre Kundinnen und Kunden bzw. geben diese weiter. Die bekannte Schufa-Auskunft oder die Auskunft anderer Firmen wie „Creditreform“ bestimmen neben Kreditkonditionen auch, ob Kunden ein Handyvertrag verkauft wird oder nicht. Spitz empfiehlt allen Bürgerinnen und Bürgern, die kostenfreie Selbstauskunftsmöglichkeit der Schufa und anderer Anbieter zu nutzen, da bei etwa einem Drittel der bei der Schufa ausgegebenen Auskünfte fehlerhafte Informationen in der Datenbank durch die Betroffenen gefunden wurden.


5. Station: Telekommunikation- völlig überwacht?

In letzter Zeit war besonders der Telekommunikationsbereich von Skandalen betroffen. Das iPhone sammelte unbemerkt Daten über den Standort des Mobiltelefons, die Facebook-App liest fast unbemerkt das Telefonbuch des Handys aus und sendet die Daten an Facebook-Server. Weiterhin datenschutzpolitisch mehr als bedenklich: CDU/CSU und SPD, darunter auch der Berliner Innensenator Körting, fordern die Vorratsdatenspeicherung. Die Regelung zwingt Telekommunikationsunternehmen, Verkehrsdaten und Standortdaten wie Anrufer, Dauer, Standort oder Empfänger von Mails und aufgerufene Webseiten 6 Monate lang zu speichern. Wie umfangreich und aussagekräftig die gesammeltem Informationen sind, visualisiert die Animation von Zeit Online am Beispiel von Malte Spitz‘ Daten: www.zeit.de/datenschutz/malte-spitz-vorratsdaten


6. Station: Bezirksamt Mitte. Unsicherer Personalausweis?

Datenschutzpolitischer Spaziergang: Rathaus MitteDer Staat bietet mit seinem neuen Personalausweis ebenfalls Anlass zur Kritik. Dazu Malte Spitz: „Die Technik des Personalausweises ist halbwegs auf dem aktuellen Stand der Technik. Der Staat garantiert allerdings eine unrealistische 10-jährige Sicherheit.“ Im Vergleich: Banken erneuern das Sicherheitssystem für ihre Karten im Turnus von 3 bis 4 Jahren. Wollte man die Daten auf dem Personalausweis zuverlässig sichern, entstünden daraus immense Mehrkosten. Wer diese tragen müsste, ist bislang unklar. So oder so: Die Sammelwut von personenbezogenen Daten auf dem Personalausweis geht auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger.

Der Staat als Datenhändler

Auch die Meldebehörden verkaufen Meldedaten an Firmen. In Berlin belief sich das Volumen im letzten Jahr auf 1,5 Millionen Datensätze, wodurch circa 3,3 Millionen Euro eingenommen wurden. „Die Bürgerinnen und Bürger sollten der Weitergabe ihrer Daten explizit zustimmen müssen, statt nur die Möglichkeit des Widerspruchs zu haben. Diese Regelung ließe sich durch Änderung des Berliner Meldegesetz ändern“, so Silke Gebel.

Das Fazit nach dem ebenso informativen wie unterhaltsamen Spaziergang: Das Recht auf Datenschutz betrifft uns alle – und damit auch die Notwendigkeit einer besseren Datenschutzpolitik!

www.malte-spitz.de


silke-gebel.de/2011/08/datenschutz-ist-ueberall