Berlin ist anders: Aufarbeitung nach Hamburger Muster ist nicht genug!

06.01.12 –

von Marion Hasper

(Stachlige Argumente Nr. 184, Winter 2011, online) 

 Es ist erstaunlich wie schnell versucht wird, die interne Aufarbeitung des Berliner Wahlkampfes 2011 abzuhandeln. Ganz nach dem Motto: Augen zu und durch – nichts soll sich ändern. Wie das klappt? Hamburg hat es vorgemacht:
Innerparteiliche Demokratiedefizite und Niedergang der Debattenkultur warfen die Basismitglieder der GAL in Hamburg ihrer Führung vor. Bereits kurz nach dem Scheitern der Schwarz-Grünen Koalition machten sich Einzelne an die Aufarbeitung der Regierungszeit und wiesen auf gravierende Missstände in der grünen Partei hin. In der Folge gestanden die Verantwortlichen teilweise öffentlich Fehler ein, verteilten gleichzeitig die Schuldfrage auf den Schultern aller, riefen lautstark nach einem „Neuanfang“ und der Beendigung des Aufarbeitungsprozesses. Parallel traf die Basis mehrere Male zu Aussprachen zusammen. Fazit: Personelle Konsequenzen gab es kaum! Anja Hajduk, Christa Goetsch arbeiten weiter in der Fraktion, Katharina Fegebank wurde auf der Mitgliederversammlung im Oktober als Parteivorsitzende bestätigt. Abschließend beschloss man neben dem Leitantrag der Parteispitze auch einen Antrag der Kritiker. Was bleibt, sind einzelne Statements auf den Webseiten der GAL und die Hoffnung auf eine Stärkung der innerparteilichen Demokratie in der Zukunft.
So kann und wird sich nichts ändern. Der Aufarbeitungsprozess in Hamburg sollte als warnendes Beispiel für Berlin dienen. Denn auch bei uns besteht Gefahr, dass die wahren Fehlerursachen ausgeblendet werden und man rasch zur bisherigen Tagesordnung zurückkommen will. Wir müssen aufmerksam sein und uns auch wieder trauen STOP zu sagen, sonst enden wir doch noch als grüne liberale Partei.

 Verpatzter Neuanfang in der Fraktion
Die Fraktionsvorstandswahlen waren überschattet von der klaren Ansage „Die SprecherInnenposten sind nicht verhandelbar“. Und dies, obwohl Ramona Pop und Volker Ratzmann schwere strategische Fehler im Wahlkampf gemacht haben und unterstützten: Ausrichtung auf eine Koalition mit der CDU, Ausgrenzung der Mietenpolitik, Scheitern der Koalitionsverhandlungen. Unverständlich ist diese Haltung auch wegen des Zuwachses an grün-progressiven FraktionärInnen insgesamt sowie der starken Ergebnisse einzelner, direkt gewählter, Fraktionsmitglieder.
Wie in Hamburg Katharina Fegebach hat Volker Ratzmann hier gegenüber der Basis Fehler eingestanden und indirekt Nachsicht für seine Situation eingefordert. 
„…Er habe Entscheidungen getroffen. Damals empfand er sie als richtig. ...Er hätte eben Verantwortung getragen…“. Nein, das reicht nicht aus, um sich wieder überzeugend an die Spitze unserer bündnisgrünen Fraktion zu stellen. Neuausrichtung – Fehlanzeige!

Notwendige Aufarbeitung in der Partei gefährdet
Zum Start des internen Aufarbeitungsprozesses trafen sich Ende Oktober die SprecherInnen der Berliner Kreisverbände und Landesarbeitsgemeinschaften zur Wahlanalyse. Kritisiert wurden zwar eine unzureichende Basisbeteiligung und intransparente Entscheidungsstrukturen, aber hauptsächlich arbeitete man sich an der SPD und den Fehlern unserer Spitzenkandidatin Renate Künast ab. Das ist zu oberflächlich.
Mittlerweile hat der Landesvorstand öffentlich Fehler im Wahlkampf bedauert, es steht eine Diskussion mit Renate auf dem Landesauausschuss an und die Redaktion unserer Landeszeitung „Stachlige Argumente“ räumt Extraseiten für Basismeinungen zum Wahlkampf in der nächsten Printausgabe und auf der Webseite ein. Rufe nach einer Strukturdebatte werden laut und Anfang 2012 soll das Kapitel „Aufarbeitung des Abgeordnetenhaus-Wahlkampfes“ auf einer Landesdelegiertenkonferenz bereits abgeschlossen werden. Reicht das wirklich aus?
Strickmuster à la Hamburg: Wir dürfen kurz diskutierten und Luft ablassen. Aber eigentlich ist alles vorbereitet, um schnell wieder zum Tagesgeschäft überzugehen. Ohne, dass sich maßgeblich im Umgang miteinander etwas ändert.
Berlin muss besser sein: Lasst uns nicht auf Floskeln wie „Neuanfang geht nur gemeinsam“ hereinfallen, wenn keine politische Neuausrichtung und keine persönliche Konsequenzen folgen.
Eine Strukturdebatte allein greift zu kurz, denn unsere Parteigremien ermöglichen bereits jetzt breiten Raum für eine Basisbeteiligung. Es waren einzelne Personen in unserem Landesverband, die ihre Positionen genutzt haben und Wege fanden, mit denen sie die Partizipation der grünen Basis marginalisieren konnten.

Dies gilt es aufzuarbeiten, damit es uns nicht wieder passieren kann!