Bundeseigene Liegenschaften nutzen für preiswerten Wohnraum und eine lebenswerte Stadt

06.12.16 –

Unsere Stadt braucht mehr preiswerte Wohnungen. Um diese schaffen zu können, sind Liegenschaften in öffentlicher Hand zentral. Es braucht deshalb einen neuen Ansatz dafür, wie die Bundesregierung mit ihrem Berliner Bestand an Wohnungen und Flächen umgeht. Mit dem vorherrschendem Prinzip der Versteigerung von Liegenschaften aus öffentlichem Besitz an meistbietende Investor*innen hat der Bund seine Gestaltungsmöglichkeiten und seine Verantwortung für eine lebenswerte Stadtentwicklung viel zu lange aus der Hand gegeben. Wir fordern deshalb schon lange einen neuen Umgang mit Immobilien im Besitz der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA).
Es ist ein Grüner Erfolg, dass in Berlin und Bund nun ein echtes Umdenken zu erkennen ist.
Eine breite rot-grüne Mehrheit im Finanzausschuss des Bundesrats hat Anfang September dafür gesorgt, dass der Verkauf des Kreuzberger „Dragoner-Areals“ zum Höchstpreis an einen dubiosen Investor scheiterte. Ohne den Druck von uns Grünen in Bezirk, Land und Bund wäre es nicht dazu gekommen. Der Senat musste in dieser Angelegenheit erst zum Jagen getragen werden.
Der Senat und die BImA würden heute auch nicht über einen gebündelten Verkauf eines Großteils der Berliner BImA-Wohnungen an städtische Wohnungsgesellschaften verhandeln, wenn wir Grünen uns nicht auf allen Ebenen hartnäckig gegen den Höchstpreisverkauf der Wohnungen in der Schöneberger Großgörschen- und Katzlerstraße eingesetzt hätten. Es ist bitter, dass ausgerechnet die Bewohner*innen dieser Immobilie weiter den Höchstpreisverkauf ihrer Wohnungen fürchten, weil die BImA ihre Klage gegen den Bezirk Tempelhof-Schöneberg nicht zurücknimmt, der in diesem Fall sein Vorkaufsrecht wahrgenommen hat.
Am 6. September haben die Spitzen der Großen Koalition im Bund schließlich eine echte Kehrtwende in der BImA-Politik beschlossen. Kommunen und kommunalen Gesellschaften sollen künftig bundeseigene Liegenschaften schnell und verbilligt für den sozialen Wohnungsbau bereitgestellt werden. Außerdem erklären sich die Koalitionsspitzen bereit, dass der Bund den Ländern Bundesliegenschaften zur Unterbringung von Flüchtlingen sofort und mietzinsfrei zur Verfügung stellt und die Kosten für die Herrichtung übernimmt. 
Damit steht die Große Koalition im Wort. Die Wende in der Liegenschaftspolitik gehört nun in Berlin und im Bund konkret umgesetzt.

1) Bezahlbaren Wohnraum auf Bundesliegenschaften realisieren
Nach der Ankündigung des Koalitionsausschusses vom 6. September geht es nun für Berlin darum, zügig den Kauf von Frei- und Potentialflächen zu besiegeln, um darauf preiswerten Wohnraum zu bauen. Im Zuge der Verhandlungen um den Paketverkauf von bundeseigenen Wohnliegenschaften ist in Zusammenarbeit mit den Bezirken zu erörtern, auf welchen Liegenschaften Potential zur Nachverdichtung besteht, welche bezirkliche Infrastruktur (Kitas, Grünflächen etc.) eingeplant werden sollte und ob eine Änderung der Bebauungspläne nötig ist. Der Kaufpreis der Wohnungen soll dabei mittels transparenter Gutachten ermittelt werden, und zwar auf der Grundlage zeitgemäßer Ausstattungsstandards und einem auch langfristig moderaten Mietniveau. Bei der Ermittlung des Kaufpreises von Freiflächen zum Zweck des Wohnungsbaus ist zu beachten, dass darauf mindestens die Hälfte der Wohnungen im unteren Preissegment – wenn nötig mit öffentlichen Fördermitteln – entsteht.

2) Unterkünfte für Flüchtlinge in Bundesliegenschaften bereitstellen
Es ist nicht nachvollziehbar, dass von den weit über 800 Bundesliegenschaften in Berlin bisher nur vier zur Unterbringung von Flüchtlingen geeignet sein sollen und seit Oktober 2014 keine weitere Bundesliegenschaft mehr als Flüchtlingsunterkunft hinzugekommen ist. Vertreter*innen der BImA und des Senats müssen sich schnell darauf verständigen, welche Bundesliegenschaften zur Unterbringung von Flüchtlingen geeignet sind und welche Herrichtung der Liegenschaften nötig ist. Eine nochmalige Rückweisung von Hilfsangeboten gegenüber der BImA, wie durch Sozialsenator Czaja im Januar 2015, darf es nicht geben.

3) Höchstpreisverkäufe stoppen: Verkaufsmoratorium für alle BImA-Liegenschaften
Die Abstimmung im Bundesrats-Finanzausschuss um das „Dragoner-Areal“ zeigt, dass eine breite politische Mehrheit für das Ende der Höchstpreisverkäufe besteht. Wir fordern weiterhin ein Verkaufsmoratorium für BImA-Liegenschaften bis die gesetzlichen Grundlagen geändert sind. Berlin muss sich gegenüber der BImA dafür einsetzen, dass alle weiteren laufenden Verkaufsverfahren zum Höchstpreis abgebrochen werden. Dies gilt insbesondere für den Verkauf von Frei- und Potentialflächen. So lange der gesetzliche Auftrag der BImA unverändert bleibt, gilt es in Zusammenarbeit von Bezirken und Senat zu verhindern, dass das Dragoner-Areal oder andere Liegenschaften wie etwa die Stallschreiberstraße in Berlin-Mitte von der BImA am freien Markt veräußert werden.

4) Daseinsvorsorge auf Bundesliegenschaften sichern
Auch Bundesliegenschaften, die nicht zum Wohnen genutzt werden können, sind wichtig für eine lebenswerte Stadt. Der Senat soll in Zusammenarbeit mit den Bezirken entscheiden, welche Bundesliegenschaften auch für die Daseinsvorsorge und für öffentliche Zwecke benötigt werden um sie dann in den Besitz der Stadt zu übernehmen. Ein Beispiel ist hier das Columbiabad in Neukölln sowie die zahlreichen Kleingartenanlagen auf bundeseigenen Flächen.

5) Neue Liegenschaftspolitik gesetzlich verankern
Damit es nicht immer wieder zu einem nervenaufreibenden Gezerre um den Verkauf einzelner Bundesliegenschaften kommt, braucht es endlich einen neuen gesetzlichen Auftrag für die BImA. Wir fordern den Senat auf, sich im Bundesrat dafür einsetzen, dass das BImA-Gesetz bzw. die Bundeshaushaltsordnung geändert werden, damit die Ankündigung des Koalitionsgipfels nun auch zügig umgesetzt wird. Das Geschäftsgebaren der BImA darf sich nicht länger ausschließlich an den monetären Interessen des Bundes orientieren, sondern soll auch ökologisch-sozialen Zielen verpflichtet sein. Dabei ist sicherzustellen, dass Ländern und Kommunen ein Vorkaufsrecht zum Verkehrswert oder im Einzelfall auch unter Wert eingeräumt wird, wenn dabei nachweislich Interessen einer nachhaltigen Stadt- oder Regionalentwicklung verfolgt werden.