Großstadtkonferenz: Aufruf für bezahlbares Wohnen in lebenswerten Städten

31.05.13 –

 

In vielen Städten und Ballungsgebieten der Bundesrepublik ist Wohnraum in den letzten Jahren zunehmend knapp und teuer geworden. Die Zahl der Haushalte, die aus ihrem Wohnumfeld verdrängt werden, weil sie steigende Mieten und Wohnkosten nicht mehr bezahlen können, nimmt rapide zu. Mehrere Ursachen wirken hier zusammen, insbesondere die Auswirkungen der Finanz-und Eurokrise, die Renaissance der Städte, die Versäumnisse der Politik bei der Wohnungsbauförderung und die Herausforderungen des Klimawandels.

Neue Immobilienspekulation: Die Finanz- und Eurokrise hat eine große Spekulationswelle auf den großstädtischen Immobilienmärkten ausgelöst, weil globales Kapital und regionale Kleinanleger nun mehr Sicherheit und Rendite im Grundvermögen suchen. Die Folgen sind rasant ansteigende Immobilienpreise, Mieterhöhungen und Eigentums-umwandlungen. Da die deutschen Städte maßgeblich Mieterstädte sind, trifft das viele MieterInnen mit geringem und mittlerem Einkommen. Die Zahl der Haushalte, die über 40% ihres Einkommens für Wohnkosten ausgeben, hat stark zugenommen. Die spekulative Verteuerung des Wohnens erfolgt häufig ohne Investitionsleistungen oder in Form von unnötigen Luxus-modernisierungen. Dies steht in deutlichem Mißverhältnis zu den stagnierenden oder gar gesunkenen Einkommen vieler Bevölkerungsgruppen, die nun auch mit steigenden Mieten für das Versagen von Finanzmärkten und Politik einstehen müssen.

Wandel der Wohnungsnachfrage: Deutschland entwickelt sich regional sehr unterschiedlich. Viele Städte und Stadtregionen sind verstärktem Wachstumsdruck ausgesetzt. Hier steigen EinwohnerInnenzahlen und Haushaltszahlen, während ländliche Regionen und alte Industriestädte teilweise unter wirtschaftlichem Niedergang, Bevölkerungsrückgang und Leerstand leiden. Das Wohnen in der Stadt findet immer mehr Zuspruch, auch wenn das Leitbild vom Eigenheim im Grünen noch vorherrschend ist. Viele jüngere Menschen suchen urbanes Wohnen, um Familie, Beruf und Erholung flexibel in Einklang zu bringen. Zu Recht ist von einer „Renaissance der Innenstädte“ die Rede. Mit dem demografischen Wandel steigen aber auch die Zahl der kinderlosen Haushalte und das Bedürfnis, möglichst lange in der eigenen Wohnung zu leben. Der allgemeine Wohnflächenverbrauch nimmt ebenfalls zu. So gehen positive Aspekte, wie die Belebung der Innenstädte und weniger Zersiedlung, mit problematischen Entwicklungen wie der Verknappung von städtischem Wohnraum einher.

Abbau sozialer Wohnungsangebote: Ein Großteil der Sozialwohnungen hat in den letzten Jahren Miet- und Belegungsbindungen verloren. Der Bau neuer sozial gebundener Wohnungen ist in den meisten Bundesländern zum Erliegen gekommen. Obendrein haben Bund, Länder und einzelne Kommunen in großem Umfang öffentliche Wohnungsbestände privatisiert. So wurden und werden viele vormals preiswerte Bestände verteuert, während die Zahl der
Haushalte mit niedrigem und ungesichertem Einkommen gestiegen ist. Was damals angesichts leerer kommunaler Kassen und entspannter Teilmärkte als opportuner Schritt erschien, stellt sich heute als ein gravierender Fehler dar: Die Möglichkeiten von Staat und Politik, steuernd in die Entwicklung des Wohnungsmarkts einzugreifen, sind dadurch entscheidend geschwächt worden.

Geringe und einseitig ausgerichtete Wohnungsbautätigkeit: Nach der Vereinigung erreichte die Wohnungsbautätigkeit 1995 ihren Höhepunkt mit 600 000 Neubauwohnungen. Danach sank die Bautätigkeit in Ost und West kontinuierlich ab auf ca. 160 000 Wohnungen im Jahr 2010 und steigt aktuell wieder auf über 200 000 Wohnungen pro Jahr. Der Schwerpunkt liegt mit leicht sinkender Tendenz im Eigenheimbau. In den großen Städten dominiert aktuell der Bau von Luxuswohnungen. Was fehlt, sind bezahlbare Wohnungen in Mehrfamilienhäusern zur Miete. Dafür muss sich die Politik in neuer Weise stark machen.

Energetische Gebäudemodernisierung: Die Ertüchtigung der Gebäude und Wohnungen für Energieeffizienz und Barrierefreiheit ist die zentrale Aufgabe, die es in den kommenden Jahren zu meistern gilt. Dies kann nur gelingen, wenn diese Maßnahmen sozial verträglich gestaltet werden. Zwar belastet auch die Umlage der energetischen und der alters-gerechten Gebäudemodernisierung oft die Wohnkosten und verringert preiswerte Wohnungsbestände - vor allem weil sie häufig mit weiteren wertsteigernden Investitionen verbunden wird. Aber durch die rapide steigenden Heizkosten erhöht sich der Druck, energetisch zu sanieren. Energiesparmaßnahmen rechnen sich auch schneller, im Gegensatz zu Maßnahmen, die ausschließlich der Wertsteigerung der Immobilie dienen. Gerade weil es so wichtig ist, die Investitionspotenziale auf die Zukunftsfestigkeit unserer Wohnungen und Gebäude zu konzentrieren, müssen leistungslose und unnötige Wohnkosten-steigerungen bekämpft werden.

Was ist zu tun?

Einfache Antworten werden weder der Frage nach bezahlbarem Wohnraum noch den Sorgen um Klimaschutz und Heizkosten gerecht. Der Wohnungsneubau hat einen nur verschwindend geringen Anteil am Wohnungsmarkt. Mehr sozial
verträglicher Neubau ist notwendig, entscheidend aber bleiben die Qualität und die Wohnkosten im Bestand. Darum kommen dem Mietrecht und der Förderung der energetischen Bestandserneuerung die Schlüsselrollen für die Sicherung bezahlbaren Wohnens zu.

Unser Leitbild für eine zukunftsfähige Wohnversorgung ist gutes und bezahlbares Wohnen in lebenswerten Städten, Siedlungen und Dörfern. Dies gilt für das Wohnen zur Miete ebenso wie für Wohneigentum und Eigenheim. In den kommenden Jahren geht es vor allem darum, Gebäude und Wohnungen an die Anforderungen des demografischen Wandels und des Klimaschutzes anzupassen. Gute Wohnungspolitik muss daher vor allem drei Ziele verfolgen: eine
Reform des Mietrechts, um MieterInnen vor der spekulativen Verteuerung von Wohnraum zu schützen, eine Politik der sozialverträglichen und energetischen Bestandserneuerung, ebenso wie eine kreative Baupolitik für neue bezahlbare Wohn- und Lebensbedürfnisse.

Den ganzen Aufruf für bezahlbares Wohnen in lebenswerten Städten mit allen unseren Vorschläge für konkrete Maßnahmen sowie alle Unterzeichnerinnen und Unterzeichner des Bündnisses findet ihr hier: