Interview: Bürgermeister Franz Schulz über steigende Mieten

14.07.11 –

Der grüne Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg spricht mit gruene-berlin.de über sein Engagement für bezahlbaren Wohnraum und eine sozialere Mietenpolitik - und einen unbeantworteten Brief an den rot-roten Senat.


gruene-berlin.de: Der Amtierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hat die steigenden Mieten in Berlin als ein positives Zeichen für die Stadt gewertet. Was hast Du gegen steigende Mieten?

Franz Schulz: Das ist ein völlig verquerer Blick auf die Sorgen immer mehr Berlinerinnen und Berliner. Weil die Mieten immer mehr steigen, haben auch immer mehr zu Recht Angst, sich ihre Wohnung in der vertrauten Nachbarschaft nicht mehr leisten zu können. Und das nicht nur in den direkten Innenstadtkiezen.

gruene-berlin.de:  Wie ist die Situation inzwischen?

Franz Schulz: Dem Berliner Mieterverein zufolge kommt es hier zu Mietsprüngen von 50 Prozent und mehr bei Neuvermietungen. Schätzungen privater Immobilienfirmen gehen davon aus, dass sich in den nächsten zehn Jahren die Mieten in Friedrichshain-Kreuzberg verdoppeln werden. Laut immmobilienscout.de sind die Mieten in Kreuzberg in den vergangenen drei Jahren um durchschnittlich 16 Prozent, in Friedrichshain sogar um mehr als 18 Prozent gestiegen. Die Folge: Bezahlbarer Wohnraum wird im Bezirk immer knapper. In manchen Kiezen können sich nur noch Einkommensstarke einen Zuzug oder Umzug leisten, Haushalte mit geringerem Einkommen suchen in Regel vergeblich oder werden als Alteingesessene verdrängt.

gruene-berlin.de: Was hast Du gegen steigende Mieten unternommen?

Franz Schulz: Bereits im Jahr 2008 habe ich mich mit einem Hilferuf an den Regierenden Bürgermeister und den rot-roten Senat gewandt. In dem Offenen Brief habe ich den Zusammenhang von steigenden Mieten und sozialer Verdrängung beschrieben und eine Reihe von Maßnahmen gegen steigende Mieten vorgeschlagen.

gruene-berlin.de: Wie war die Reaktion vom Wowereit?

Franz Schulz: Der Brief blieb unbeantwortet. Das Schlimme ist: Der rot-rote Senat sieht dieser alarmierenden Entwicklung seit Jahren weitgehend tatenlos zu. Dabei ist eine soziale Mietenpolitik gar nicht so schwer, wie die Forderungen und Konzepte der Grünen zeigen.

gruene-berlin.de: Wie kann man dagegen vorgehen?

Franz Schulz: Berlin braucht eine neue, sozialere Mietenpolitik als politischen Grundkonsens. Wohnen ist aus grüner Sicht ein Menschenrecht und darf deshalb kein Gegenstand von Spekulation und Gewinnmaximierung sein. Berlin mit seinen vielen Wohnungen des Sozialen Wohnungsbaus braucht wieder eine Ausrichtung, die seinem Namen gerecht wird. Der angespannte Wohnungsmarkt muss anerkannt werden; durch eine sogenannte Zweckentfremdungsverbotsverordnung [Verbot, Wohnraum in Geschäftsräume umzuwandeln, Anm. d. Red.] muss konsequent verhindert werden, dass bezahlbare Wohnungen aus dem Wohnungsmarkt verschwinden. Außerdem müssen spekulative Vermarktungsmodelle bei Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen unterbunden werden. Diese Beispiele zeigen: In Berlin kann eine Politik gemacht werden, die sozialer Segregation und Verdrängung aktiv entgegenwirkt, den Zerfall in „arme“ und „reiche“ Bezirke verhindert und bezahlbaren Wohnraum für alle Einkommensgruppen in allen Teilen der Stadt zum Ziel hat. Auch diese Frage steht am 18. September zur Wahl.

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Franz SchulzÜber Franz Schulz:
Der 62-Jährige ist seit 2006 Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, dem einzigen der zwölf Berliner Bezirke mit grünem Bürgermeister. Zugleich ist Friedrichshain-Kreuzberg mit seinen gut 270.000 Einwohnern die größte „Stadt“ der Bundesrepublik, die eine grüne Verwaltungsspitze hat. Schulz ist promovierter Physiker und war bereits von 1996 bis 2000 Bürgermeister des damals eigenständigen Bezirks Kreuzberg. Danach war er bis 2006 Baustadtrat im Fusionsbezirk.