Neues ermöglichen! - 10 Eckpunkte einer aktiven Innovationspolitik für Berlin

15.09.11 –

Von Renate Künast und Volker Ratzmann

Berlin ist in Bewegung, es pulsiert in der Stadt. Dieses Klima der Kreativität ist willkommen und längst ein Markenzeichen des neuen Berlins. Wer genau hinsieht, wird jedoch schnell feststellen, dass die Ursachen dafür eher jenseits der politischen Entscheidungen liegen. Berlin hat keine politische Innovationsstrategie. Der Senat zehrt vielmehr von der einzigartigen Attraktivität, die Berlin nach dem Fall der Mauer ausstrahlen konnte. Heute sehen wir, dass das im internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe und Ideen nicht mehr reichen wird.

Berlin muss an Wirtschaftskraft und Wachstum gewinnen. Dazu braucht Berlin neue politische Impulse, die einer zielgerichteten Innovationsstrategie folgen. Denn eines ist klar: Nicht die alten industriellen Kerne sind Motoren von Innovation, sondern Städte, die zum Labor ihrer eigenen Zukunft werden. Die Zukunft der Menschheit entscheidet sich in der Stadt und das ist Berlins Chance. Mit der Wendung zu modernen Industrien, hochinnovativen Produkten und hochqualifizierten Belegschaften gelingt es, in den Metropolen insgesamt günstigere Situationen herbeizuführen. Industriemetropolen mit innovativen Branchen eröffnen auf der Grundlage hoher Wertschöpfungen auch den Weg zu höheren Pro-Kopf-Einkommen für alle.

Grüne Innovationspolitik setzt an den Stärken unserer Stadt und dem Lebensgefühl der Berlinerinnen und Berliner an, statt eine weitere wirkungslose Leitbilddebatte zu beginnen. „Berlin ermöglicht!“ Mit diesem Leitbild wollen wir einen Innovationsschub in unserer Stadt auslösen. Wir setzen auf eine Politik der Ermöglichung.

Zu häufig scheitern gute Ideen in Berlin an einer fehlenden politischen Begleitung. Zu häufig wird die Motivation einzelner Akteure in unklaren Zuständigkeiten,  Doppelstrukturen und fehlendem Gestaltungswillen erstickt. Die Kreativität, die in der Stadt steckt, findet keinen Gegenüber und keinen Partner in der politischen Begleitung und Umsetzung. Ideen können scheitern. Ein Scheitern aus mangelnder Unterstützung und Umsetzungskompetenz kann sich Berlin jedoch nicht leisten.

Grüne Innovationspolitik versteht sich als Bekenntnis zur Veränderung in der Metropolregion Berlin. Wir wollen die bisherige rot-rote Politik des Gewährens verlassen und durch eine Politik der Umsetzung ersetzen. Wir wollen verbinden, was Innovation ergibt: die oftmals noch getrennten Welten der akademischen Forschung, Entwicklung und der Produktion. Innovation zum Nutzen aller entsteht, wenn wir Tüftler, Wissenschaftler, Schlips & Kragen und den Blaumann miteinander verbinden. Diese Grenzüberschreitung hat das Zeug zu einer neuen Berliner Mischung der Innovation! Wir bauen hierfür neue Begegnungsräume.

Thematisch setzen Bündnis 90/Die Grünen auf Schwerpunkte, die an die Stärken und Traditionen der Stadt ansetzen: die Kreativwirtschaft, den Gesundheitssektor sowie die Bereiche der Energie und der Mobilität.

Diese Schwerpunkte werden mit konkreten Projekten unterlegt. Der Beliebigkeit der vergangenen Jahre, setzen wir 10 Eckpunkte einer aktiven Innovationspolitik entgegen.

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INNOVATION ANSIEDELN UND ZEIGEN

1. Berlin hat als Möglichkeitsraum eine hohe Anziehungskraft, für Menschen die Spuren hinterlassen wollen. Wir wollen an die Tradition der Stadt anknüpfen und sie zur  „Neuen Gründungsstadt“ machen. Mit einer aktiven Einladung zur Ansiedlung und Begleitung von Gründungsentscheidungen und –prozessen. Jeder Gründungswillige soll eine konkrete Anlaufstelle vorfinden, damit Gründergeist nicht in Unübersichtlichkeiten, akademischen Hierarchien oder bürokratischen Formen erstickt wird.

2. Vormachen zählt! Innovationspolitik führt sich selbst vor und macht Berlin zum Schaufenster der eigenen Kreativität und Ideenvielfalt. Pilotprojekte müssen aktiv in der Stadt vorgeführt und gezeigt werden. Die öffentliche Verwaltung und die landeseigenen Betriebe haben hier eine besondere Verantwortung und sollen künftig die Patenschaften über thematisch gebündelte Themen übernehmen. Damit wird die Glaubwürdigkeit der Senatspolitik sichtbar und überprüfbar und wer glaubwürdig ist, kann begeistern und überzeugen.

3. Mit Tegel und Tempelhof stehen unserer Stadt beispiellose Entwicklungsmöglichkeiten offen. Um sie zu nutzen, bedarf es einer Ausrichtung auf die Zukunftsfelder städtischer Entwicklungen. Mit Entwicklungsgesellschaften, die im Rahmen klarer politischer Vorgaben, mit Entscheidungskompetenz und Gestaltungsspielräumen ausgestattet sind. Gleichzeitig werden vorhandene Entwicklungsräume wie Adlershof, Buch oder der EUREF Campus nicht hinreichend in einen Gesamtentwicklungsplan eingebettet. Die Experimentiergebiete für die Stadt von Morgen bleiben damit verschattet. Wir wollen sie beleben und ihnen das Licht geben, das ihnen gebührt. Die bisherigen Einrichtungen der Ansiedlungs- und Innovationspolitik müssen daher hinsichtlich ihrer bisherigen Wirksamkeit und der zukünftigen Einsetzbarkeit überprüft werden.

   
POLITIK UND VERWALTUNG

4.    Die Richtlinienkompetenz des Regierenden Bürgermeisters liegt seit deren Verankerung in der Verfassung brach. „Innovation“ gehört als Aufgabe ins Rote Rathaus! Nur so kann die notwendige Durchschlagskraft und Verbindlichkeit hergestellt werden.

Innovationspolitik benötigt eine klare personelle Zuständigkeit und gleichzeitig eine breite Verankerung in einem „Forum für Gründung und Innovation“. Darüber hinaus wollen wir die Senatszuschnitte entsprechend modifizieren. Insbesondere durch die Bündelung von Wirtschaft, Wissenschaft und Technologie kann die Umsetzungsfähigkeit einer aktiven Innovationspolitik zusätzlich erhöht werden.


5.    Grundpfeiler der neuen Innovationspolitik ist die Verwaltung unserer Stadt, wir setzen auf ihre Motivation und ihren Willen, die Stadt zu bewegen. Innovation und moderne Verwaltung gehören zusammen. Die Berliner Verwaltung verfügt über große Potenziale, die mit einem „Ermöglichungsprogramm“ nutzbar gemacht werden müssen: vom „Verwalter“ zum „Ermöglicher“. Die Verwaltung darf nicht länger auf ihren Pflichtaufgaben beschränkt bleiben, sondern ist aktiv in einen Prozess der Kreativität einzubeziehen. Innovationspolitik entwickelt die Verwaltung zu einem Dienstleistungskompetenzbetrieb für Investoren und Gründungswillige. Über das „Forum für Gründung und Innovation“ soll jedes aussichtsreiche Projekt eine „One-Stop-Agency“ erhalten, die eine verantwortungsbewusste Unterstützung aus einer Hand ermöglicht. „Wir machen Ihre Ideen möglich“, das wollen wir zur Botschaft der Berliner Verwaltung machen.


6.    Innovationen und Gründungen brauchen gerade in der Anfangszeit prominente Unterstützung. Mit einer Innovationspolitik, die sich sehen lassen will, benennt der Senat konkrete Ansprechpartner. Gesichter der Innovation, die transparent arbeiten und gleichzeitig einen schnellen Zugang zur Politik bzw. zum Verwaltungshandeln gewährleisten. Für die definierten Schwerpunkte wollen wir themenübergreifende Projektteams einrichten. Diese sollen den gesamten Prozess möglicher Ansiedlungsvorhaben begleiten und zum Erfolg führen.


7.    Mit dem Format „Pakt zum entwickeln und mitmachen“ wollen wir in und mit unserer Stadt einen neuen Weg beschreiten.  Die Bürger- und Zivilgesellschaft soll dabei frühzeitig in neue Zukunftsfelder eingebunden und an der Entwicklung von Lösungen beteiligt werden.


8.    Der Feind jedweder Innovation ist die Gewöhnung und das Verharren in ausgetretenen Pfaden. Um dem zu begegnen wollen wir ein interdisziplinären Innovations- und Gründungsrat einrichten, der die angestoßenen Prozesse kritisch begleitet und Vorschläge zur Neujustierung macht.


KAPITAL MOBILISIEREN


9.    Innovation braucht Geld. Der Senat muss zukünftig mehr als bisher auch privates Kapital einwerben. Der Möglichkeitsraum der Stadt, die Welt von Morgen maßstabsgerecht sichtbar und erlebbar zu gestalten,  wird eine hohe Attraktivität entwickeln. Gerade, wenn dies zum Vorhaben des neuen Senats wird und mit führenden politischen Köpfen verbunden wird. Diese Attraktivität Berlin wollen wir zu Geld machen. Wir setzen darauf, dass kompetente, international sichtbare Persönlichkeiten in unsere Stadt investieren werden, wenn wir ihnen die Wege öffnen und ihre Vorhaben als offizielle Senatslinie begleiten und unterstützen.


10.    Die Verfügbaren öffentlichen Mittel müssen neu gebündelt und entsprechend der Konzentration auf den Innovations- und Gründungschwerpunkt ausgerichtet werden. Die Investitionsbank Berlin (IBB) soll hierzu einen landesweiten Risikofonds einrichten.