Offener Brief der Landesvorsitzenden an die Mitglieder

28.09.11 –

Liebe Freundinnen und Freunde,

gestern hat unser Landesvorstand einstimmig beschlossen, unserer Partei die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Berliner SPD zu empfehlen. Der SPD-Landesvorstand hat sich seinerseits mit übergroßer Mehrheit für Koalitionsverhandlungen mit uns ausgesprochen. Wenn unser Parteitag am Freitag diesem Votum des Landesvorstands und unserer Sondierungsgruppe folgt, ist eine rot-grüne Koalition einen großen Schritt näher gerückt.  

Zum Antrag der LDK: http://gruene-berlin.de/sites/gruene-berlin.de/files/gemeinsam/LDK/ldk_20110930_k1.pdf

Wir sehen darin eine große Chance darauf, Berlin endlich ökologisch und sozial zu gestalten und eine Kultur der Beteiligung und Transparenz in dieser Stadt zu etablieren. Die Sondierungen mit der SPD haben gezeigt, dass es möglich ist, gemeinsam den überfälligen Aufbruch hinzubekommen. Sie haben auch gezeigt, dass sich zwei Partner auf Augenhöhe begegnen, die es ernst miteinander meinen. Deshalb wurden in den Sondierungen auch die schwierigen Fragen nicht ausgespart, sondern mit aller Härte im Detail besprochen.

Dazu  gehört vor allem ein möglicher Weiterbau der A 100. Denn beide Seiten haben sich vor der Wahl festgelegt. Der Regierende Bürgermeister hat sich deutlich für den Weiterbau und die damit verbundenen Investitionen in Berlins Infrastruktur ausgesprochen. Wir hingegen haben deutlich gemacht, dass wir keinem Koalitionsvertrag zustimmen werden, der den Weiterbau der A100 festschreibt. Wir haben letztlich einen Kompromiss errungen, der die Kernanliegen beider Partner berücksichtigt und eine neue Option schaffen wird.

Sollte es zu einer Regierung aus SPD und uns kommen, gäbe es eine Kehrtwende in der A 100-Politik des Senats: Das neue vorrangige Ziel wäre es, die Bundesmittel für den Weiterbau der A 100 umzuwidmen für andere Infrastrukturprojekte. Denn um die Sicherung dieser Gelder geht es der SPD in erster Linie. Wir haben uns darauf verständigt, dass wir uns dafür gemeinsam aktiv und ernsthaft einsetzen werden.

Damit ist der Weiterbau noch nicht endgültig vom Tisch. Er ist aber faktisch auf Eis gelegt und das eröffnet die Chance für uns, mögliche Bundesgelder für sinnvolle Autobahn-Erhaltungs- und -Lärmschutzmaßnahmen zu verbauen anstatt für die A 100. – In den vergangenen Jahren hat Berlin diesen Erhalt sträflich vernachlässigt. Das Ergebnis ist ein marodes Straßennetz, das dringend saniert gehört. Die Bundesmittel für den Neubau von Autobahnen sind deckungsfähig mit den Bundesmitteln für Erhalt, Sanierung und Lärmschutz. – Vorausgesetzt, es gibt überhaupt Erhaltungsmaßnahmen, die angemeldet sind. Deshalb müssen wir als erstes eine Reihe dringender Erhaltungs- und Sanierungsmaßnahmen baureif machen und anmelden. Darin liegt unsere Chance.

Zwar ist der 16. Bauabschnitt der A 100 im Investitionsrahmenplan des Bundesverkehrsministeriums angemeldet. Gelder sind dafür aber noch keine bereitgestellt, und angesichts einer dramatischen Finanzierungslücke hat der Bundesverkehrsminister längst selbst die Devise ausgegeben: Erhalt vor Neubau. Darauf setzen wir und dafür werden wir uns anstrengen.

Soweit zum Inhalt des Kompromisses, den wir mit der SPD vereinbart haben. Was wir NICHT vereinbart haben und auch nicht unterschreiben werden, ist eine Forderung, die die SPD gestern in die Welt gesetzt hat: Falls eine Umwidmung der Bundesmittel nicht möglich sei, würden wir dem Weiterbau der A 100 zustimmen. 

Die A 100 ist zwar im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit, sie ist aber nur eines der vielen Politikfelder, über die wir gesprochen haben. Wir sehen nach den Sondierungen konkrete Möglichkeiten, grüne Kernanliegen gemeinsam mit der SPD zu verwirklcihen -  von der  Bildungspolitik über die Integration oder die Wirtschaftspolitik bis zur Klima- und Verkehrspolitik.

 In den Kitas und Schulen entscheidet sich die soziale Frage des 21. Jahrhunderts. Gemeinsam können wir Vertrauen in die Schulen zurückgewinnen und sie zu den Lernorten machen, auf die unsere Kinder und Jugendlichen einen Anspruch haben, den Ganztagsbetrieb ausbauen, diejenigen Schulen gezielt stärken, die es am meisten brauchen, und die Reformen so umsetzen, dass sie erfolgreich sind.

Wir wollen Mietsteigerungen begrenzen sowie bezahlbaren Wohnraum in der ganzen Stadt erhalten bzw. neu schaffen, mit den  Wohnungsbaugesellschaften und allen anderen Akteuren für dieses Ziel arbeiten und daran auch Berlins Liegenschaftspolitik neu ausrichten.

Unser Klimastadtwerk kann zu einem Modellprojekt für die ökologisch-soziale Modernisierung von Berlins öffentlichem Gebäudebestand werden. Gekoppelt mit einem Klimaschutzgesetz, das ökologischen und sozialen Zielen verpflichtet ist, können wir in Berlin zeigen, wie Klimaschutz, die Anliegen von Mieterinnen und Mietern und eine zukunftsweisende Investitions- und Wirtschaftspolitik in Großstädten zusammengehen können.

Es besteht die Chance, Berlin ökologischer und sozialer zu machen. Und dafür sind wir bei der Wahl angetreten.

Herzliche Grüße,

Bettina und Daniel
Landesvorsitzende