Pädagog*innen entlasten, damit sie pädagogisch arbeiten können

15.05.18 –

Von Manuel Honisch

Nicht nur zahlreiche Schulgebäude stehen buchstäblich vor dem Einsturz. Auch viele Pädagog*innen steuern zielstrebig auf den Burnout zu. Unter diesen Bedingungen kann es mit der Qualität an den Berliner Schulen nur bergab gehen. Personal- und Raummangel werden sich nicht bald beheben lassen, zu schwer wiegen hier die Versäumnisse der vorigen Senate. Aber an einigen Stellen könnte r2g Maßnahmen ergreifen, die relativ schnell zu einer Entlastung von Lehrkräften und Erzieher*innen führen und zu einer Qualitätsverbesserung in Unterricht und ergänzender Förderung.

Viele Pädagog*innen verbringen mehr Zeit mit Schreibkram und Bürokratie als mit pädagogischer Arbeit. Die Krönung derzeit ist das mit der zynischen Abkürzung „SchiC“ versehene Schulinterne Curriculum, das zusätzlich zur alltäglichen Arbeit anzufertigen ist. Hier wäre weniger mehr. Eine bessere Grundausstattung (statt tausend Anträgen für „zusätzliche“ Ressourcen) und mehr Verwaltungspersonal an den Schulen würden weiterhelfen. Hilfreich wären auch funktionierende Computer in jedem Personalraum.

Die Schulen benötigen mehr Sozialarbeiter*innen, Schulpsychologie und Jugendämter sind wichtige Unterstützungssysteme und müssen besser ausgestattet werden. Die Arbeitsplätze Jugendamt und Schule sollten für Sozialpädagog*innen durch eine wesentlich bessere Bezahlung attraktiver gemacht werden. Aktuell werden viele Schulsozialarbeiter*innen über das sogenannte „Вonusprogramm“ für „Вrennpunktschulen“ finanziert. Sie haben also nur befristete Arbeitsverträge. Es bedarf einer Regelfinanzierung, die Sicherheit für die Beschäftigten und für die Schulen schafft. Ebenso benötigen die Schulen mehr Schulhelfer*innen.

Manch ein Pädagoge nimmt morgens den Putzlappen in die Hand. Die Schulreinigung wurde in neoliberaler Manier outgesourct. Verträge werden an jene Reinigungsfirmen vergeben, die den niedrigsten Preis anbieten. Bezahlung und Arbeitsbedingungen der Reinigungskräfte kann man sich gut vorstellen. Ergebnis des Putzens im Akkord sind dreckige Schulen, die das subjektive Gefühl der Belastung für Schüler*innen und Pädagog*innen noch steigern. Warum werden Reinigungskräfte nicht unter anständigen Bedingungen vom Staat angestellt? Und warum werden nicht viel mehr Hausmeisterstellen an Schulen geschaffen?

Der beste Weg, um Lehrkräfte zu entlasten und ihnen Zeit zu geben für guten Unterricht, ist eine Kürzung der Pflichtstundenzahl. Studien haben gezeigt, dass Lehrkräfte in Vollzeit bis zu sechzig Stunden in der Woche arbeiten. Das wird auch durch die Ferien rechnerisch nicht ausgeglichen. Hochwertiger Unterricht ist so kaum möglich und der Weg in den Burnout vorgezeichnet. Aufgrund des Lehrkräftemangels ist eine Arbeitszeitverkürzung im Moment schwer machbar. Aber der Senat sollte Verhandlungen mit der Bildungsgewerkschaft aufnehmen, um eine mittelfristige Entlastung zu vereinbaren. Das könnte zum Beispiel durch Arbeitszeitkonten geregelt werden. Langfristig brauchen alle Schulen eine Personalausstattung von 110 Prozent des rechnerischen Bedarfs, damit nicht jede Erkrankung ein tiefes Loch reißt.

Kurzfristig muss Pädagog*innen das Gefühl vermittelt werden, dass ihre Arbeit wertgeschätzt wird. Diese Wertschätzung kann sich auch in Geld ausdrücken. Die gleiche Bezahlung von Lehrkräften an allen Schulformen ab August 2019 ist ein Meilenstein. Schnell muss eine Zulagen- oder Entlastungsregelung für Lehrkräfte und Erzieher*innen an „Brennpunktschulen“ gefunden werden. Und besonders Erzieher*innen müssen deutlich besser bezahlt werden. Nicht nur, weil sie in Brandenburg mehrere hundert Euro mehr verdienen als in Berlin. Sondern weil es nicht vermittelbar ist, dass ein Erzieher nur halb so viel verdienen soll wie eine Grundschullehrerin.

Manuel Honisch ist Lehrer an einer Grundschule im Wedding, Personalrat und Mitglied des Landesvorstandes der GEW. Er ist Mitglied von Bündnis 90/ Die Grünen und aktiv im Netzwerk GewerkschaftsGrün.

 

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