Protokoll der Sitzung vom 14. März 2011

28.03.11 –

Protokoll der Sitzung der LAG Frieden und Internationales vom 14.03.2011


Protokoll der Sitzung der LAG Frieden und Internationales vom 14.03.2011
 
Anwesende: 16
Protokoll: Imke


Tagesordnungspunkte:
I. Formalia
II. Demokratiebewegungen im arabischen Raum
III. Vorstellung der Pläne des “Wahlkampteams” von Cornelius Huppertz
IV. Bericht von der LDK
V. Verschiedenes
 
I. Formalia
- Annahme des letzten Protokolls, da keine Einsprüche erhoben werden.
- Elvira Pichler wird aufgrund einer Terminüberschneidung erst zur Sitzung am 28.03.11 kommen, um sich vorzustellen und über die Möglichkeiten internationaler Kulturpolitik in Berlin zu sprechen.
- David berichtet, dass im Landesverband Interesse besteht, dass die LAG Frieden und Internationales sich mit der Katastrophe in Japan zu beschäftigen. Dazu soll evtl. eine Telefonkonferenz stattfinden. Zudem wird das Thema Japan in einer der nächsten Sitzungen aufgegriffen.


II. Vorträge und Diskussion mit Kristian Brakel zum Thema „Hintergründe und Entwicklung der ägyptischen Demokratiebewegung” sowie mit Annette Heppel zum Thema „Muslimbruderschaft“
Kristian hält einen Vortrag zum Thema „Hintergründe und Entwicklung der ägyptischen Demokratiebewegung“, basierend auf seinen persönlichen Erfahrungen, die über längere Zeit in Kairo gesammelt hat. Wichtige Punkte im Vortrag waren:
- Entstehung erster Protestbewegungen, im Zusammenhang der Wahlen 2005.
- Verschärfung der Situation in 2008, Arbeiterstreiks in Mahallah al-Kubra
- Gründung der „Jugend des 6. Aprils“, Aufruf zum Generalstreik in Solidarität mit Arbeiter
- Immer wieder kommt es zu Protesten, u.a. ausgelöst  durch bekannt werdende Folterungen, bekanntester Fall von Khaled Said in Alexandria.
- Weitere Gründe der Protestbewegung: Verstärkung der sozialen Ungleichheit à wirtschaftliche Liberalisierung, Rücknahme von Liberalisierungstendenzen, massive Wahlfälschung, Nachfolgeregelung Mubaraks
- Häufig gebildete Jugend in „Waithood“, für die kein Rückzug ins Private möglich ist, da zum Beispiel Heiraten kostspielig ist

- Verschiedenen Bewegungen haben sich zu den Demonstrationen zusammengefunden, sehr gut organisiert und vorbereitet u.a. durch Taktiken der serbischen Oppositionsbewegung OTPOR und den Lehren Gene Sharps: www.bbc.co.uk/news/world-middle-east-12522848; Auszüge aus dem englischsprachigen Handbuch: www.canvasopedia.org/legacy/content/weaponry/knowledge.htm;  einige der ÄGY Handzettel auf Arabisch und Englisch: www.theatlantic.com/international/archive/2011/01/egyptian-activists-action-plan-translated/70388/ )


 
 
Anschließend hält Annette einen Vortrag zum Thema „Muslimbruderschaft“.  Sie geht hierbei auf folgende Punkte ein:
·    Islamische Gruppierungen, sind in vielen arabischen Ländern oft die einzige organisierte Opposition, da sämtliche Versuche von säkular oder liberal orientierten Bewegungen, neue Parteien zu gründen, von den jeweiligen Herrschern verhindert wurden. Bei religiös orientierten Bewegungen war jedoch die Gefahr von Protesten aufgrund der gesellschaftlichen Bedeutung des Islam zu groß.
·    Die Muslimbruderschaft wurde 1928 durch Hasan al-Bannâ als Arbeiter- und Jugendorganisation gegründet, die islamische Moralvorstellungen verbreiten und wohltätige Aktivitäten unterstützen sollte, und gehört zu den ältesten islamischen Organisationen im Nahen Osten mit Ablegern in vielen Ländern (z.B. in Syrien, Jordanien, Saudi-Arabien sowie die Hamas in Palästina)
·    Laut Programm streben die Muslimbrüder durch die Wiederherstellung einer islamischen Ordnung im Staat die Errichtung eines islamischen Großreiches an. Vorraussetzung dafür ist zunächst eine umfassende moralische Reform der Gesellschaft.
·    Einer ihrer wichtigsten Vordenker war Sayyid Qutb, der auch Gewalt zur Erreichung dieses Ziels für zulässig hielt: Da sich auch muslimische Gesellschaften im Zustand der jâhilîya (vorislamische Zeit der absoluten Unwissenheit und Ignoranz) befinden könnten, dürften ‚aufrichtige Muslime’ in diesem Fall die Herrscher auch mit Gewalt stürzen, um eine islamische Gesellschaftsordnung zu errichten.
·    Bis 1938 erfolgte der Umbau in eine politische Gruppierung mit streng hierarchischen Strukturen und die Gründung von eigenen Moscheen, Firmen, Fabriken, Schulen und Krankenhäusern. Die Bruderschaft baute auch ihren Einfluss in Armee und Gewerkschaften aus und bildete damit bald einen ‚Staat im Staat’.
·    Mit der Zeit kam es zu immer größeren ideologischen Spannungen mit der Regierung und nach einigen Attentaten erfolgte 1948 das erste Verbot der Bewegung. 1949 wurde al-Bannâ ermordet.
·    Nach der Machtübernahme der Freien Offiziere 1952 verbesserte sich die Situation für die Bruderschaft nur kurzfristig. Sie wurde Anfang 1954 erneut verboten und nach einem Attentatsversuch auf Staatspräsident an-Nâsir Ende dieses Jahres nahezu völlig zerschlagen.
·    Unter as-Sâdât erfolgte ab 1971 eine innen- und außenpolitische Neuorientierung mit einer verstärkten Hinwendung zum Islam und eine Amnestie für fast alle inhaftierten Muslimbrüder.
·    Obwohl die Ermordung von as-Sâdât im Oktober 1981 zunächst der Bruderschaft zugeschrieben wird, entlässt dessen Nachfolger Mubârak ab 1982 einen Großteil der gemäßigten Muslimbrüder, die sich daraufhin öffentlich von den radikalen Lehren von Sayyid Qutb und damit von der Anwendung von Gewalt zur Erreichung politischer Ziele distanzieren.
·    Zunächst hatten die Muslimbrüder unter Mubârak weitgehende Freiheiten, das Verhältnis verschlechterte sich jedoch Anfang der 1990er Jahre wieder. Seitdem kam es immer wieder zu Verhaftungswellen, insbesondere vor Wahlen und nach größeren Protesten.
·    Offiziell ist die Muslimbruderschaft zwar bis heute verboten, zählt aber trotzdem zu den einflussreichsten politischen Bewegungen im Land. Ihre formal unabhängigen Bewerber bildeten mit rund einem Fünftel der Sitze die größte Oppositionsgruppe im letzten Parlament. Vor den letzen Wahlen vertraten sie explizit die Prinzipien von Demokratie und Pluralismus.
·    Durch die von ihr betriebenen sozialen und karitativen Einrichtungen sowie durch die Schaffung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen konnte die Organisation vor allem in den unteren Schichten der Bevölkerung große Unterstützung gewinnen.
·    In der Führung der Organisation herrscht kein einheitlicher ideologischer Kurs. Es gibt drei Fraktionen: konservative Dogmatiker, konservative Pragmatiker und Reformer. Es ist momentan nur schwer zu sagen, welche sich auf lange Sicht durchsetzen werden.
·    Bei der Demokratiebewegung in Ägypten spielten die Muslimbrüder nur eine kleine Rolle. Die mehrheitlich jungen Demonstranten forderten in erster Linie mehr politische Rechte und Freiheiten sowie wirtschaftliche und gesellschaftliche Perspektiven. Aufgrund der überwiegend konservativen Ausrichtung der Mehrheit in der ägypt. Gesellschaft gibt es jedoch für eine moderate konservative Partei durchaus großes Potential. Ein Teil der Führung der Bruderschaft verlangt eine Entwicklung in diese Richtung, damit die Organisation die Chance hat, die zukünftige politische und gesellschaftliche Entwicklung des Landes maßgeblich mitzubestimmen.
 
Anschließend stellten sich beide ReferentInnen den vielfältigen Fragen der LAG.
 
III. Bericht über die Pläne des “Wahlkampteams” von Cornelius Huppertz
Cornelius erläuterte kurz den Stand der Wahlkampfplanung.  Es wird zeitnah eine Veranstaltung der LAG geplant. Die Veranstaltung soll offen für alle sein, mit einem erweiterten grünen Kreis als Adressaten. Weitere Informationen dazu erfolgen per Email.


IV. Bericht von der LDK
-Entfällt (siehe Mail mit Bericht von Kim)
 
V. Verschiedenes
Sophie macht auf die Landesmitgliederversammlung am 09.04. aufmerksam, die über die Listenplätze entscheidet. Alle Mitglieder sind aufgerufen, sich zu beteiligen.
 
Weiterhin berichtete sie von der Telefonkonferenz der Sprecher der LAG´s Frieden und Internationales mit den Sprechern der BAG Frieden, letzten Mittwoch, bei der folgende Themen angesprochen wurden:
- Vorstellung der LAG´s und deren Arbeitsweise sowie Wünsche an die BAG
- Themenplanung der BAG-Sitzung am 18./ 19. Juni (Konzentration auf die MENA-Region)
- Mögliche Themen der übernächsten Sitzung: Frontex und die Flüchtlingsfrage, Afghanistan, EU-Erweiterung.
- Diskussion über ein Flugverbot über Libyen.
 
Ob Japan aufgrund der aktuellen Lage ein mögliches Thema  der nächsten BAG-Sitzung wird, wurde offengelassen.