Protokoll der Sitzung vom 5.12.2011

10.01.12 –

Protokoll LAG Frieden und Internationales/Nord-Süd

Sitzung vom 05.12.2011 (Protokollant: Adrian)


Einleitung durch David:
Aufgrund offener programmatischer Positionierung der Grünen zum “arabischen Frühling“ soll diese im Zusammenhang mit der Konditionalisierung von Zusammenarbeit und Hilfen im Rahmen der EU-Nachbarschaftspolitik diskutiert werden.

Input durch Annegret:
Definition der EU-Nachbarschaftspolitik: Zusammenarbeit mit den 16 Ländern, mit denen eine Zusammenarbeit in dem Rahmen EU-Nachbarschaftspolitik 2003 vereinbart wurde.
Der Rahmen, an dem sich die Zusammenarbeit orientieren soll, ist die Umsetzung der inneren EU-Richtlinien.
Viele EU-Bürger_innen befürworten „Hilfe“ der EU, viele stimmen auch zu, sich selbst als Maßstab zu nehmen für die „Hilfen“ und sie zu konditionalisieren.
→ Ist Konditionalisierung als Paternalismus zu kritisieren oder richtig, da Europa für seine menschenrechtlichen und demokratischen Werte auch in der Nachbarschaft eintreten sollte? → Differenzierung notwendig.

Nach Claus Offe: Bei den Umbrüchen in Osteuropa konnte man sehen, dass eine gleichzeitige politische sowie wirtschaftliche Transformation Probleme aufwirft („Dilemma der Gleichzeitigkeit“).
Nach Böckenförde: Demokratische Entwicklung ist von inneren Faktoren abhängig und nicht „exportierbar“.

Problem der EU-Außenpolitik: immer nur kleinster gemeinsamer Nenner, da 2 Ebenen in der EU – die „gute“ auf EU-Ebene mit hohem normativem Anspruch, die im Widerspruch zu der sicherheits- und realpolitischen dominierten Außenpolitik der einzelnen Mitgliedstaaten. So ist keine konsequente Nachbarschaftspolitik möglich.

Empirischer Befund einer Studie von Annegret aus ‘08: je höher die Abhängigkeit der Nachbarländer (v.a. ökonomisch und sicherheitspolitisch), desto erfolgreicher funktioniert die Konditionierung.

Daraufhin haben wir als Modellspiel eine Tabelle aufgestellt, in der wir die 16 Nachbarländer je nach Abhängigkeit von der EU und nach ihrer Reformbereitschaft eingeteilt haben. Es wurde hinterfragt, ob eine solche Einteilung unterschiedliche Maßstäbe produziere und die Kategorisierung sehr stark verkürzend wirkt.

Indikatoren für Reformbereitschaft: Skalen wie Freedomhouse Index, welche Reformen in den letzten 5 Jahren (v.a. marktwirtschaftliche) und Zivilgesellschaft
Indikatoren für Abhängigkeit: Ex- und Importe in/aus EU, politische Verankerung in EU, Möglichkeit von anderen Absatzmärkten.

 
Reformbereitschaft\Abhängigkeit    Hoch    Niedrig      
Relativ hoch    Moldova, Georgien, Palästina (Westbank), Marokko, Tunesien    Israel?, Jordanien, Ägypten, Lybien(halb hier)      
Relativ niedrig    Libanon (halb hier), Armenien, Ukraine, Belarus?, Palästina (Gaza)    Lybien (halb hier), Aserbaidschan, Syrien, Algerien, Libanon (halb hier)     


Dilemma der Konditionalisierung: Kriterien nötig aber schwer auf verschiedene Länder anwendbar.

Zwei Ansätze:

1.    Ansatz: Exklusivität – strikte Selektierung, nur Mittel für reformbereite Länder
2.    Ansatz: implizite Konditionalität – inklusiv, Zusammenarbeit als Lernprozess begreifen, feine Akzentuierung der Nachbarschaftspolitik, Stichwort: Dialog

Sektorale Politik (Migrationspolitik, Energiepolitik usw.) nicht auf Konditionalität angewiesen.

Annegrets Fazit:
Liberalisierung (Märkte und Freizügigkeit) seitens EU gegenüber den Partnerländern ist auch ohne Konditionalisierung geboten! Im besten Fall sollte beides gleichzeitig geschehen: Markt öffnen und Freizügigkeit fördern und dabei konditionieren.

Im Anschluss gab es in der Diskussion unter anderem folgende Bemerkungen und Fragen:
-    Einheitliche EU-Linie steht in Konkurrenz mit einzelnen EU-Mitgliedstaaten, außerdem wird durch Engagement von BRICS in Nachbarländern die „Latte“ für Mittel gesenkt
-    Mubarak wurde unterstützt, heute wird versucht zu vermeiden, solche Regime zu unterstützen → dies ist sehr schwierig
-    Gibt es eine „rote Linie“? Europäische Werte wie Säkularität setzen Grenzen der Zusammenarbeit → wie mit Sharia umgehen?
-    Sharia nicht das Problem, andere Strukturen akzeptieren, fragwürdige Kategorisierung der Länder (Tabelle), wie soll Gleichzeitigkeit funktionieren?
-    Keine Pauschalisierungen und keine zweite US-Politik: „So sollt ihr sein!“
-    kritische Evaluierung der Mittelmeerunion – in Themenfeldern wie Migration und Energie „Fortschritte“, beim Thema Demokratie keine Fortschritte
-    Nachbarschaftspolitik, insbesondere zur Förderung von Demokratie mehr auf zivilgesellschaftliche Ebene zielen

Zum Abschluss wurde festgehalten, dass bei der weiteren Betrachtung der EU-Nachbarschaftspolitik folgende vier Ebenen entscheidend seien:
-    Verhältnis der gemeinsamen EU-Politik und der Mitgliedstaaten (Stichwort: Kohärenz!)
-    Bestehende Instrumente evaluieren (EZ) und Erfolgsbeispiele auf die Nachbarschaftspolitik übertragen
-    Zivilgesellschaft fördern und Kriterien aufstellen die für alle gleich gelten
-    Was sind grüne Maßstäbe für den Abschluss von Handelsbeziehungen mit den Nachbarländern und langfristig die Integration in den EU-Binnenmarkt?


BDK-Bericht von Friedel:
Viele Anträge der LAG/BAG F&I durchgegangen
Allgemeiner Eindruck: Innerparteiliche Demokratie sehr wichtiges Thema, es gab Unmut über den Umgang des BuVos mit Antragsteller_innen (der von ihm bemerkt wurde), Antragskommission überraschend demokratisch → Anträge unter Verschiedenes durch Wahlen selektiert
Debatte zu Rechtsextremismus interessant. NPD-Verbotsverfahren nur wenn Erfolg wahrscheinlich ist! Gesellschaftliche Debatte über Rechtsextremismus viel wichtiger!
Viele, erfreulich kritische, Neu-Mitglieder.
Netzpolitik etwas kurz geraten.


Wofür sollen sich unsere Sprecher_innen stark machen beim LAG-Sprecher_innen-Treffen?
-    Minderheitenmeinungen wichtig!
-    Persönliches Kommunikations- und Moderationstalent wichtig für den Kandidaten für den Parteirat.
-    Kandidaten sollen sich bitte vorstellen.

Voraussichtliche Themen der kommenden LDK:
-    Aufarbeitung der Wahl
-    Umgang mit Minderheitenmeinungen


neue fachpolitische Sprecherin für Entwicklungspolitik: Clara Hermann

Weihnachtsfeier am 19. (siehe Rundmail)

Am 9.1. Vorbereitung der Sonder-BAG-Sitzung zu Afghanistan und der LDK sowie Orientierungsdebatte der LAG

am 23.01. Wahlen von LAG-Sprecher_innen, BAG-Delegierte, Landesausschuss und LDK-Delegierte

Sonstiges: Der palästinensische Generalbevollmächtigte war in einer Diskussionsveranstaltung positiv aufgefallen und für Städtepartnerschafts-Gruppe interessant → einladen?