Schule und die soziale Frage

06.03.18 –

Von Dirk Jordan

Die heißesten schulpolitischen Debatten werden um die Gliedrigkeit des deutschen Schulwesens geführt, Debatten um die Schulqualität sind dagegen zu Unrecht selten oder werden als Folge der Lösung der sozialen Frage hintangestellt. Was ich falsch finde.
Schule kann und soll zur Lösung der sozialen Frage einen Beitrag leisten, aber die hauptsächlichen Stellschrauben liegen im Bereich der Steuer- und Sozialpolitik und soweit es die Kinder und Jugendlichen betrifft in der Familien- und Jugendpolitik. Für die schulpolitischen Debatten besteht „Abrüstungsbedarf“.

Zur schulbezogenen Lösung der sozialen Frage wird in der Regel die Formel: „Eine Schule für alle“ herangezogen. Behauptet wird z.B.: „Das gegliederte Schulsystem ist das Problem.“ Als Schulform, die das Problem lösen soll, wird die Gemeinschaftsschule vorgesehen. Um diese Lösung des Problems zu erreichen, wird von einigen als „mutige Bildungspolitik für alle“ vorgeschlagen,  Gymnasien abzuschaffen und Gemeinschaftsschulen anzuordnen und bei Schulneubauten nur diese Schulform zuzulassen.
Das gegliederte Schulwesen, auch die Zweigliedrigkeit, hat in der Tat eine die soziale Segregation verstärkende Wirkung. Die auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt schädlichen Auswirkungen können durch die Stärkung der Attraktivität der Integrierten Sekundarschule und der Gemeinschaftsschulen deutlich gemildert werden, aber das Hauptproblem des Zusammenhangs von Schule und sozialer Frage ist damit überhaupt nicht im Fokus der Bemühungen.

Die Debatte um die soziale Frage in der Schule bezieht sich auf den Teil der Schülerschaft, der als Abschluss das Abitur anstrebt, weil von diesen Schüler*innen so viele/zu viele auf das Gymnasium gehen, das soll „ungerecht sein“ und das  soll es daher nicht mehr geben.
Das soziale Hauptproblem der Schule liegt nicht in dem Teil der Schülerschaft, die auf dem Weg zum Abitur sind, sondern bei den gut 60% der Schülerschaft, die spätestens nach der 10. Klasse die allgemeinbildende Schule verlassen. Denn in diesem Teil befinden sich auch die 10% Schüler*innen, die die Schule ohne jeden Abschluss verlassen  bzw. der um 20% große Teil, der in einem oder mehreren Schulfächern nicht oder kaum die unterste Kompetenzstufe erreicht und damit für eine selbständige und gesicherte Lebensführung nicht das nötige Rüstzeug aus der Schule mitbringt.

Über den Teil der Schülerschaft, der in der Schule nicht ausreichend unterstützt wird, wird in der grünen Bildungsdebatte zu wenig geredet. Erst in den letzten Jahren ist das in Berlin anders geworden. Initiativen wie das „Berliner-Bildungs-Bündnis“ haben richtigerweise diesen Teil der Schülerschaft in den Blick genommen. In dem LDK Beschluss von 2008 zur grünen Bildungspolitik findet sich kein Wort dazu!
Zur Lösung der sozialen Frage in der Schule taugen Formeln wie: „Keine*r  ohne Abschluss“ und „Kein Abschluss ohne Anschluss“ sehr viel mehr als die Formel „Eine Schule für alle“. Diejenigen Schüler*innen, die in der Schule scheitern, brauchen vieles andere als Schule. Ihr Scheitern beginnt in der Grundschule, also in „einer Schule für alle“(!). Auch „die kleine Gemeinschaftsschule“ ist mit der Lösung überfordert bzw. wird alleingelassen. Hier muss  nicht nur in die Schulen investiert werden, sondern vor allem in die begleitenden Jugend- und Familien Unterstützungssysteme.

Dirk Jordan ist Mitglied der LAG Bildung und Volksbildungsstadtrat a.D.

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