Und wenn die Welt voll Teufel wär.... Es soll uns doch gelingen.

06.01.12 –

von Dirk Jordan

(Stachlige Argumente Nr. 184, Winter 2011, online)

So kämpferisch besingen die Protestanten ihre Glaubensüberzeugungen und wir knicken schon bei einem „Bösewicht Wowereit“ ein? Das glaub ich nicht, so kleinmütig wie viele Texte nach den gescheiterten Verhandlungen klangen, sind wir nicht. Es macht auch keinen Sinn, die negative Rolle von Klaus Wowereit zu betonen, ihn zum „Bösewicht“ zu machen. Damit wird mehr verdeckt als erhellt, egal wie hoch sein Anteil am Scheitern war.

Was ist also bei uns falsch gelaufen, dass es zu diesem Showdown in Bezug auf die A100 kam, das wir nur verlieren konnten? Nach meinem Eindruck liegt die innere Ursache für unser Scheitern in unserer Wahlkampfstrategie, die vor allem als one-person-show im Angriff auf Wowereit geführt wurde und damit ziemlich inhaltsarm blieb.

Es war meines Erachtens im November 2010 richtig, weil unvermeidbar, Renate gegen Wowereit zu stellen mit dem Anspruch, Regierende Bürgermeisterin zu werden. Das hat einiges in Fahrt gebracht. Es war aber falsch bei diesem Schritt stehen zu bleiben und nur auf die Paarung Wowereit-Künast zu setzen. Spätestens im April/Mai als wir noch einmal wegen Fukushima bei 30% lagen, hätte der Strategiewechsel vollzogen werden müssen, weil wir da noch in einer Position der (geborgten) Stärke waren.

Mit der Reduzierung auf die Paarung Wowereit-Künast wurde es erschwert bzw. unmöglich, thematische Gegensätze so herauszustellen, dass sie medial wahrgenommen werden. Da es keine Personalisierung von Themen wie Verkehr oder Umwelt geben sollte, konnte die schwache Bilanz des Senats (z.B. bei der S-Bahn oder beim Klimaschutz) nicht erfolgreich zur Sprache gebracht werden. Es hätte eine andere Wirkung als ein Flyer gehabt, wenn Michael Cramer bei der S-Bahn Frau Junge-Reyer herausgefordert hätte. Nur dazu muss man neben „Renate“ auch andere Personen herausstellen. Das sollte es nicht geben.

Viele haben versucht, darüber mit dem Wahlkampfstab ins Gespräch zu kommen. Closed shop! In der Partei gibt es offensichtlich keinen Ort, kein Gremium, wo solch schwerwiegende und schwierige Dinge vertrauensvoll besprochen werden können. Das haben wir uns selber zuzuschreiben. Das kostet Prozente.

Bei dieser Strategie ist es kein Wunder, dass die A100 immer mehr zum Identifikationsobjekt der Grünen, zum „Markenkern“ des grünen Wahlkampfs wurde, weil immer deutlicher wurde, dass der Kampf gegen Wowereit verloren war. Hier konnte man ihm noch mal eins auswischen, Härte zeigen. Dass die A100 eine Frage der „Glaubwürdigkeit“ wurde und nicht eine einer mehr oder weniger sinnvollen Verkehrspolitik lag an uns und ist von der Sache her nicht gerechtfertigt. Die A100-Verlängerung hat nicht die Qualität wie etwa die verfehlte Bankenpolitik des Diepgen-Senats, ja nicht einmal wie die Fehlentscheidung für Schönefeld als Flughafenstandort.

Insofern macht es Sinn, noch einmal nachzulesen, was wir zur A100 im Wahlprogramm festgelegt hatten. Die „schärfste“ Formulierung ist: „In einer Stadt für alle sind Straßen dazu da, Quartiere zu verbinden, statt sie zu zerschneiden. Wir lehnen daher den Weiterbau der A 100 ab. Wir werden alle rechtlichen und politischen Mittel dafür einsetzen, den Weiterbau der A 100 zu verhindern. Den Planfeststellungsbeschluss wollen wir aufheben“ (S. 108) Das ist keine „Knackpunktformulierung“ wie in unserem 10 Punkte–Programm, das kurz vor der Wahl veröffentlich wurde: „Wir werden  - einem Weiterbau der A100 keinesfalls zustimmen.“

Wer hat diese falsche Zuspitzung zu verantworten? Zuerst alle die, die zentral den Wahlkampf geführt und diese Formulierung ersonnen haben, aber insgesamt wir alle. Diese Formulierung wurde am 25.08. dem Landesausschuss vorgestellt, es gab einhellige Zustimmung, beim A100 Punkt großen Jubel. Die Partei suchte einen Identifikationspunkt. Meines Erachtens war damit der entscheidende Sargnagel zum Scheitern der Koalitionsverhandlungen geschmiedet worden. Ab diesem Zeitpunkt, aber auch erst seitdem, war die A100 eine Frage der Glaubwürdigkeit der Grünen.

Aus solchen Fehlern kann man lernen und es beim nächsten Mal besser machen, aber nur dann, wenn man die eigenen Fehler nicht mit Formeln wie die vom „Bösewicht Wowereit“ überdeckt.

Die Fehler im Wahlkampf und in den Verhandlungen sind mehr als ärgerlich und haben zu tiefer Enttäuschung bei vielen geführt, die von uns eine andere Politik erwartet haben. Diese Fehler sind aber klein im Verhältnis zu dem, was wir jetzt noch falsch machen können.

Das Scheitern der Koalitionsverhandlungen ist eine Niederlage für uns. Wenn wir es jetzt noch schaffen, uns das Image des schlechten Verlierers einzufangen, dann wird die Niederlage zu einem Gau. Überschriften wie: „Kein Grüner wird das der SPD vergessen“ haben das Zeug dazu, uns in diese Ecke zu bringen. Eine Verteufelung der SPD („Wer hat uns verraten....“) nützt niemandem, sondern schadet nur. Zu einer Stadt für Alle gehört auch die SPD. Wir müssen sie nehmen, wie sie ist, wenn wir in der Regierung Verantwortung für die Stadt übernehmen wollen. So müssen wir es in der Opposition tun.

Der Autor ist der Sprecher der LAG Bildung, LV Berlin