Vertuschung, Inkompetenz oder womöglich Schlimmeres? Zur Berliner Rolle im NSU-Skandal.

14.09.12 –

Jeden Tag wird die Öffentlichkeit mit neuen Hiobsbotschaften zum NSU-Skandal konfrontiert. Bisher war das alles weit weg von Berlin, doch mit der bequemen "Ist ja nicht unser Problem"-Haltung ist es nun vorbei. Neuerdings wissen wir, dass auch Berliner Landesbehörden und Verantwortliche komplett versagt haben. Auf eine Aktenanforderung durch den Untersuchungsausschuss des Bundestags im Frühjahr folgte – nichts. Und auf eine zweite Anfrage im Juli folgte – wieder nichts. Von engagierter Aufklärung kann bei den Berliner Behörden keine Rede sein, soviel ist schon mal klar.

Dabei wäre Aufklärung dringend von Nöten: es steht der schreckliche Verdacht im Raum, dass schnelles und verantwortungsvolles Handeln schon vor Jahren womöglich weitere Morde der Rechtsterroristen verhindert hätte.

Denn seit 2002 gab es konkrete Hinweise auf den Verbleib des NSU-Trios, das damals wegen Sprengstoffdelikten gesucht wurde. Die kamen von einem Berliner V-Mann. Auch wenn man in einem solchen Fall nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen soll, hätte man doch wohl so wichtigen Informationen nachgehen müssen. Und es ist auch dringend zu klären, wieso das Landeskriminalamt einen mutmaßlichen NSU-Unterstützer angeworben hat, der dem Trio wohl sogar den Sprengstoff lieferte.

Der Skandal im Skandal ist der Umstand, dass die Berliner Behörden ihr Wissen damals nicht an die Kollegen in Thüringen weitergegeben haben und nach Bekanntwerden der NSU-Morde dem Untersuchungsausschuss des Bundestages mehr aktiv verschwiegen als mitgeteilt haben. Sogar der Generalbundesanwalt, der die Anklagen gegen Beate Zschäpe und die NSU-Unterstützer vorbereitet, musste monatelang auf einen Hinweis aus Berlin warten.

Vertuschung, Inkompetenz oder womöglich Schlimmeres? Der zuständige Innensenator Henkel (CDU) hat in den nächsten Tagen viel zu erklären. Gleiches gilt für seinen Amtsvorgänger Körting (SPD), der zwischen 2002 und 2011 die politische Verantwortung trug. Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, müssen zwangsläufig Konsequenzen für die beteiligten Landesbehörden, ihre Strukturen und die handelnden Personen gezogen werden. Das Land Berlin steht mit der Aufklärung seiner Rolle im NSU-Skandal am Anfang.

Daniel Wesener (Landesvorsitzender) und Tilo Fuchs (Mitglied im Landesvorstand)