Für ein feministisches und soziales Berlin: Beschluss auf der FLINTA-Konferenz

11.10.25 –

Unser Ziel für Berlin ist eine soziale Stadt, die niemanden zurücklässt. Frauen und Kinder sind am stärksten von Armut, Verdrängung und Ausgrenzung betroffen. Darunter sind insbesondere Alleinerziehende, People of Color, aber auch ältere Menschen, Menschen mit Behinderung, Geflüchtete und prekär Beschäftigte besonders betroffen.

Die Diskriminierung von FLINTA und die mehrfachen Benachteiligungen sind dabei offensichtlich ein strukturelles Problem, dessen Überwindung unser Ziel sein muss. Um das zu erreichen, brauchen wir eine gleichmäßige Verteilung von Rechten, Ressourcen und Repräsentanz. Maßnahmen im Bereich Soziales, Gesundheit und Gewaltschutz zur Förderung der Gleichstellung können nur Brücken auf dem Weg zur Beendigung des Patriachats sein.

Echte Gleichstellung ist erst dann erreicht, wenn Frauen an jedem Verhandlungstisch paritätisch vertreten sind und genau wie alle FLINTA in die Entscheidungsprozesse ernsthaft und unumgänglich einbezogen werden.

Dafür braucht es wirtschaftliche Unabhängigkeit durch gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit und die Möglichkeit, Lebensentscheidungen frei von gesellschaftlichen Zwängen, selbstbestimmt und informiert über alle Auswirkungen auf Karriere, Familienplanung und Altersvorsorge zu treffen. Es braucht eine selbstverständliche, gerechte Aufteilung von Sorgearbeit und eine verlässliche Versorgungsstruktur. Deshalb braucht es dringend einen intersektionalen[1] feministischen Blick auf Sozialpolitik. Feministische Sozialpolitik beeinflusst zahlreiche Lebensbereiche, wie Gleichstellung, Familienpolitik, Wohnungspolitik, Pflege und Bildung.

Zugängliche und gendersensible Sozialeinrichtungen

Berlin hat bereits zahlreiche Sozialeinrichtungen, die wohnungslose FLINTA (Frauen, Lesben, inter, nicht-binären, trans* und agender Personen) helfen oder sie darin unterstützen, eine neue Wohnung zu finden. Einrichtungen, die gewaltbetroffene FLINTA beraten und queere und trans Personen unterstützen. Berlin verfügt über eine Infrastruktur an Kitas und Kinderläden. Das alles, auch dank unseres grünen Einsatzes in Land und Bund für eine soziale Stadt.

Angesichts des sozialen Kahlschlags der Berliner Schwarz-Roten Koalition leiden aber die meisten dieser Einrichtungen gerade an den starken Kürzungen des schwarz-roten Senats, die ihr Weiterbestehen gefährden. Viele Einrichtungen sind überfordert von der Bürokratie und können deswegen nicht die notwendige Hilfe anbieten. Gerade Alleinerziehende benötigen aber flexible Betreuungsangebote. Wir Grüne setzen uns darum für ein Gutscheinsystem für Betreuung und haushaltsnahe Dienstleistungen ein, um die Vereinbarkeit von Sorgearbeit und Erwerbsarbeit zu erleichtern.

Wir brauchen funktionierende Sozialämter, die niederschwellig Hilfe anbieten und in den meistgesprochenen Sprachen dieser Stadt beraten können. Dabei müssen Unterstützungsangebote gebündelt werden.Wir setzen uns für digitale Verfahren ein, die die Arbeit und Antragsstellung erleichtern. Denn in den nächsten Jahren gehen viele Angestellte der Sozialämter in Rente dessen Nachbesetzung zum bisher ungelösten Problem wird und mit einfacheren Verfahren und kluger Personalakquise gegensteuern. Denn: Dieser Personalmangel in der Verwaltung ist ein Armutsrisiko. So verlieren Menschen Wohnungen, weil die Sozialämter die Miete nicht verlässlich zahlen oder die Bewilligung der Hilfe zur Pflege über 12 Monate braucht. Damit die Sozialberatung effektiv wirkt, müssen Sozialämter gut arbeiten können.Der Senat streicht aktuell 200.000€ bei den unabhängigen Sozialberatungen und schwächt die Ärmsten. Dabei muss Sozialhilfe zugänglich und gendersensibel gestaltet sein. Außerdem müssen wir Anschlüsse schaffen für Menschen, die aus dem System fallen, weil sie beispielsweise Einrichtungen verlassen müssen.

Armut bekämpfen – feministisch und gerecht

Armut beginnt nicht erst bei Obdachlosigkeit. Alter, Geschlecht und Fürsorgeverpflichtungen stellen ein erhebliches Risiko für Armut dar. Armut ist oft das Ergebnis struktureller Benachteiligung, die sich entlang von Geschlecht, Alter, Bildung und Haushaltsform zeigt. In wenigen Ländern wird Reichtum und Armut so stark vererbt wie in Deutschland. Insbesondere FLINTA mit unsteten Erwerbsbiografien – etwa durch Zeiten unbezahlter Sorgearbeit oder Teilzeitanstellung – sind besonders gefährdet, in temporärer oder dauerhafter Armut zu leben. Weder unser Steuer- noch unser Sozialversicherungssystem, noch unsere Arbeitsmarktförderung oder unser Bildungs- und Ausbildungssystem berücksichtigen die vielfältigen Herausforderungen für FLINTA-Personen ausreichend, sondern behindern systematisch die eigenständige Existenzsicherung von FLINTA. Deswegen brauchen wir gezielte Fördermaßnahmen für FLINTA mit unterbrochenen Erwerbsverläufen. Auch Bildungs- und Ausbildungsangebote (beispielsweise Teilzeitausbildung) müssen insbesondere für Mütter – und hier vor allem Alleinerziehende, denn ihr Armutsrisiko ist noch dreimal höher – brauchen wir eine Offensive für alle Fragen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf bzw. Aus- und Weiterbildung. Der 10. Familienbericht hat dank Familienministerin aD Lisa Paus erstmalig speziell die Situation von Allein- und Getrennterziehenden in den Blick genommen. Sie sind auf verlässliche Kinderbetreuung angewiesen und haben höhere finanzielle Belastungen durch verteuerte Haushaltsführung. Es braucht eine Reform des Mehrbedarfs, sowohl im Steuer-, als auch im Sozialrecht. Im Bund haben wir darum den steuerlichen Entlastungsbetrag für Alleinerziehende deutlich erhöht . Die größte Kindergelderhöhung seit den 1990er Jahren, der monatliche Sofortzuschlag für von Armut betroffene Kinder und Jugendliche und die Erhöhung des Unterhaltsvorschusses, schaffen für Alleinerziehende und ihre Kinder spürbare Entlastung. Wir setzen uns weiter für die Einführung eines Umgangsmehrbedarfs, die hälftige Anrechnung des Kindergeldes beim Unterhaltsvorschuss, Steuergutschriften für Alleinerziehende und eine Neuberechnung des sozioökonomischen Existenzminimums von Kindern ein. Um Kinderarmut wirksam zu bekämpfen, braucht es einen Systemwechsel zur Kindergrundsicherung, in der alle wesentlichen Leistungen zusammengeführt werden. Denn jedes Kind hat das Recht, mit dem aufzuwachsen, was es braucht.

In der Armutsbekämpfung ist die Berücksichtigung mentaler Gesundheitsaspekte unabdingbar. Denn Armut bedeutet oft chronischer Stress, Isolation und eine hohe psychische Belastung – mit teils gravierenden gesundheitlichen und gesellschaftlichen Folgen. Wir brauchen außerdem ein vertieftes Verständnis von Familienarmut, um passgenaue Lösungen zu entwickeln. Frauen sind besonders von Altersarmut betroffen und erhalten im Schnitt 35 % weniger Rente als Männer. Die geplante Mütterrente III der schwarz-roten Bundesregierung ist völlig fehlgeleitet, denn durch die Verrechnung der Mütterrente mit der Grundsicherung kommt bei den Menschen, die am dringendsten zusätzliche Unterstützung benötigen, kein Cent mehr auf dem Konto an.Statt teurer Symbolpolitik fordern wir Grüne eine strukturelle Antwort auf Altersarmut, die bei den Menschen ankommt: die Garantierente. Sie sichert Menschen mit mindestens 30 Versicherungsjahren eine Rente oberhalb der Grundsicherung. Zeiten für Kindererziehung oder die Pflege von Angehörigen werden anerkannt und angerechnet. So werden Menschen mit kleinen Renten gezielt unterstützt. Insgesamt braucht es ein gesellschaftliches und politisches Umdenken: Armut ist nicht selbstverschuldet, kein individuelles Versagen, sondern Ausdruck struktureller Ungleichheit und ein Systemversagen.

Zu einer feministischen Sozialpolitik muss auch eine gerechte Gesundheitsversorgung gehören, für die wir Grüne uns einsetzen. Dazu gehört eine solidarische, barrierefreie und gerechte Gesundheitsversorgung und die kostenlose Bereitstellung von Menstruationsprodukten in öffentlichen Einrichtungen, kostenfreie Verhütungsmittel, mehr Aufklärung zu den Wechseljahren, bessere Versorgung bei Endometriose und geschlechtersensible Gesundheitsforschung – Forderungen, für die wir Grüne uns schon seit Jahren einsetzen. Dass der schwarz-rote Senat den Hebammenstudiengang an der Charité um die Hälfte einstampft, blockiert die Forschung für Frauengesundheit. Mit dieser Kürzung wird es keinen Master geben, keine Promotionen und damit kein tieferes Wissen über Schwangerschaften und Prävention durch Hebammen.

Armut ist ein Gesundheitsrisiko, insbesondere für Kinder. Daher muss gesündere Ernährung in Schulen sichergestellt, das kostenlose Sportangebot für Kinder ausgeweitet werden und insbesondere das Angebot für sportliche Aktivitäten, die auch für Mädchen interessant sein können, breiter aufgestellt werden. Beispielsweise nehmen Jungen öfter an günstigen Vereinssportarten wie Fußball teil, während von Mädchen präferierte Sportarten weniger Förderung und Räumlichkeiten erhalten. Ein intersektionaler Blick ist unabdingbar, um anzuerkennen, wie Krankheit, Behinderung oder Herkunft Faktoren sind, die das Armutsrisiko erhöhen. Diese Perspektive wollen wir in allen politischen Maßnahmen berücksichtigen.

Frauen arbeiten in systemrelevanten und trotzdem schlechter bezahlten Berufen oder erfahren Diskriminierung beim Gründen. Auch erben Frauen weniger und haben höhere Lebenshaltungskosten. Dies führt dazu, dass Frauen schwieriger Vermögen aufbauen und fürs Alter vorsorgen können. Traditionelles Rollendenken verstärkt zudem, dass sich Frauen im Schnitt weniger über Finanzen und Vermögensaufbau bilden oder dieses Wissen weniger anwenden. Das beste Mittel gegen Armut und für eine verlässliche Altersvorsorge sind gute Löhne. Deshalb fördern wir sozialversicherungspflichtige Beschäftigung und verbessern insbesondere die Erwerbsmöglichkeiten für FLINTA durch gleiche und faire Löhne, verlässliche Kinderbetreuung, zeitgemäße Rahmenbedingungen für eine bessere Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Leben, sowie eine einfacheres Rückkehrrecht in Vollzeit.

Gleichzeitig setzen wir uns für eine feministische Finanzbildung sowie für eine gerechte Steuerpolitik ein. Das Ehegattensplitting zementiert soziale Ungleichheit und traditionelle Geschlechterrollen. Es wirkt sich besonders ungerecht auf die Sozialversicherungsbeiträge aus: Trotz hoher Beitragszahlungen erhalten Klasse-V-Zahlerinnen deutlich geringere Leistungen. Das widerspricht fundamental dem Äquivalenzprinzip. In Krisenzeiten kommt dafür die Rechnung. Das Ehegattensplitting setzt in Zusammenspiel mit Minijobs und der kostenlosen Mitversicherung von Partner*innen, die wenig verdienen, Anreiz, nicht erwerbstätig zu sein. Die Folgen werden spätestens in Krisen wie Trennung, Scheidung und Tod des Partners deutlich. Wir Grüne setzen uns für gleichberechtigte Lebensentwürfe ein. Wir wollen das Ehegattensplitting grundlegend reformieren und für Neuehen abschaffen und durch eine individuelle Besteuerung mit übertragbarem Grundfreibetrag ersetzen.

Gewaltschutz stärken – wirksamer Schutz für alle FLINTA

Ein intersektionaler Ansatz ist auch im Gewaltschutz zentral. Gerade FLINTA mit Mehrfachdiskriminierung müssen wir besser vor Gewalt schützen. Wir Grüne setzen uns seit Langem und auf allen Ebenen für effektiven Schutz von geschlechtsspezifischer Gewalt ein. Es ist nicht hinnehmbar, dass durchschnittlich jeden Monat in Berlin eine Frau von einem Mann getötet wird. Wir wollen schnellstmöglich den bestmöglichen Gewaltschutz für FLINTA in Berlin. Im Abgeordnetenhaus von Berlin haben wir einen 5-Punkte-Plan zur Verhinderung von Femiziden und zum besseren Schutz von FLINTA vor Gewalt vorgelegt. Der grüne Druck aus der Opposition hat gewirkt. Fast alle unsere grünen Forderungen, wie die Einführung von interdisziplinären Fallkonferenzen, die Ausweitung der Wegweisungsdauer und weitere wichtige Punkte wurden von der schwarz-roten Koalition im Gesetzgebungsverfahren aufgenommen. Außerdem fordern wir mehr Beratungsstellen und Hilfsangebote, barrierefrei und in mehreren Sprachen, sowie gezielte Präventionsarbeit. Dank uns gibt es nach Jahrzehnten der Diskussion endlich ein bundesweit geltendes Gesetz, das ein Recht auf Schutz und Beratung für gewaltbetroffene Frauen verankert und die Bundesländer beim Ausbau eines flächendeckenden Netzes der Gewalthilfe unterstützt. Das durch uns Grüne erkämpfte bundesweite Gewalthilfegesetz verankert den Rechtsanspruch auf unbürokratische und kostenlose Hilfe und Beratung ab 2032. Die dafür zur Verfügung gestellten Bundesressourcen ermöglichen, die Hilfsinfrastruktur passgenau und bedarfsgerecht auszubauen: Mit Schutz-, Beratungs- und Unterstützungsangeboten für Gewaltbetroffene, aber auch für Präventionsmaßnahmen, Öffentlichkeitsarbeit, sowie die Unterstützung von Vernetzungsarbeit innerhalb des Hilfesystems, mit Behörden, Polizei, Justiz und relevanten Einrichtungen. Die Möglichkeiten sind groß und es ist Zeit, dass Berlin etwas passendes daraus macht. Wir Grüne fordern einen Prozess zur vielfaltssensiblen Bedarfsermittlung in enger Zusammenarbeit mit den Anlaufstellen des Hilfesystems, darunter den Beratungsstellen, Frauenhäusern und Sozialträgern, der Gewaltschutzambulanz, sowie der neuen Anlaufstelle für gewaltbetroffene Frauen der Bundespolizei am Berliner Ostbahnhof. Ziel sind mehr niedrigschwellige Beratungsstellen, Frauenhausplätze, Schutzwohnungen und Hilfsangebote, barrierefrei und in mehreren Sprachen, sowie gezielte Präventionsarbeit und effiziente Zusammenarbeit von Hilfsinfrastruktur, Justiz, Polizei und Verwaltung. Dafür müssen die durch das Gewalthilfegesetz zur Verfügung gestellten Gelder müssen zusätzlich und effizient in unserer Stadt genutzt werden. Wir setzen uns ein für ein Berlin ohne Femizide und ein sicheres Leben für alle FLINTA.

Stattdessen kürzt der Schwarz-Rote Senat gerade in diesem Bereich weiter: Für das Jahr 2026 sind im SPD-Gleichstellungsbereich durch den Senat Kürzungen in Höhe von 2,574 Mio. Euro geplant. So sollen unter anderem durch pauschale Kürzungen bei allen Frauenprojekten von durchschnittlich 2% gegenüber der Förderung 2025 umgesetzt werden. Im Justizbereich werden seit Amtsübernahme durch die CDU Opfer- und Gewaltschutzbereich mehr als 4,5 Mio zusammengestrichen. Das ist nicht mit der eklatanten Zunahme geschlechtsspezifischer Gewalt vereinbar.Das bedeutet, dass das Weiterbestehen aller Gleichstellungs- und Gewaltschutzangebote in Berlin gefährdet ist. Das wird massive Versorgungslücken und längere Wartezeiten besonders für FLINTA in Not zur Folge haben.

Unsichtbare Obdach- und Wohnungslosigkeit bei FLINTA

Obdach- und wohnungslose FLINTA sind häufig von Mehrfachdiskriminierung betroffen. Sie bleiben oft unsichtbar, da ihre Wohnungslosigkeit sich maßgeblich von der als Norm gesetzten Obdachlosigkeit von Männern unterscheidet – so kommen wohnungslose FLINTA oft zeitweise bei Bekannten unter, sodass sie im Stadtbild und in Unterkünften für obdachlose Personen weniger sichtbar sind. Außerdem bleiben FLINTA vermehrt in prekären Wohnverhältnissen, unter anderem bei gewaltbereiten Partnern, um Obdachlosigkeit zu vermeiden. Wenn FLINTA aus gemeinsamen Wohnungen ziehen, weil der Partner gewalttätig ist, verlieren sie oft den Anspruch auf Vermittlung in eine andere Wohnung durch Sozialbehörden. Vor allem Mütter, die mit gemeinsamen Kindern die Wohnung verlassen müssen, stehen kurz vor der Obdachlosigkeit, da wir keine ausreichenden Frauenhausplätze haben. Dafür braucht es rechtliche Lösungen: Zum einen muss sichergestellt werden, dass der gewalttätige Partner derjenige ist, der die Wohnung verlassen muss. Das Gewaltschutzgesetz schafft Grundlage für Wegweisungen und Kontaktverbote. Andererseits muss gewährleistet werden, dass Frauen Anspruch auf eine andere Wohnung erhalten. Mütter sollten außerdem auch bei der Finanzierung von größeren Wohnungen unterstützt werden.

Wir brauchen faire Lösungen für Wohnungslosigkeit. Die letzte Bundesregierung hat unter bündnisgrüner Beteiligung mit dem Nationalen Aktionsplan Wohnungslosigkeit 2024 den richtigen und dringend notwendigen Weg eingeschlagen. Er eröffnete die Chance, dem Ziel näherzukommen, Wohnungslosigkeit in Deutschland bis 2030 zu überwinden. Geschützte Marktsegmente müssen erweitert und ein Teil für FLINTA sichergestellt werden. Dazu ist auch die Neue Wohngemeinnützigkeit ein wichtiges Instrument, langfristig und dauerhaft günstigen Mietwohnraum zu schaffen. Unternehmen sollen vom Bund Unterstützung erhalten für Neubau, Modernisierung und Ankauf. Die Bundesregierung hat jetzt die Chance, ihre Fehler, der 90er Jahre rückgängig zu machen und in einen dauerhaft bezahlbaren gemeinnützigen Sektor auf dem Wohnungsmarkt zu investieren. Berlin muss gemeinsam mit dem Bund Wege finden, die Finanzierung der Kosten der Wohnungsgewinnung abzusichern. Ebenso wichtig ist der Aufbau eines überkommunalen Best-Practice-Austauschs – gezielt für die Verwaltungen in den Bezirken. Nur so können erfolgreiche Ansätze – von wirksamer Prävention bis hin zu Housing First Projekten – verbreitet und dauerhaft verankert werden. Auf Bundesebene ist darum besonders wichtig, dass die Haushaltsmittel für die wichtige Arbeit, insbesondere der Bundesarbeitsgemeinschaft für Wohnungslosenhilfe und des Housing First Bundesverbandes im Bundeshaushalt, verstetigt werden.

Es sollte reduzierte Kautionen für Alleinerziehende geben. Außerdem brauchen wir barrierefreie Frauenunterkünfte und Unterkünfte, die rund um die Uhr geöffnet sind. Besonders Unterkünfte für FLINTA mit Kindern sind zentral, da viele gewaltbetroffene FLINTA die gemeinsame Wohnung mit ihren Kindern verlassen, viele Unterkünfte jedoch keine Kinder aufnehmen, sodass diese auf sich allein gestellt sind. Notwendig sind auch spezialisierte Unterkünfte für psychisch erkrankte und suchtmittelabhängige FLINTA. Wohnen ist die soziale Frage unserer Stadt. Deshalb setzen wir uns mit einem Eckpunkteplan für bezahlbare und schöne Wohnungen ein.

Insgesamt braucht es einen Wandel im Bild von Obdach- und Wohnungslosigkeit und eine Entstigmatisierung von wohnungslosen Menschen.

Vergeschlechtlichte Pflege- und Sorgearbeit

Kinder und Jugendliche, die ihre Eltern pflegen, bleiben oft unsichtbar, um so wichtiger ist es, bestehende Angebote für diese sogenannten Young Carer zu stärken.Berlin ist divers, pflegebedürftige Menschen in Berlin sind dies auch. Wir setzen uns dafür ein, dass sie gendersensible, kultursensible und queersensible Pflegeangebote vorfinden.Pflegearbeit ist ein zentraler Bereich feministischer Sozialpolitik – sowohl bezahlte als auch unbezahlte Pflege wird überwiegend von Frauen übernommen. Infolge der Alterung der Gesellschaft werden in Deutschland bis zum Jahr 2049 voraussichtlich zwischen 280.000 und 690.000 Pflegekräfte fehlen (Statistisches Bundesamt). Schon heute werden 86% der Pflegebedürftigen zu Hause gepflegt. Rund jede achte erwerbstätige Frau pflegt regelmäßig neben der Erwerbsarbeit andere Personen. Pflegende An- und Zugehörige geraten an die Grenze ihre Belastbarkeit – sie stemmen den Großteil der Versorgung, oft ohne ausreichende Unterstützung oder Entlastung. Pflegedienste oder -heime können nicht mehr die nötige professionelle Unterstützung bieten. Dabei sind Sorgeverantwortungen ein großes Armutsrisiko für Frauen. Um eine bessere Pflegeversorgung in unserer Stadt sicherzustellen, sind mehrere Faktoren notwendig. So müssen bürokratischer Hürden bei der Beantragung von Pflegeleistungen abgebaut werden. Außerdem muss der Pflegekräftemangel bekämpft werden, etwa durch bessere Arbeitsbedingungen und faire Bezahlung, sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Grundsätzlich bleibt die Vereinbarkeitsfrage weiterhin eine zentrale Frage im Bereich der feministischen Sozialpolitik. Es ist Zeit für eine Pflegereform, um Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetz zusammenzuführen und auf eine Lohnersatzleistung für pflegende An- und Zugehörige hinzuwirken. Im Bund haben wir mit dem Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz dafür gesorgt, dass die Leistungsbeträge der Pflegeversicherung in den kommenden Jahren schrittweise angehoben werden. Das entlastet pflegebedürftige Menschen finanziell. Wir haben erreicht, dass pflegende Angehörige an bis zu zehn Tagen im Kalenderjahr einen Anspruch auf Lohnersatz – das sogenannte Pflegeunterstützungsgeld – haben, wenn sie wegen der Pflege nicht zur Arbeit gehen können. Die missratene Pflegepolitik von Schwarz-Rot darf nicht auf dem Rücken der Pflegebedürftigen und ihrer pflegenden Angehörigen ausgetragen werden. Der Pflegegrad 1 muss dringend erhalten bleiben. Wir setzen uns dafür ein, dass Betreuungskosten sowie Kosten für Haushaltshilfen und haushaltsnahe Dienstleistungen umfangreich von der Steuerabsetzbar sind. Ein erheblicher Teil der sogenannten 24-Stunden-Pflege findet nach wie vor informell als „Schwarzarbeit“ statt oder aber in Form eines breiten Spektrums von Arrangements in einer großen ‚Grauzone‘. Mit Blick auf den demografischen Wandel sind neue Strukturen in der Pflege dringend notwendig, die einerseits die Pflege zuhause ermöglichen, aber andererseits eine menschenwürdige Beschäftigung unter Einhaltung von Mindestlohn, Arbeitszeit- und Arbeitsschutz garantiert. Beschäftigte brauchen zudem mehr Zeitsouveränität und flexiblere Arbeitszeitmodelle. Dazu gehört auch die Möglichkeit, im Homeoffice und mobil zu arbeiten – mit klaren Regeln und fairen Absprachen.

Eine gute Kinderbetreuung und ein verlässliches Pflegesystem mit ausreichend Tages- und Kurzzeitpflege sind wesentliche Voraussetzungen für die Erwerbstätigkeit aller Erziehenden und Pflegenden. Angesichts unserer alternden Gesellschaft braucht es eine grundlegende Neuausrichtung der Sorge- und Pflegepolitik. Mit einer kommunalen Pflegestrukturplanung soll das Land Berlin eine bedarfsgerechte, leistungsfähige und regional abgestimmte pflegerische Versorgung sicherstellen mit gemeinwohlorientierten Pflegestrukturen. Wir Grüne wollen Berlin als sorgende Stadt begreifen und gestalten: Eine Stadt, in der die relevanten Care-Aufgaben nicht an Einzelpersonen, in aller Regel Frauen, hängen bleiben. In einer sorgenden Stadt sind Frauen nicht Alleinverantwortliche für Sorgeverantwortungen, sondern diese werden von der Stadt getragen und als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden.

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Vielfalt Leben