Renate Künast ist die bessere Wahl für Lesben, Schwule und Trans* in Berlin

11.07.11 – von sebastian.walter –

Renate Künast, grüne Spitzenkandidatin für Berlin, im Interview mit queer.de.

"Die Grüne Renate Künast oder der Sozialdemokrat Klaus Wowereit? In Berlin liefern sich die beiden Spitzenkandidaten derzeit ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Laut einer Forsa-Umfrage von Ende Juni würden derzeit bei der Abgeordnetenhauswahl 27 Prozent für die Grünen votieren und 31 Prozent für die SPD. Die CDU und die Linkspartei sind mit 18 bzw. 11 Prozent abgeschlagen. Die Wahl findet am 18. September statt.

Im Interview mit queer.de-Redakteur Dennis Klein erklärt Renate Künast, warum sie sich als bessere Wahl für Schwule und Lesben sieht, was sie in Berlin ändern will und warum sie Hoffnung in die Wandlungsfähigkeit der katholischen Kirche hat.

Was wollen Sie besser machen als Klaus Wowereit?
Ich will weitermachen, wo wir Grünen angefangen haben. 1989 haben wir in Berlin das Referat für gleichgeschlechtliche Lebensweisen entwickelt, das von der grünen Senatorin Anne Klein umgesetzt wurde. Es war bundesweit das erste Referat dieser Art und steht heute in Koalitionsverträgen in Ländern, in denen wir mitregieren, in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Wir Grüne stehen für Kontinuität, auch beim Thema Gleichstellung, das bei uns in der Geburtsurkunde steht. Aktuellstes Beispiel: Der Aktionsplan gegen Homophobie, der den Schutz im Alltag zum Ziel hat. Wir haben das in Berlin vorgeschlagen, Rot-Rot hat's umbenannt und eingeführt mit einem Budget von zwei Millionen Euro. Uns ärgert aber, dass der Senat das Geld nicht einsetzt. Damit ist Berlin nur eine scheinbar tolerante Metropole, in der es leider homophobe und transphobe Gewalt gibt sowie alltägliche Diskriminierung. Die Aufklärungsarbeit muss hier konsequent ausgebaut werden.

Wo wollen Sie ansetzen?
Wir wollen vor allem an Schulen beginnen, aber auch Staatsanwälte und Richter brauchen Angebote für die Fortbildung in diesem Bereich. Sie müssen für das Thema sensibilisiert werden, wie es in früheren Jahren schon beim Thema "Gewalt in der Ehe" nötig war. Auch in der Verwaltung und Wirtschaft brauchen wir mehr Aufklärung und eine sichtbare Vielfalt, das Stichwort lautet Diversity. Ein anderer wichtiger Punkt ist sexuelle Gesundheit: Wir haben in Berlin steigende HIV-Infektionsraten. Wir wollen an den Satz der Aids-Hilfe erinnern: "Vergessen ist ansteckend". Wir müssen es schaffen, Menschen aus verschiedenen Kulturen zu erreichen. Außerdem ist unser Ziel eine wirkliche Gleichstellung von Lebenspartnerschaft und Ehe, denn es gibt immer noch Diskriminierung im Steuer- und Adoptionsrecht. Dabei ändert sich in der Gesellschaft das Verständnis von der Ehe. Wenn sich Schwule und Lesben verpartnern, nennt das bereits heute jeder Hochzeit, obwohl es Pflichten, aber kaum Rechte gibt. Wir müssen die Ehe gesetzlich ins 21. Jahrhundert bringen und nicht auf Kategorien aus dem 19. und 20. Jahrhundert beharren. Im Bundestag haben wir einen grünen Antrag zur Gleichstellung in der Ehe auf den Weg gebracht.

Pläne für das klamme Berlin klingen teuer. Haben Sie sich schon Gedanken um die Finanzierung gemacht?
Der erste Ansatz ist: Es gibt homophobe und transphobe Gewalt, und das finde ich unerträglich. Deswegen müssen wir etwas dagegen tun, mit Leuten reden, für Aufklärung sorgen. Das ist nicht teuer. So groß ist Berlin nicht, als dass das unüberwindbare Summen verschlingen würde.

Die CDU beklagt in ihrem Wahlprogramm die Hassgewalt gegen Schwule und fordert, ein Augenmerk auf "Herkunft und kulturellen Hintergrund der Täter" zu achten. Würden Sie das unterschreiben?
Manches verstehe ich beim CDU-Programm nicht. Was meinen die damit?

Die Passage bezieht sich wohl hauptsächlich auf Muslime.
Wir wissen, dass es in manchen Teilen der Gesellschaft ein recht traditionelles Männerbild gibt. Wir erleben auch in der von Ihnen angesprochenen Gruppe mehr Gewalt. Das müssen wir offen diskutieren. Aber Beschimpfungen ganzer Bevölkerungsteile lösen das Problem nicht. Wir erreichen nichts, wenn wir keinen Respekt füreinander haben. Das Thema geht ja weiter: Wir müssen über die Gewaltfrage nicht nur in Bezug auf Menschen mit unterschiedlichen sexuellen Orientierungen sprechen, sondern auch in Bezug auf den Respekt von Jungs gegenüber Mädchen, von den Religionen untereinander.

In Baden-Württemberg zeigt sich, dass die Grünen als großer Koalitionspartner nicht unbedingt schwul-lesbische Rechte hochhalten. So hat Tübingens OB Boris Palmer die Forderung nach dem Adoptionsrecht in Frage gestellt und Grün-Rot will gleichgeschlechtliche Paare im Beamtenrecht nur ab 2009 gleichstellen.
Unser Engagement für die Rechte von Schwulen und Lesben ist ungebrochen. Gerade die Berliner Tradition - die erwähnte Einführung des Referats für gleichgeschlechtliche Lebensweisen - hat zu einem republikweiten Aufruhr geführt. Volker Beck kämpft auch schon lange für gleiche Rechte. Aktuell wollen wir, dass der Paragraf 1353 BGB verändert wird, damit Eheschließungen für Schwule und Lesben möglich werden. Dann haben wir insoweit gleiche Rechte. Nach zehn Jahren Lebenspartnerschaftsgesetz ist das ein überfälliger Schritt. Und zu Boris Palmer: Er ist kein Teil der Landesregierung, und seine Thesen sind eindeutig von der Partei zurückgewiesen worden.

Im September wird der Papst kurz nach der Abgeordnetenhauswahl Berlin besuchen. Es gibt eine Demo gegen die "menschenfeindliche Geschlechter- und Sexualpolitik" des Vatikans. Werden Sie bei der Demo dabei sein?
Das weiß ich noch nicht, ich schaue mir auf jeden Fall den Aufruf an. Vielleicht finde ich andere Wege.

Es gab ja im Vorfeld einen Streit um die Einladung des Papstes in den Bundestag.
Er wurde ohne unsere Zustimmung eingeladen. Jetzt ist er als Staatsoberhaupt eingeladen und wir sollten ihm Respekt zollen - das gebieten die guten Umgangsformen. Ich erwarte vom Papst, dass er sich zu den drängendsten Problemen des Alltags äußert und die Vielfalt Berlins zur Kenntnis nimmt. Im Herzen habe ich die Hoffnung, dass auch er in seiner Rede andere Lebensweisen und sexuelle Orientierungen ausdrücklich respektiert. Im katholischen Katechismus steht ja, dass Gläubige Achtung und Respekt gegenüber Homosexuellen haben sollen. Bei diesem Thema finde ich den Kussmarathon eine gute Idee. Hier wird gezeigt, dass Schwule und Lesben füreinander Verantwortung übernehmen wollen. Ich weiß nicht, warum ein Papst das nicht respektieren sollte.

Auch an der Ernennung von Rainer Maria Woelki zum neuen Berliner Erzbischof gab es Kritik. Er gilt als Hardliner, der glaubt, dass Schwule und Lesben "gegen die Schöpfungsordnung" verstoßen.
Ich habe auch an ihn die Erwartung, dass er die Buntheit und Vielfalt Berlins anerkennt und mit allen Berlinerinnen und Berlinern das Gespräch sucht. Ich erwarte von der katholischen Kirche, dass sie ihre Position verändert. Dort wird man ja auch wahrnehmen, was in der Welt los ist, wie die Gesellschaft bunter und vielfältiger wird. Man nehme nur das Beispiel der Diskussion um das Recht auf Eheschließung.

Apropos Eheschließung. Ab wann, glauben Sie, können wir denn heiraten?
(lacht) Jetzt enden wir mit einer Glaubensfrage. Ich glaube, nach zehn Jahren Experimentieren ist es höchste Zeit, die vollständige Gleichstellung anzustreben. Das wird nicht über Nacht gehen. Aber ich verspreche, dass wir uns dafür einsetzen werden. Deswegen haben wir ja einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht, der das Recht zur Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vorsieht. Ich habe vor Jahren mal auf dem Motzstraßenfest in Berlin eine Eheschließung inszeniert. Das möchte ich gerne bald in Echt erleben."

Quelle: http://www.queer.de/detail.php?article_id=14618