Protokoll der Sitzung der Berliner LAG Frieden & Internationales vom 30. April 2012

09.05.12 –

TOP 1: Nachhaltige öffentliche Beschaffung

Heiko Glawe von DGB Berlin/Gewerkschaftsgrün gab einen Input zum Thema „Arbeitspolitik als Friedenspolitik – Internationale Arbeitsnormen im Vergaberecht“.

Im Gegensatz zu den gängigen Diskussionen, die auf Durchsetzung von Arbeitsnormen fokussiert sind, soll eine Erweiterung um den Bezug auf Friedenspolitik vorgenommen werden.

Die Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) nennt als Ziel die Siche­rung des Weltfriedens durch Verbesserung der Arbeits- und Lebens­bedin­gun­gen al­ler Menschen. (http://www.ilo.org/public/german/region/eurpro/bonn/ziele/index.htm)

Sie bezieht sich nicht auf transnationale Konzerne.

Die Erklärung über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit von 1998 unterstreicht die Bedeutung der Kernarbeitsnormen.

Die Globalisierung hat zu einer enormen Ausweitung transnationaler Wertschöpfungs­ketten geführt. Es entstehen zunehmend Räume innerhalb staatlicher Territorien, die durch transnationale Regelungen bestimmt werden (Sonderwirtschaftszonen). Diese Regeln werden direkt und indirekt auch mit Gewalt durchgesetzt. Arbeitsbedingungen sind also immer weniger national zu bestimmen. Das äußert sich u.a. in der in den letzten Jahren verstärkt aufgekommenen Diskussion über Labeling.

Ländervergabegesetze gibt es seit langem; schon Endes des 19. Jahrhunderts war „ortsüblicher Lohn“ ein Kriterium. Die Kriterien bezogen sich bis vor relativ kurzem darauf, den nationalen Arbeitsmarkt zu stabilisieren. 2004/2005 wurde auf europäischer Ebene klargestellt, daß die Berücksichtigung sozialer Kriterien in Vergabegesetzen zulässig ist. Berlin hat 2007 als erstes Bundesland ILO-Normen aufgenommen. Der Europäische Gerichtshof hat zwar kurz darauf das in diesem und auch anderen Ländervergabegesetzen enthaltene Tariftreuekriterium für unzulässig erklärt; es folgten aber weitere Ländervergabegesetze mit Bezug auf die ILO-Kernarbeitsnormen. In Berlin trat 2010 in einem zweiten Anlauf das heutige Vergabegesetz in Kraft, das bis heute nur unzureichend umgesetzt wird.

Wie können die Forderungen konkretisiert werden? Es gibt Labels für Kaffee u.ä.; schwieriger ist das Labeling z.B. für Software-Leistungen.

Das Berliner FAIRgabe-Bündnis ist so etwas wie ein „Dachverband“ der Organisationen, die sich in Berlin für faire Vergabe einsetzen.

Soziale Konflikte nehmen inbesondere in Sonderwirtschaftszonen, in denen transnationale Unternehmen tätig sind, zu. Als Beispiel für wachsende soziale Spannungen kann auch Israel dienen, wo erstmals eine Bewegung, die soziale Fragen und nicht den Nahost-Konflikt in den Mittelpunkt stellt, sehr breite Aufmerksamkeit erfahren hat.

Sonderwirtschaftszonen zeichnen sich durch Einschränkungen des sozialen Arbeitsrechts (z.B. Gewerkschaftsfreiheit), des Umweltrechts, Steuerbegünstigungen u.ä. aus. Die Unternehmen bestehen bei Investitionen darauf, daß bestimmte Bedingungen gelten und auch für die Zukunft zugesagt werden. Dazu gehören mitunter auch Menschenrechtsverletzungen. Dieses Phänomen gibt es überall auf der Welt, auch in Europa.

 

Fragerunde:

 

Was passierte, als das neue Landesvergabegesetz vom EuGH gekippt wurde? 2010 wurde ein neues Berliner Landesvergabegesetz verabschiedet, das die beanstandeten Tarifregelungen nicht enthielt aber die ILO-Kernarbeitsnormen wieder aufgriff; inzwischen hatten andere Bundesländer in verschiedenen Koalitionen (aber nie unter Schwarz-Gelb) Landesvergabegesetze mit Bezug auf die ILO-Kernarbeitsnormen verabschiedet. Die Frage ist immer, wie man die Gesetze durchsetzen und vor Ort die Einhaltung kontrollieren kann. Ein Instrument ist zum Beispiel eine Bietererklärung, in der Unternehmen sich verpflichten, für die Einhaltung von Normen zu sorgen; daran sind dann direkt Konventionalstrafen geknüpft, und manche Unternehmen zögern, eine solche Verpflichtung auf sich zu nehmen.

Es muß ein klares Signal gesetzt werden, daß die öffentliche Hand bestimmte Kriterien anlegen wird; wenn perspektivisch klar ist, daß immer mehr Kommunen ein bestimmtes Kriterium anlegen werden, lohnt es sich für Unternehmen, dementsprechend zu produzieren.

2002 wollte Rot-Grün ein Bundesvergabegesetz verabschieden, was aber an der schwarz-gelben Mehrheit im Bundesrat gescheitert ist. Bei der CDU gibt es zwei Motivationen zugunsten fairer Vergabe, eine christliche sowie den Nebeneffekt, daß damit mitunter auch Produktion nach Deutschland zurückverlagert wird.

16% des BIP entfällt auf öffentliche Vergabe; im IT-Bereich sind es über 20%.

Je kleiner ein Land und je geringer seine Rolle in der transnationalen Wertschöpfungskette ist, desto härter kann der jeweilige ILO-Länder-Bericht ausfallen. Da die transnationalen Konzerne in der ILO vertreten sind, verhindern sie bei für sie relevanten Ländern eine strenge Berurteilung.

Die Drohung eines norwegischen Pensionsfonds, wegen Kinderarbeit und Pestizid-Einsatz bei einem Zulieferer von Bayer auszusteigen, führte dazu, daß Bayer nicht nur wie sonst in solchen Fällen üblich den Zulieferer gewechselt hat in der Hoffnung, daß Probleme beim neuen Zulieferer eine Zeitlang nicht bekannt werden, sondern bei diesem Zulieferer geblieben ist und investiert hat mit dem Ziel, die Zustände zu ändern.

Noch bis Anfang des Jahrtausends galten soziale und ökologische Kriterien als „vergabefremde Kriterien“, und es gab einen breiten Konsens zwischen Unternehmen und Vergabestellen, dass sie bei der Vergabe keine Rolle spielen sollten. Noch 2007 gab es große Empörung z.B. der IHK, als in Berlin festgelegt wurde, daß die Vergabe den allgemeinen politischen Zielen der Regierung dienen soll.

 

TOP 2: Biomasse

 

Bericht von Tobias aus der LAG Energie: Vattenfall sagt, daß es Holz auf dem Spotmarkt kauft und nicht vorherzusehen ist, wo das Holz herkommen wird. Sie leiten in Liberia gekauftes Holz nach Skandinavien, weil es daran in Berlin Kritik gab. Demnächst werden Zertifikate für die Steinkohleverstromung gekauft werden müssen; deshalb lohnt es sich, Steinkohle durch Holz zu ersetzen; der so produzierte Strom fällt z.T. auch unter das EEG. Liberia ist ein Beispiel dafür, was auch in anderen Ländern des globalen Südens passieren kann: Ein großer Nachfrager kauft sehr günstig eine der wesentlichen Energiequellen des Landes ein und exportiert nach Europa. In Liberia hatte das bisher den Effekt, daß Kautschukbäume weitgehend aufgekauft werden; der Holzkohlepreis, der für viele Haushalte wichtig ist, hat sich in Monrovia und anderen Teilen des Landes in den letzten Jahren ungefähr verdoppelt; ein kausaler Zusammenhang mit den Vattenfall-Ankäufen ist nicht nachgewiesen; es hat aber schon große Ankäufe gegeben. Die Bevölkerung wird voraussichtlich auf Primärwälder ausweichen, um ihren Bedarf zu decken.

In Liberia haben viele Haushalte keinen Strom. Vattenfall hatte ein Holzkraftwerk versprochen, das einen wesentlichen Beitrag zur Deckung des Strombedarfs decken sollte aber bisher noch nicht ans Netz gegangen ist.

In der LAG Energie ist der Diskussionsstand der, daß wir uns zurzeit strikt gegen jede Nutzung von Holz zu energetischen Zwecken wenden sollten. Akzeptabel sind Schwach- und Restholz aus den Forsten der Region und Holz am Ende der Kaskadennutzung, z. B. Altmöbel, aber nicht Frischholz. Nicht einmal das FSC-Siegel würde garantieren, daß das Holz nachhaltig angebaut wird, und selbst wenn das FSC-Siegel wasserdicht ausgebaut werden kann, würde der Ankauf von Holz dazu führen, daß die Bevölkerung auf andere Wälder ausweicht. Vattenfall versucht sich im Greenwashing; es gibt eine Nachhaltigkeitsvereinbarung mit dem Berliner Senat, die aber nicht ausreichend überprüft wird.

 

Frage:Woher haben wir andere Zahlen als Vattenfall? Aus einer bestimmten Anzahl von Menschen läßt sich ein bestimmter Bedarf berechnen. Frage: Wie wird dagegen argumentiert, daß der Holzexport eine Einnahmequelle für ein armes Land ist? Das Holz wird von der Bevölkerung tatsächlich benötigt; die Arbeitsbedingungen sind z.T. schlecht, z.B. Kinderarbeit.

 

TOP 3: Verschiedenes

 

Felix gibt einen kurzen Bericht vom Länderrat in Lübeck. Der Iran-Antrag des BAG Frieden wurde mit nur geringfügigen Änderungen einmütig bei wenigen Enthaltungen verabschiedet. Konstantin von Notz, Claudia Maicher, Ska Keller und Felix wurden in die Antragskommission für die kommende BDK in Hannover gewählt.

Der Briefentwurf der AG Nahost und die Struktur der angestrebten Vorstellung in den Kreisverbänden wurden diskutiert. Der Briefentwurf wird noch einmal leicht überarbeitet und dann über den Verteiler abgestimmt und verschickt. In den Kreisverbänden soll die LAG von einem/r der LAG-SprecherInnen kurz (ca. 3 min.) vorgestellt werden; danach soll es einen Vortrag von einem Mitglied der AG Nahost zur Nahostpolitik mit anschließender Diskussion geben. Die Frage, ob die deutschen U-Bootlieferungen an Israel und das damit zusammenhängende Problem der israelischen Atomwaffen im Brief und/oder dem Vortrag angesprochen werden sollen, wurde (wie auch zuvor in der AG Nahost) kontrovers diskutiert; mit knapper Mehrheit wurde beschlossen, das Thema zu erwähnen; es soll aber nicht im Zentrum stehen, sondern nur kurz erwähnt und bei Interesse in der Diskussion aufgegriffen werden. Der Briefentwurf wird entsprechend angepaßt.

 

Protokoll: Felix