04.05.24 –
Beschluss auf der Landesdelegiertenkonferenz:
Der Abschiebestopp für den Iran ist in Deutschland zum 31.12.23 ausgelaufen und wurde von der Innenminister*innenkonferenz (IMK) unter dem Vorsitz der Berliner Innensenatorin Iris Spranger und der sie tragenden schwarz-roten Koalition unter Kai Wegner nicht verlängert. Noch schlimmer: Das Thema hat es unter Schwarz-Rot noch nicht einmal auf die Tagesordnung der IMK geschafft. Und das, obwohl sich an der politischen Situation im Iran nichts verändert hat.
Gemeinsam mit der Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung rufen wir die politischen Entscheidungsträger*innen aller Parteien in Land und Bund, insbesondere jedoch die Berliner Innensenatorin Iris Spranger und ihren Staatssekretär Christian Hochgrebe, auf, sich im Rahmen der anstehenden Vorkonferenz am 6.-7. Juni in Berlin und der IMK-Frühjahrskonferenz am 19.-21. Juni 2024 in Potsdam für eine dringend notwendige bundesweite Verlängerung des Abschiebestopps in den Iran einzusetzen. In einem ersten Schritt fordern wir den Berliner Senat auf, den Antrag der Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern zur Aufsetzung dieses Themas auf die Tagesordnung der nächsten IMK aktiv zu unterstützen. Den bayerischen Innenminister Joachim Herrmann (CSU) fordern wir auf, die menschenrechtswidrige Praxis der rücksichtslosen Abschiebung von Geflüchteten aus dem Iran sofort zu beenden.
Die Menschenrechtslage im Iran ist hoch problematisch: Ethnische, religiöse und gesellschaftliche Minderheiten, besonders Kurd*innen, werden systematisch unterdrückt und diskriminiert. Meinungs- und Pressefreiheit existieren nicht. Einfache Meinungsäußerungen oder die Teilnahme an Demonstrationen können massive Verfolgung und Tod bedeuten. Zudem werden die Rechte von Frauen und weiblich gelesenen Menschen gesetzlich massiv beschnitten. Nicht selten trifft die Gewalt jedoch auch willkürlich gewählte Personen, nur um Exempel zu statuieren. Vor Gericht gibt es keine rechtsstaatlichen Verfahren. Oft werden in Schnellverfahren Geständnisse unter Folter erzwungen und sexualisierte Gewalt findet Berichten zufolge in iranischen Gefängnissen regelmäßig statt. Hinrichtungen sind an der Tagesordnung und werden als Werkzeug der Einschüchterung und Unterdrückung verwendet.
Oft kommt es nach solchen Scheinprozessen zu der Verhängung einer langen Haftstrafe oder der Todesstrafe. Im Jahr 2022 wurden im Iran nahezu 600 Menschen den offiziellen Zahlen zufolge hingerichtet. 2023 waren es mehr als 800 Hinrichtungen. Die Menschen sind der Willkür des iranischen Regimes ausgesetzt. Am 23.01.2024 wurde beispielsweise der 24-jährige Mohammad Ghobadlou hingerichtet. Er war einer der ersten Iraner*innen, die bei den Protesten nach dem Tod von Jina Mahsa Amini im Herbst 2022 inhaftiert worden waren.
Seit dem Tod der 22-jährigen Kurdin Amini in der Gefangenschaft der iranischen Revolutionsgarden gehen landesweit tausende Iraner*innen auf die Straße und kämpfen für Demokratie und Freiheit. Die Menschen gehen auf die Straße trotz der allgegenwärtigen Gefahr, das mit ihrem Leben zu bezahlen. Tausende Demonstrant*innen wurden seit Beginn der Proteste festgenommen, viele Menschen wurden hingerichtet. Sie sind Held*innen des Kampfes für Demokratie und Menschenrechte, denen unsere volle Solidarität gelten muss. Auch in Deutschland haben sich tausende Menschen mit ihnen solidarisiert. Die Iranischstämmigen unter ihnen sind sogar in Deutschland mit Angriffen und Einschüchterungsversuchen konfrontiert und müssen im Falle einer Abschiebung auch diesbezüglich Repression und Verfolgung befürchten.
Parteiübergreifend haben in Deutschland Politiker*innen Patenschaften für politische Gefangene in Iran übernommen. Die in Iran inhaftierte Menschenrechtlerin Narges Mohammadi wurde 2023 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Dies sollte ein klares Bekenntnis Deutschlands und der Weltgemeinschaft sein, den Freiheitskampf der iranischen Bevölkerung anzuerkennen und die Menschenrechte in Iran zu verteidigen.
Den gefährlichen und oft tödlichen Kampf gegen das mörderische Regime ficht die Bevölkerung im Iran weiterhin allein aus.
Diejenigen, die in der Hoffnung auf Schutz vor Repression und Menschenrechtsverletzungen nach Deutschland geflüchtet sind, zu schützen, ist das Wenigste, was Deutschland und das Land Berlin machen können, um einen Beitrag zu einer beispiellosen Bewegung für Demokratie, Frauen- und Menschenrechte in der Region zu leisten. Menschen in ein Land abzuschieben, in dem es keinerlei Garantie für die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien gibt und willkürliche Verhaftungen, Folter und Todesstrafe drohen, ist verantwortungslos und absolut unvereinbar mit unseren Werten.
An der BAMF-Entscheidungspraxis wird deutlich, dass das reguläre Asylverfahren nicht ausreicht, um den notwendigen Schutz dieser Menschen zu gewährleisten: Obwohl ausnahmslos jede*r im Iran gefährdet ist, lehnte das Bundesamt im Jahr 2023 mehr als die Hälfte der Asylanträge iranischer Staatsangehöriger ab. Selbst die bereinigte Schutzquote liegt nur bei 45,6%.
Menschen, die vor dem iranischen Regime nach Deutschland geflohen sind, müssen sich hier dauerhaft sicher fühlen können. Daher fordern wir den schwarz-roten Senat und die Innenminister*innenkonferenz dringend auf, den bundesweiten Abschiebestopp umgehend zu verlängern oder mindestens hilfsweise einen landesweiten Abschiebestopp zu veranlassen, um deutlich mehr geflüchteten Iraner*innen einen angemessenen Schutz in Deutschland und im Land Berlin zu bieten.
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