FLINTA*-Waggons für Berlin: Schutz, Sichtbarkeit und Solidarität im ÖPNV

11.10.25 –

Der Senat wird aufgefordert, gemeinsam mit der BVG, der S-Bahn Berlin GmbH und dem VBB, unter Einbeziehung zivilgesellschaftlicher FLINTA*-Organisationen, die Einrichtung barrierefreier FLINTA*-Waggons im Berliner S- und U-Bahnverkehr umzusetzen. Da in Berlin neben einzelnen Waggons auch durchgängige Zugeinheiten im Einsatz sind, soll der Begriff „FLINTA*-Waggon“ flexibel verstanden werden. In Fällen, in denen eine Abtrennung einzelner Waggons nicht möglich ist, wird stattdessen der vordere Zugbereich, der unmittelbar hinter der Fahrer*innenkabine ist, als FLINTA*-Bereich ausgewiesen.

Wir fordern:
Die sofortige Einführung geschützter Waggons für FLINTA*-Personen (Frauen, Lesben, inter, nicht-binäre, trans und agender Menschen) in der Berliner S- und U-Bahn – ohne Einschränkungen nach Tageszeit oder Linie, barrierefrei und gut sichtbar.

 

FLINTA*-Personen sind im öffentlichen Raum nicht sicher

Jeden Tag erleben FLINTA*-Personen im Berliner Nahverkehr Belästigungen, sexualisierte Gewalt und verbale Übergriffe. Besonders nachts sowie an wenig frequentierten oder unübersichtlichen Stationen sowie in Waggons werden sie zur Zielscheibe patriarchaler Gewalt. Diese Realität schränkt die Bewegungsfreiheit von FLINTA* massiv ein: Viele meiden bestimmte Linien oder Uhrzeiten, steigen vorzeitig aus oder greifen auf teurere Verkehrsmittel zurück – aus Angst. Damit wird ihr Grundrecht auf gleichberechtigte Teilhabe am öffentlichen Raum faktisch untergraben. FLINTA*-Personen mit Migrationsgeschichte und BIWOC (Black, Indigenous and Women of Colour) sind hiervon oft besonders betroffen. Sie erleben Mehrfachdiskriminierung – unter anderem durch rassistische Zuschreibungen und strukturelle Ausschlüsse. Rassistisch motivierte Übergriffe werden häufig nicht ernst genug genommen, und der Umgang mit Behörden oder Institutionen ist oft von Vorurteilen geprägt.
Für Einige können zusätzlich sprachliche Barrieren den Zugang zu Hilfe, Schutz und politischer Teilhabe erschweren. Auch kulturelle Unterschiede können zu Unsicherheiten im Kontakt mit staatlichen Stellen oder im öffentlichen Raum führen.

 

FLINTA*-Waggons: Ein konkreter Schritt für mehr Sicherheit

Um dem strukturellen Mangel an Schutz entgegenzuwirken, fordern wir die Einführung spezieller Waggons für FLINTA*-Personen in der Berliner S- und U-Bahn. Diese Waggons sollen sichere Räume im öffentlichen Verkehr schaffen – sichtbar, zugänglich und freiwillig nutzbar.
FLINTA*-Waggons schaffen Schutz, Sichtbarkeit und Solidarität. Sie bieten geschützte Räume, in denen FLINTA*-Personen sich sicherer bewegen können – besonders in Situationen, in denen Übergriffe häufig sind. Internationale Beispiele, wie etwa aus Tokio, zeigen: Solche Waggons können das Sicherheitsgefühl nachweislich verbessern. Gleichzeitig machen sie sichtbar, dass Sicherheit im öffentlichen Raum nicht für alle gleichermaßen gegeben ist. Sie thematisieren strukturelle Machtverhältnisse – nicht individuelle Verantwortung. Sie sensibilisieren Mitreisende und Verkehrsunternehmen für die Perspektiven von FLINTA* und stärken als kollektive Räume gegenseitige Unterstützung, Vernetzung und eine feministische Praxis der Fürsorge. Denn Sicherheit ist keine Privatsache – sie ist eine gesellschaftliche Verpflichtung.

 

Zugang und Freiwilligkeit

Zutritt erhalten FLINTA*-Personen, Kinder bis einschließlich 14 Jahre in Begleitung sowie Menschen mit Mobilitätseinschränkungen. Ziel ist es, Schutzbedarfe anzuerkennen, ohne neue Barrieren zu schaffen. Die Nutzung ist selbstverständlich freiwillig – niemand ist verpflichtet, diese Waggons zu nutzen. FLINTA*-Personen können auch weiterhin alle anderen Abteile nutzen.
Diese Schutzräume sind als Übergangslösung zu verstehen – solange umfassende Sicherheit im öffentlichen Raum nicht gewährleistet ist. Gleichzeitig müssen Maßnahmen gegen Gewalt und Belästigung weiterentwickelt und flächendeckend umgesetzt werden.

 

Sichtbarkeit und Positionierung

Die FLINTA*-Waggons sollen sich stets am Anfang des Zuges befinden – direkt hinter der Fahrer*innenkabine. Durch gut sichtbare Aufschriften, Piktogramme und mehrsprachige Hinweise an Bahnhöfen sowie in Verkehrs-Apps sind sie leicht auffindbar. Die Nähe zur führenden Kabine erhöht das Sicherheitsgefühl und wirkt abschreckend auf potenzielle Täter.

 

Begleitmaßnahmen und Sicherheitsinfrastruktur

Neben der Einführung der FLINTA*-Waggons fordert der Antrag die Ausstattung aller Waggons mit gut sichtbaren Notrufeinrichtungen, die schnelle und unkomplizierte Hilfe bei Übergriffen ermöglichen. Ebenso soll eine niedrigschwellige, mehrsprachige Hotline eingerichtet werden, die das Melden von Übergriffen erleichtert und Sprachbarrieren abbaut. Diese Maßnahmen sind essenziell, um den Schutz aller Fahrgäste zu gewährleisten und die Sicherheit im Berliner ÖPNV nachhaltig zu erhöhen.
Die Einführung und Umsetzung der FLINTA*-Waggons sollen von Beginn an wissenschaftlich begleitet, ausgewertet und intersektional evaluiert werden. Dabei sollen insbesondere Erfahrungen, Perspektiven und Bedarfe von FLINTA*- Personen systematisch erfasst und in die Weiterentwicklung des Angebots einbezogen werden.

 

Kategorie

Vielfalt Leben