Besuchsreihe Solidarische Ökonomie

03.09.12 –

In loser Reihe besuchen wir auch Unternehmendie schon heute Anders Wirtschaften

 

31.10.2012 bei Oktoberdruck
Bericht vom Besuch bei Oktoberdruck in Friedrichshain

39 Jahren Oktoberdruck – Eine Betriebsbesichtigung.

Auf unserer Besuchertour zu Betrieben, die anders wirtschaften, haben wir am 31.10.2012 die West-Berliner Legende "Oktoberdruck" besucht. Als Oktoberdruck 1973 von Studierenden gegründet wurde, standen neben dem professionellen Druckerzeugnis das selbstbestimmte Arbeiten und die politische Auseinandersetzung im Mittelpunkt.
Martina Fuchs-Buschbeck vom Vorstand hat uns versichert, dass das auch heute nicht anders ist.

 

 

Begrüßung und Produktbeispiele (Foto: C. Wesbuer)

Heute gehört Oktoberdruck mit 22 MitarbeiterInnen, 2 Auszubildenden und einem Umsatz von 2,5 Mio. € zu den führenden Offsetdruckereien in Berlin. 

In den 39 Jahren des Bestehens gab es ein stetes auf und ab. Neue Technik hat die alte verdrängt. Umsatz-Wachstum zog eine Vermehrung der KollektivistInnen nach sich. Was bei wenigen noch am Küchentisch ausgehandelt werden konnte, musste bald in anderen Strukturen entschieden werden, die auch im weiteren Verlauf immer wieder neu ausgehandelt wurden. Um personellen Wechsel zu ermöglichen wurde mehrmals die Unternehmensform angepasst. Heute ist Oktoberdruck eine soziale Aktiengesellschaft. Die Anzahl der Beschäftigten musste erst kürzlich den aktuellen Umsatzzahlen angepasst und reduziert werden. "Entlassungen" in einem selbstverwalteten Betrieb ist keine einfache Angelegenheit, aber auch das wurde so solidarisch ausgehandelt wie es eben ging. Was daneben noch „anders“ ist bei Oktoberdruck? Das Unternehmen gehört den MitarbeiterInnen, Entscheidungen werden möglichst im Plenum getroffen und alle verdienen das selbe, nur der Vorstand bekommt noch eine kleine Aufwandsentschädigung zusätzlich.
Transparenz wird bei Oktoberdruck groß geschrieben. Deshalb stehen die Druckmaschinen nur durch eine Glaswand von den Büroräumen getrennt auf derselben Ebene. Es gibt keine kleinen Besprechungsräume, in denen „Deals“ gemacht werden können, verhandelt und besprochen wird im großzügigen Durchgangsbereich zwischen den anderen Büros, die ebenfalls zumindest teilweise Glaswände haben.

 

 

Hier werden die Druckvorlagen hergestellt (Foto: C. Wesbuer)

Oktoberdruck hat seinen Sitz seit geraumer Zeit in der Oberbaumcity und bezeichnet sich als die erste Adresse für umweltbewusstes und Ressourcen schonendes Drucken in Berlin. 1995 wurde das Umweltmanagementsystem EMAS eingeführt. EMAS ist ein Gemeinschaftssystem für ein freiwilliges Umweltmanagement. Es ist ein von der EU 1993 entwickeltes Instrument für Unternehmen, die ihre Umweltleistungen verbessern wollen.
Doch die Lage wird schwieriger. In der Region Berlin-Brandenburg gibt es erhebliche Überkapazitäten an Druckereien. Onlinedruck und Niedrigstpreise haben seit geraumer Zeit zu diversen Insolvenzen geführt. Doch die Druckkapazitäten einer insolventen Druckerei verschwinden nicht einfach vom Markt. Sie produzieren mit anderen BesitzerInnen und zu anderen Bedingungen weiter. Die Preise sinken, der ganze Markt befindet sich im Umbruch.

Doch ein gutes Druckerzeugnis mit einer fachkundigen Beratung, produziert unter guten Arbeitsbedingungen, mit Löhnen, von denen die MitarbeiterInnen leben können, haben ihren Preis.

Diese Herausforderung macht auch vor Oktoberdruck nicht halt.

Wir danken Oktoberdruck für die gewonnenen Erkenntnisse, wünschen Euch alles Gute und hoffen, dass wir unsere "Stachligen Argumente" noch möglichst lange bei Euch drucken können.

 

 

8.10.2012 bei AfB Social and Green IT 

 

Bericht vom Unternehmensbesuch AfB, auf dem Gelände der alten Mälzerei in Schöneberg

Kann es ein Unternehmen geben, dass hohe soziale und ökologische Standards einhält, selbst die Umwelt nicht be- sondern entlastet und dass sich ohne Subventionen und Sonderbehandlung am Markt behaupten kann? 

Wie das geht, hat uns der Firmengründer Paul Cvilak von AfB (Arbeit für Behinderte) gezeigt.  


Bei der Begrüßung im Verkaufsraum
(Foto: Melanie Zagrean)

Am 8. Oktober konnten wir uns mit einer Gruppe von 15 interessierten Berliner Grünen auf dem Gelände der alten Mälzerei in Schöneberg ansehen, wie ausgemusterte Unternehmenshardware (vom Smartphone über Drucker und Notebooks bis zu PCs) gelagert, deren Daten zertifiziert gelöscht werden und wie die Geräte wieder aufbereitet in den Wiederverkauf gelangen, oder zerlegt ins Recycling gehen. Durch die Weiterverwendung werden Ressourcen eingespart und die abgebenden Unternehmen können eine zeritifizierte Entsorgung nachweisen. Mit dieser Idee wurden in den letzten sieben Jahren zehn Standorte entwickelt und 160 Arbeitsplätze, die zu 50 Prozent durch Menschen mit Behinderungen besetzt sind, geschaffen.


Im Lager werden die Geräte professionell gelagert
(Foto: Melanie Zagrean)

Das Geschäftsmodell funktioniert – AfB ist Dienstleister für große Unternehmen, und finanziert sich ausschließlich durch den Wiederverkauf der, durch den eigenen Fuhrpark abgeholten und wieder aufbereiteten, Geräte. Außer den allgemein zugänglichen Förderungen für die Eingliederung behinderter Menschen ins Berufsleben hat AfB nach eigenen Angaben keine Fördermittel in Anspruch genommen. Ganz im Gegenteil. So konnten beispielsweise Schulen in Baden-Württemberg günstige Computer bekommen, die vorher in den Landesverwaltungen ausgemustert wurden.


Nach einem qualifiziertem Test kommen die Geräte wieder in den Verkauf
(Foto: Melanie Zagrean)

Der Herausforderung:
Das Geschäft ist kapitalintensiv. Ohne den Unternehmergeist von Paul Cvilak und seine Bereitschaft selbst viel Geld in diese Idee zu investieren, hätte es nicht funktioniert

Was er sich von der Politik wünscht:
Keine Sonderbehandlung, keine Subventionen. Gerade für die MitarbeiterInnen mit Behinderung ist es wichtig, dass sie „normale Arbeitsplätze“ in einem „normalen Wirtschaftsunternehmen“ haben. 

Aber eins könnten wir doch für ihn machen:
Darüber reden, damit die Idee bekannter wird und sie neue Kooperationspartner gewinnen, die ihre Dienstleistungen künftig in Anspruch nehmen.

 

Hier gibt es einige Links zum weiterlesen.

Es gibt sicherlich noch viel ehr Projekte, die es verdient hätten hier aufgeführt zu werden. Hier wollen wir nur beispielhaft zeigen, was heute schon funktioniert. Nicht alle Projekte die hier verlinkt sind spiegeln  unsere Meinung in allen Aspekten  wieder. Wir sind dennoch der Ansicht, dass es gut ist, möglichst viele Eindrücke zu sammeln, um sich ein Bild über die vielen Möglichkeiten zu machen.

Überblicke und Studien:
In vielen Instituten wird über die Solidarische Ökonomie geforscht. Hier ein kleiner Ausschnitt.

  • Das Technologienetzwerk Berlin TechNet arbeitet seit 1987 zum Thema Solidarische Ökonomie und forscht dazu nicht nur in Berlin, sondern weltweit.
    2007 hat das TechNet eine Erhebung über das Potential der SolidarischenÖ konomie im Ostteil der Stadt durchgeführt. Hier geht es zum Abschlussbericht "Soziale Ökonomie in Berlin"
  • Auch das netz NRW, der Wirtschaftsverband für klein- und Kleinstunternehmen aus Dienstleistung, Handel und Handwerk sowie für soziale, soziokulturelle und ökologisch orientierte Unternehmen in NRW, beschäftigt sich mit dem Thema.
  • Eine alte Unternehmen sform in der sich solidarischen Ökonomie schon sehr lange organisiert ist die Genossenschaft. INNOVA eG ist eine solche Organisation, die bei Neugründungen beratend zur Seite steht.

Forschung und Lehre in Deutschland:
Auch an Universitäten ist dieses Thema nicht unbekannt.

  • Die Mercatorstiftung betreibt den Forschungsverbund "Innovatives Soziales Handeln - Social Entrepreneur"
  • Weiterbildungsangebote zu diesem Thema gibt es einige. Hier geht es beispielsweise zum Curriculum von Cest.

Anders Wirtschaften und Leben:
Hier wollen wir verschiedene Projekte vorstellen.

  • Das Projekt ExRotaprint hat das alte Gelände im Wedding auf der Basis von Erbpacht übernommen und bietet vielen KleinunternehmerInnen und KünstlerInnen ein produktives Umfeld.
  • Die Regenbogenfabrik in Kreutzberg bietet nicht nur Lebensraum, sondern auch Arbeitsplätze und Kultur.
  • Die Selbstbau eG organisiert bezahlbares und selbstbestimmtes Leben und Wohnen
  • Auf dem Stadtgut Blankenfelde leben ca. 70 Menschen, die generationsübergreifendes Wohnen, Handwerk, Gärtnern und Projekte aller Art unter einen Hut bringen wollen.