Protokoll der LAG Sitzung am 29. März 2010

01.05.10 –

Protokoll der LAG-Sitzung vom 29. März 2010


TOP 1
Die Protokolle der letzten beiden Sitzungen vom 1. und 15. März wurden bestätigt.


TOP 2
Zu Gast war Cornelius Huppertz, der neue für den Nahen und Mittleren Osten zuständige Referent der bündnisgrünen Bundestagsfraktion, zum Thema „Irak nach den Wahlen“. Er führte mit der bewusst provokativen These ein, dass der Irak-Feldzug erfolgreich war und die Demokratie gewonnen hat, fügte aber gleich hinzu, dass es Aufgabe des restlichen Beitrags sein würde, diese These zu relativieren.
Der Beitrag gliederte sich in zwei Teile:
I.  Was bedeutet die Wahl?
II.  Was sind in der Folge die Aufgaben der internationalen Gemeinschaft im Irak?
I. Bedeutung der Wahl
Die Wahlen sind ein Schritt hin zu Demokratie. Diese ist noch lange nicht erreicht, es gab Fälschungsvorwürfe von beiden Seiten und wegen der Sicherheitslage kaum internationale Wahlbeobachtung, aber die Wahl gibt aus verschiedenen Gründen Anlass zu Hoffnung auf Demokratie und Stabilität: Sie ging knapp aus (die größten Blöcke liegen nur zwei Sitze auseinander); das Gewaltniveau war für irakische Verhältnisse relativ gering; die Wahlbeteiligung war mit 62% recht hoch; sie fand konfessionsübergreifend statt; es gab keine Boykottaufrufe der SunnitInnen; die Bündnisse sind konfessionsübergreifend aufgetreten.
Außer den Blöcken von Maliki und Allawi spielen vor allem die KurdInnen eine Rolle. Sie haben eine weitgehende Autonomie mit konsolidierten demokratischen Strukturen und werden vor allem danach gehen, mit wem sie diese am besten bewahren und ausbauen können.
II. Aufgabe der IG im Irak
Die USA verfolgen jetzt einen Abzugsplan. Die Invasion wird nicht als Erfolg gewertet, sondern überwiegend als Sündenfall: hohe Kosten, hoher Blutzoll, internationaler Ansehensverlust. Außerdem gibt es andere Baustellen, die Aufmerksamkeit und Ressourcen erfordern.
Die internationale Gemeinschaft hat ein Interesse an einem stabilen und demokratischen Irak und sollte sich dafür einsetzen. Positive Auswirkungen wären Stabilität in der Region, ein Vorbild für Demokratie in den arabischen bzw. islamischen Staaten sowie wirtschaftliche Kooperationsmöglichkeiten. Das Chaos und das Leid waren ein zu hoher Preis für die nun vorhandenen Ansätze von Demokratie; nichtsdestotrotz ist es wichtig, sich nun für deren Gedeihen einzusetzen.
In der anschließenden Diskussion stellte Cornelius noch einmal klar, daß die positiven Auswirkungen die Invasion nicht rechtfertigen, dass sie aber gesehen werden sollten. Konkret sollten sowohl wirtschaftliche als auch kulturelle Kooperationsmöglichkeiten gesucht werden (unter dem Vorbehalt der Sicherheit); dafür muss man sich aber aktiv interessieren; im Moment passiert in diesem Bereich nicht genug.
Darüber, ob es nun wirklich säkulare Politikangebote gibt oder das nur oberflächlicher Schein im Wahlkampf war, gehen die Meinungen auseinander.
Maliki hat in letzter Zeit bewiesen, dass er die Kommandogewalt hat, z.B. beim Vorgehen gegen die Sadr-Milizen; ob ihm die Armee aber bei einem militärischen Eingreifen in die Politik, das seine Äußerungen implizit anzudrohen schienen, folgen würde, ist eine andere Frage.
Der Iran hat in den Wahlen nicht auf eine Karte gesetzt. Er hat Einfluss im Irak und wird eher versuchen, seinen Einfluss auf die Regierenden zu mehren, egal, wer das grade ist.
Konfessionelle Gräben existierten auch unter Saddam schon; sie haben sich dann in der von Gewalt geprägten Situation verstärkt; jetzt sind sie wieder zurückgegangen aber nicht verschwunden.
Der Profit, den US-Firmen jetzt aus dem Irak ziehen, ist vernachlässigbar; der Krieg wurde nicht um Öl geführt.
Das Öl ist im Land ungleich verteilt; es soll laut Verfassung dem ganzen Land zugute kommen, egal, wo es gefördert wird. Dem stimmen auch die KurdInnen zu. Die Regierung muss sich mit den Gruppen arrangieren, in deren Gebiet das Öl liegt.
Im Irak gibt es eine gute Bildungsgrundlage und z.B. auch eine plurale Medienlandschaft. Es ist daher wesentlich aussichtsreicher, dort etwas Demokratieartiges aufzubauen, als in Afghanistan.
Irak wird kein Klientelstaat der USA werden; der Einfluss der USA ist eher gering; das Verhältnis wird pragmatisch sein und je nach Regierung etwas stärker oder schwächer.
Die Nichtbeteiligung Deutschlands an der Invasion wird differenziert betrachtet. Für die KurdInnen war die Invasion eindeutig eine Befreiung, und insoweit war die Nichtbeteiligung negativ; dennoch hat aber Deutschland auch bei ihnen ein gutes Standing. Soviel kurdische Staatlichkeit war nie. Die KurdInnen sprechen in Baghdad mit, doch das dient aus ihrer Sicht der Wahrung ihrer Autonomie, nicht der Festigung des irakischen Nationalstaats.
Die Gorran-Bewegung („Movement for Change“) bildet in Kurdistan die Opposition zu PUK und KDP, die mit einer gemeinsamen Liste antreten. Sie hat ein Viertel der Sitze im kurdischen Parlament und 8 von 325 Sitzen im irakischen Parlament.
Im Irak ist eine demokratische Kultur im Entstehen. Der größte Fortschritt für die Demokratie wäre es, wenn nun die VerliererInnen ihre knappe Niederlage akzeptieren und eine demokratische, kritische Opposition bilden und nicht wieder die großen Blöcke die Pfründe unter sich aufteilen.
Es gibt nur ein EU-Projekt im Irak, aber das ist gut: EUJUST LEX bildet Staatsanwälte u.ä. aus, bis vor kurzem im Ausland, seit einigen Monaten im Irak selbst.


TOP 3
Zur weiteren Planung einer Sitzung nach den Wahlen im Sudan wurde über die beiden Möglichkeiten abgestimmt, ob a) ein/e Angehörige/r der sudanesischen Botschaft sowie ein unabhängiger Mensch oder b) nur ein unabhängier Mensch eingeladen werden soll. Es stimmten 6 für a) und 2 für b) bei 2 Enthaltungen. Adnan und David K. wurden beauftragt, entsprechende Gäste einzuladen. Als unabhängiger Mensch käme dabei jemand von MICT („Media in Cooperation and Transition“) in Frage.