Protokoll der Sitzung vom 15. März 2010

21.04.10 –

Protokoll der Sitzung der Landesarbeitsgemeinschaft Frieden & Internationales in Berlin am 15. März 2010


Leitung: David K.
Protokoll: David K.
Zeit: 19.05 Uhr – 21.05 Uhr


Tagesordnung:
1.    Berichte der Delegierten von den Sitzungen der BAG Frieden/Internationales in Berlin
2.    Gespräch mit Arne Behrensen (Crisis Action Berlin) zu den anstehenden Wahlen im Sudan
3.    Sonstiges


1. Berichte
Ulf berichtete der LAG in seiner Eigenschaft als Delegierter und wurde durch Felix und Tobias ergänzt, die ebenfalls bei der BAG-Sitzung am 13./14. März in Berlin teilgenommen haben. Im Vordergrund habe das Thema Nahost gestanden. Auch der Umgang der internationalen Gemeinschaft mit dem Iran, die Lage in Afghanistan und Sri Lanka sowie Chinas Rolle in der internationalen Klimapolitik wurden auf der BAG-Sitzung diskutiert. Zu Afghanistan habe der politische Koordinator des Arbeitskreises Internationale Politik und Menschenrechte der Bundestagsfraktion, Frithjof Schmidt, einen Input-Referat gegeben. Er habe hervorgehoben, dass durch den Strategiewechsel von ISAF in den letzten Monaten einiges positiv in Bewegung geraten sei. Am besten fände dies Ausdruck in den Gesprächen mit den Taliban. Die Debatte wurde als insgesamt positiv bewertet, allerdings habe sich das Debattenverhalten als problematisch herausgestellt. Statt einem dialogorientierten Diskurs wurden zumeist altbekannte (und mitunter sachlich unzutreffende) Argumenten ausgetauscht.
Beim Thema Nahost wurde hauptsächlich über die Ausübung von Druck und Sanktionen gegenüber Israel diskutiert. Es wurde eine Redaktionsgruppe gebildet, die einen Text für einen BDK-Beschluss vorbereiten soll. Dieser soll bei der nächsten oder übernächsten BAG-Sitzung (Juni oder Oktober) abgestimmt werden.


2. Vortrag Arne Behrensen zu Wahlen im Sudan
Nach einer kurzen Vorstellung der Arbeit der international tätigen NGO „Crisis Action“, schilderte Arne die Bedeutung der Wahlen in der komplexen Konfliktlage im Sudan. Das Land ist geprägt von einem traditionellen Konflikt zwischen Zentrum und Peripherie und dem Mangel einer inklusiven gesamtsudanesischen Identität. Ein Jahrzehntelanger Bürgerkrieg im Südsudankonnte mit dem Comprehensive Peace Agreemen (CPA)t vom 9 Januar 2005 beendet werden. Kernelemente der vereinbarten Übergangszeit bis Mitte 2011waren die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit unter Beteiligung der südsudanesischen SPLM, die Etablierung eines halbautonomen Südsudans, die demokratische Transformation des politischen Systems, die Aufteilung der bedeutenden Öleinnahmen zwischen Nord und Süd und als Höhepunkt im Januar 2011 ein Referendum über die staatliche Unabhängigkeit des Südsudan. Vor dem Hintergrund der bisherigen Tabuisierung von Grenzänderungen im postkolonialen Afrika kommt diesem Referendum eine weit über den Sudan und das Horn von Afrika hinausweisende Bedeutung zu. Die CPA-Vertragsparteien und die internationalen Garantiemächte des Abkommens haben sich verpflichtet, ihr politisches Handeln während der Übergangszeit an dem Motto “make unity attractive“ zu orientieren.
Auch der Darfur-Konflikt ist eine Folge des Zentrum-Peripherie-Konflikts und ist im Zusammenhang mit den CPA-Verhandlungen zu sehen. Da  politischen Bewegungen aus Darfur ein Platz am Verhandlungstisch verwehrt wurde, haben sie 2003 begonnen, die Regierung militärisch herauszufordern. Die Regierung reagierte hierauf mit enormer Gewalt, die sich in hohem Maße gezielt gegen die Zivilbevölkerung. Die Kategorisierung als Völkermord sei oft wenig hilfreich, da der Begriff politisch zu aufgeladen und leicht instrumentalisierbar sei. Besser sei es möglicherweise von „genozidaler Aufstandsbekämpfung“ zu sprechen. Im Laufe der Jahre haben sich die Rebellengruppen enorm zersplittert. Nach einem gescheiterten Friedensabkommen mit 2006 kam es nun im Februar zu einem ersten Rahmenabkommen zwischen der Regierung und der größten Rebellengruppe  JEM. Ob daraus ein tragfähiger Frieden auch mit den anderen Rebellengruppen werden kann bleibt abzuwarten.
Vor dem Hintergrund des Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) gegen Präsident Bashir sei der sudanesischen Regierung an dem planmäßigen Abhalten der Wahl im April gelegen um Legitimität zu stiften. Die Lage in Darfur und einigen anderen Landesteilen erlaubt jedoch nur sehr eingeschränkt die Abhaltung wirklich freier Wahlen. Zudem kommt es landesweit zu Einschränkungen der Opposition – auch im Süden durch die SPLM. Trotzdem bieten die Wahlen eine große Chance für die sudanesische Zivilgesellschaft.
Unter westlichen NGOs  habe es in den letzten Jahren ein Abwenden vom bloßen „darfur campaigning“ hin zum „all-Sudan-approach“ gegeben. Einschränkend fügte Arne später hinzu, dass es sicherlich bei einigen NGOs in den USA noch genügend AktivistInnen und AnhängerInnen gebe, die ein differenzierteres Herangehen erschwerten.
Im Bundestag wird auf grüne Initiative ein überfraktioneller Antrag zum Sudan am 25./26. März eingebracht. Diese sollte als Ausgangspunkt genommen, dass Deutschland und die EU wieder verstärkt eine vermittelnde Rolle im Sudan einnehmen können und mit der Wahl einhergehenden Konflikte präventiv zu bearbeiten. Dabei geht es neben der stetigen internationalen Aufmerksamkeit konkret darum im Süden einen funktionsfähigen Staatsapparat aufzubauen und die Reintegration von früheren Rebellenkämpfern und Bildungsinvestitionen voranzutreiben. Die EU hat bisher erklärt für die Wahl 300 Wahlbeobachter zu schicken – wichtig ist jedoch ein langfristiges Engagement bis weit über das Referendum Anfang 2011 hinaus. Die bundesdeutsche Entwicklungszusammenarbeit mit dem Nordsudan sei aufgrund des Strafbefehls gegen Präsident Bashir offiziell auf Eis gelegt. Die im Norden dominierende Regierungspartei NCP und die SPLM seien in vielen Fragen jedoch immer wieder zu Kompromissen fähig. Sie sind in vielerlei Hinsicht aufeinander angewiesen.
Zentraler innerafrikanischen Akteur bei der Aushandlung des CPA war die IGAD. Der ICC-Haftbefehl gegen Präsident Bashir wurde in Afrika stark kritisiert. Die AU beauftragte den  früheren südafrikanischen Präsidenten Mbeki mit der Leitung eines Panels, das Vorschläge zur Lösung der Darfur-Krise und zur Frage der Gerechtigkeit erarbeiten sollte. Mittlerweile haben die AU und der UN-Sicherheitsrat die Vorschläge dieses Panels angenommen und Mbeki wird in der nächsten Zeit ein wichtiger internationaler Akteur bei den weiteren Friedensbemühungen für den gesamten Sudan sein. Die LAG stimmte dem Vorschlag von Adnan zu, das Thema weiter zu vertiefen und nach der Wahl den der SPLM angehörenden ersten Sekretär der sudanesischen Botschaft einzuladen.


3. Sonstiges
Die LAG stimmte dem Themenvorschlag von David zu, in der nächsten Sitzung mit Cornelius Huppertz über den Irak nach den Wahlen zu sprechen. Themen für die weitere Planung sind die von Bundesentwicklungsminister Niebel geplante Fusion der deutschen Entwicklungsinstitutionen.