Protokoll LAG Frieden und Internationales vom 21. Juni 2010

15.07.10 –

Protokoll LAG Frieden und Internationales vom 21. Juni 2010


Datum: 21. Juni 2010, 19.00 – 21.30 Uhr
Sitzungsleitung: Tim R.
Protokoll: Annette H.
Anwesend: 16 Personen (3 Frauen) + Gast


TO
1. Protokolle letzte Sitzungen
2. Bericht von der BAG-Sitzung am 12./13. in Kassel
3. Gespräch mit Daniel Brombacher (SWP) zur Grünen Partei Kolumbiens
4. Sonstiges


1. Protokolle letzte Sitzungen
Die beiden Protokolle vom 07.06. und 10.05. werden bei jeweils zwei Enthaltungen angenommen.


2. Bericht von der BAG-Sitzung am 12./13. in Kassel
- Georg erinnert daran, dass er den Link zum ausführlichen Protokoll auf dem Wiki der Grünen Jugend rumgeschickt hat
- er gibt eine kurze Zusammenfassung der Sitzung, es gibt Nachfragen zur Ressourcendebatte, die These des SWP-Referenten Jörn Richard wird teilweise kritisch gesehen, da sie von einigen verstanden wurde als „es gibt keine Ressourcenkriege“; andere hingegen verstanden ihn wie folgt: das Vorhandensein bzw. der Mangel von Ressourcen muss nicht zwangsläufig zu Konflikten führen; es folgt kurze Debatte über die Rolle von Ressourcen im Konflikten
- Bericht von Felix: Agnieszka Malczak war krank, daher konnte die TO für Sonntag nicht wie geplant bearbeitet werden; Fazit beim Thema Friedenseinsätze/Friedensfachkräfte: wichtig ist vor allem, dass die Leute gut vorbereitet und ausgebildet sind; durch die geänderte TO war mehr Zeit, über das Nahost-Thema zu sprechen (zusätzlich zu Samstag)
- es gab einen Antrag von Ursula zu Köhlers Rede (Vertretung von Wirtschaftsinteressen mit militärischen Mitteln), der Antrag wurde diskutiert und beschlossen; Inhalt: es soll in Zukunft nicht nur einen Antrag des BuVo, sondern Alternativen dazu geben; BAG fordert BuVo auf, Kritikpunkte nicht selbst zu entscheiden, sondern Alternativanträge mit vorzulegen, ansonsten legt BAG eigenen Antrag vor, Vorschlag von einer BAG-Schreibgruppe
- gestern fand ein Treffen dieser ‚Schreibgruppe’ statt; es gab Verärgerung im BuVo darüber, da teilweise die Informationen darüber fehlten; der geplante Entwurf nicht fertig geworden, daher wird es ein zweites Treffen geben; Prognose von Felix: es wird wohl einen Konsens bei der Analyse geben, weniger bei Forderungen
- Europäischer Auswärtiger Dienst: Struktur soll derzeit festgelegt werden, wird von der Fraktion wohl kritisch gesehen
- ein bei der letzten LAG-Sitzung angedachter BAG-Beschluss zur israel. Negativliste war aufgrund der aktuellen politischen Entwicklungen nicht mehr nötig
- Felix wird bei der nächsten BAG-SprecherInnen-Wahl nicht mehr antreten, da er mehr Zeit für andere Aktivitäten haben will


3. Gespräch mit Daniel Brombacher (SWP) zur Grünen Partei Kolumbiens

- sein Forschungsgebiet ist Lateinamerika, insbesondere Kolumbien, 
- Einführung: Kolumbien ist ein Land mit einem vergessen Krieg seit etwa 1948, die Konfliktparteien transformieren/verändern sich immer wieder, am bekanntesten ist die FARC; die geographischen Gegebenheiten (Dschungel) verlängern Krieg und erschweren Lösung; über 40 000 Kämpfer haben in den letzten Jahren die Waffen abgegeben, es gibt aber immer noch tausende, alle Konfliktparteien profitieren von organisierter Kriminalität, hauptsächlich Drogenanbau und –handel
- das Hauptziel der kolumbianischen Politik liegt in der inneren Sicherheit; Präsident Uribe kehrte sich ab von der liberalen Partei und gründete eine eigene Partei; der Staat war stark geschwächt, die Guerilla-Gruppen hingegen stark präsent; Uribes Partei hat die Wahlen gewonnen, andere Parteien sind sehr klein geworden
- es gibt aber seit knapp einem Jahr eine neue polit. Bewegung: die Grüne Partei; sie baut auf Strukturen einer vorhergehenden kleinen grünen Partei auf; sie erhielt großen Zulauf, nachdem Mockus an die Spitze der Partei kam; er ist der ehem. Bürgermeister von Bogotá, sehr beliebt und gilt als ‚Anti-Politiker’ (nicht korrupt, keine Skandale)
- seine Politik beruht auf drei Säulen:
- das Leben ist heilig: Menschenleben sind in Kolumbien ständig großen Risiken ausgesetzt (Konflikt, Kriminalität); Mockus will herrschende Kultur im Land verändern: es soll wieder mehr Respekt vor dem Leben herrschen, die öffentliche Sicherheit nicht mit mehr hauptsächlich durch die Polizei gewährleistet werden (= repressiv), sondern mit kulturellen Maßnahmen, z.B. durch einen besseren Umgang mit Gas; frühere Sperrstunden; er schickte 3000 Clowns auf die Straßen von Bogotá, die Negativverhalten öffentlich machten und damit stigmatisierten und führte ein Zertifizierungssystem für Taxifahrer ein => Mordrate sank um die Hälfte
- öffentliche Mittel sind heilig: es gab keinen Korruptionsskandal in seinen beiden Amtszeiten, obwohl Korruption in der Verwaltung ansonsten sehr verbreitet ist; die häufige Wasserknappheit in Bogota konnte durch die Vermeidung von Vorratshaltung verhindert werden, da er keine entsprechenden Warnungen mehr ausgeben ließ; er führte eine freiwillige Steuer für kommunale Projekte ein, die auch heute noch von vielen gezahlt wird
- die Kultur der Illegalität ist schädlich für das Land, da illegales Verhalten nicht sozial sanktioniert wird
- Mockus hat bei den Wahlen nicht so gut abgeschnitten, wie viele erwartet haben (28 % bei Stichwahl gegen Santos), aber doch sehr gut, obwohl er erst im März nominiert wurde und die Einheitspartei Uribes das gesamte politische/bürgerliche Establishment auf ihre Seite gezogen hat
- die Wählerschaft der Grünen Partei besteht vornehmlich aus jungen Leuten, die genug haben von den Skandalen und der Korruption der herrschenden politischen Klasse, die Bewegung konnte sich aber nicht gegen das herkömmliche Establishment durchsetzen
- das Hauptthema der Wahlen war Sicherheit (im militärischen Bereich, bezogen auf den Konflikt mit den Rebellen, weniger im kriminellen Bereich), daher gab es trotz aller Skandale auch einen Sieg der Konservativen, die im Sicherheitsbereich große Fortschritte gemacht hatten; es gab Skepsis gegenüber Mockus: wie würde er im bewaffneten Konflikt mit den Rebellen agieren? der sanfter Kurs der Politik vor Uribe hatte keinen Erfolg, harter Kurs von Uribe hat FARC stark dezimiert
- die grüne Bewegung will bei den kommenden Kommunal- und Regionalwahlen antreten; sie erhielt bei den Kongresswahlen 2010 nur 8 von insgesamt 268 Sitzen (Senat 3 von 102, Repräsentantenhaus 5 von 166); sie will nicht Teil der nationalen Allianz werden, obwohl sie von der Regierung dazu eingeladen wurde, sondern unabhängig von der Regierung agieren und statt dessen eine langfristige Strategie des Parteiaufbaus verfolgen
Nachfragen:
- Gibt es einen Austausch mit en deutschen Grünen? es gibt einen BAG-Beschluss zu Austausch, bisher gibt es noch keine Kontakte zwischen den Parteiführungen; die HBS ist zur Zeit dabei, den Kontakt aufzubauen, das Interesse dazu ist in Kolumbien vorhanden
- Wie ist der Unterschied zwischen Stadt und Land in Kolumbien  und gibt es eine entsprechende Berücksichtigung im Programm? Mockus hat eher Anhänger in der Stadt und in den oberen Bildungsschichten, weniger auf dem Land, bei Armen und Ungebildeten
- Wie grün ist die Grüne Partei Kolumbiens wirklich? sie hat keine dezidiert ökologische Ausrichtung, sie musste eine bestehende Partei als ‚Vehikel’ nehmen; aufgrund des komplizierten Parteienrechts ist es in Kolumbien schwer, eine völlig neue Partei zu gründen
- Es wird Skepsis geäußert wegen der auf-und-ab-Entwicklung in Lateinamerika, da eine dauerhafte positive Entwicklung nicht gesehen wird. dies ist wohl eher die Sicht von außen, für die Menschen vor Ort hat sich in den letzten Jahrzehnten sehr viel zum besseren verändert
- Warum war Mockus gegen die Schließung der US-Basen im Land? die USA sind eine große Hilfe bei der Bekämpfung der FARC, ohne sie wäre das kaum möglich
- Wie ist die Struktur der FARC und wie groß ist ihr Rückhalt in der Bevölkerung? die FARC war ursprünglich eine kleine Guerilla aus ca. 40 Personen, jetzt sind es nach verschiedenen Schätzungen zw. 7000 und 10 000, die Motive sind mittlerweile eher wirtschaftlich; nach Umfragen haben sie nur noch bei ca. 1% der Bevölkerung Unterstützung, ihr Aktions- und Bewegungsspielraum stark eingeschränkt
- Position Mockus zu Drogenpolitik? sorry, die Antwort ist an der Protokollantin vorbei…
- Mockus vertritt keine dezidierten Positionen zu außenpolitischen Themen, weil es hier zu viele ‚Minen’ gibt
- ein Vergleich mit den Tamil Tigers in Sri Lanka ist kaum möglich, schon aus geographischen Gründen: die Grenzen zu allen Nachbarstaaten sind durchlässig und kaum kontrollierbar (Dschungel), daher gibt es unzählige Rückzugsmöglichkeiten für FARC-Kämpfer
- es werden immer wieder Allianzen mit anderen kleinen Gruppen mit paramilitärischem Hintergrund geschlossen, diese machen zwar oft im regionalen Kontext Politik, aber eigentlich geht es in erster Linie darum, die regionale Wirtschaft zu kontrollieren und Geld zu verdienen
- Wäre eine Legalisierung von Drogen eine Erleichterung für Kolumbien im Kampf gegen den Drogenhandel? die Preise würden zwar wohl bereinigt werden von den Illegalitätskosten, auch ist eine großer Teil der Gewalt auf den Drogenhandel zurückzuführen, aber: die Gewalt würde damit wohl nur umgeleitet


4. Sonstiges
- Angebot von Ulrich, von seiner Zeit in Teheran zu berichten (Stichwort ‚ein Jahr nach den Wahlen’), allgemeiner Wunsch, dafür eine ganze Sitzung zu reservieren, in zwei Wochen am 5. Juli
- Karin regt an, das Thema Entwicklungspolitik auf die TO zu setzen, sie bietet an, von ihrer Erfahrung zu berichten (Budgethilfe und Wirksamkeit, Korruption/Transparency, Afrika, Ressourcen), allgemeiner Wunsch, eine ganze Sitzung dafür zu nehmen (am 19. Juli), gerne zusammen mit Timo und Melanie
- Beschluss über Sommerpause: die ersten beiden Termine im August (2. + 16.) mehrheitlich, 1 Gegenstimme, 1 Enthaltung
- Felix berichtet, dass die NATO-Strategie gerade in der Fraktion intensiv diskutiert wird, sie sollte daher auch in der LAG thematisiert werden; Infos dazu: Bericht der Albright-Kommission, Positionspapiere von Omid Nouripour und Friedjof Schmidt, es wird auch Thema auf der nächsten BAG (23./24. Oktober) sein und Ströbele will eine Veranstaltung dazu machen
- 25./26. Juni: Sudan-Konferenz (evang. Kirche, Konfliktparteien), Infos folgen per Mail, wenn gewünscht erfolgt ausführlicher Bericht
- es gibt das Angebot, eine Israelin aus der dortigen Friedensbewegung einzuladen