Demokratiebildung an Schulen stärken – Eine mündige Gesellschaft braucht politische Bildung

30.11.24 –

Beschluss auf der Landesdelegiertenkonferenz:

Das Ziel von Schule ist in unserem Schulgesetz klar definiert:

Ziel muss die Heranbildung von Persönlichkeiten sein, welche fähig sind, der Ideologie des Nationalsozialismus und allen anderen zur Gewaltherrschaft strebenden politischen Lehren entschieden entgegenzutreten sowie das staatliche und gesellschaftliche Leben auf der Grundlage der Demokratie, des Friedens, der Freiheit, der Menschenwürde, der Gleichstellung der Geschlechter und im Einklang mit Natur und Umwelt zu gestalten. (§ 1 Auftrag der Schule)

Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs waren unsere demokratischen Strukturen noch nie so stark von demokratiefeindlichen Kräften bedroht wie heute. Es ist daher besonders in dieser Situation essenziell, dass Politik die Rahmenbedingungen schafft, damit das Ziel unserer Schule auch erreicht wird. Für eine starke Demokratiebildung in Berlin brauchen wir deshalb folgende fünf Bausteine:

 

1. Externe Demokratiebildungsanbieter sind zentral: Demokratiebildung entfristen!

Träger der Demokratiebildung begleiten Schüler*innenvertretungen, bringen Demokratiebildung in den Klassenraum, fördern die Selbstwirksamkeit von Schüler*innen und unterstützen Schulen fachlich bei Themen wie Diskriminierung, Antisemitismus oder Rassismus. So können auch an Schulen notwendige Dialog-Räume für sensible Themen wie den Krieg in der Ukraine oder den Israel-Palästina-Konflikt geschaffen werden. Gerade nach dem 7. Oktober 2023 ist diese professionelle Begleitung von Schulen wichtiger denn je. Trotzdem werden Träger der Demokratiebildung aktuell nur als Zuwendungsempfänger*innen im Berliner Haushalt geführt und sind daher alle zwei Jahre von Kürzung oder kompletter Streichung bedroht.

Wir müssen deshalb endlich mit einer institutionellen Förderung die Verstetigung der Förderung von Demokratiebildungsträgern erreichen. Demokratiebildung ist kein Projekt von zwei Jahren, sondern braucht langfristig angelegte Strukturen, Beziehungsaufbau und Supervision. Für die Daueraufgabe Demokratiebildung braucht es auch Dauermittel. Die Gesamtstrategie der Bildungsverwaltung für politische Bildung an Berliner Schulen bietet eine gute fachliche Grundlage und stellt wichtige Instrumente zusammen. Allerdings ist für ihre Umsetzung kein Geld vorgesehen. Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Lage an Berliner Schulen und in außerschulischen Begegnungsorten reicht die derzeitige Finanzierung für eine qualitativ nachhaltige Arbeit in der ganzen Stadt nicht aus. Dafür brauchen wir auch auf Landesebene endlich ein Demokratiefördergesetz.

 

2. Demokratiebildung in Rahmenlehrplänen und Fortbildungen stärken

Demokratiebildung gehört fest in den Rahmenlehrplänen verankert, um Jugendlichen die kritische Auseinandersetzung mit Machtungleichgewichten und diskriminierenden Strukturen zu ermöglichen. Dazu gehört die Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte und die Überprüfung von Lehrinhalten auf diskriminierende Stereotype und Marginalisierungen. Themen wie Antidiskriminierung, (De-)Kolonisierung, Rassismus und Antisemitismus müssen fächerübergreifend und verpflichtend in den Unterricht integriert werden. Generell setzen wir als Partei uns für einen stärkeren Fokus auf historisch-politische Bildung in der Schule ein. Sie hat zum Ziel, demokratische Werte und gesellschaftlichen Zusammenhalt durch die Auseinandersetzung mit Geschichte und Gegenwart zu fördern. Schüler*innen sollen frühzeitig für soziale Ungleichheiten und damit verbundene Privilegien sensibilisieren werden. Ziel ist es, diskriminierende Stereotype und eurozentrische Geschichtsnarrative aufzubrechen und das Wissen unterdrückter Gruppen in den Bildungsalltag zu integrieren.

Antidiskriminierung und Demokratie sind jedoch nicht allein Unterrichtsgegenstände, sondern müssen in den Schulen gelebt werden. Für eine gelingende Demokratiebildung brauchen wir daher dringend eine diskriminierungskritische Professionalisierung von Lehrkräften durch entsprechende Aus-, Fort- und Weiterbildungsangebote im Rahmen des neuen Berliner Landesinstituts. Wir wollen Lehrkräfte befähigen, auf Hassbotschaften und diskriminierendes Verhalten im Unterricht angemessen zu reagieren. Hierzu sind niedrigschwellige Fortbildungsangebote auch im Bereich der Medienkompetenz und die Bereitstellung von diskriminierungskritischen Lehrmaterialien unerlässlich.

 

3. Bildungserfolg breiter fassen: Demokratiebildung in die Schulsteuerung

Ein zentrales Ziel der Berliner Schule ist, Persönlichkeiten herauszubilden, die in der Lage sind, dem Nationalsozialismus entgegenzutreten. Trotzdem wissen wir viel zu wenig darüber, ob unsere Schulen dieses Ziel überhaupt erreichen. Deshalb werden wir Ressourcen zur Verfügung stellen, damit zukünftig nicht nur die mathematischen und sprachlichen Kompetenzen der Berliner Schüler*innen, sondern auch ihre Demokratiekompetenzen regelmäßig erhoben werden. So können auch diese Bildungsziele untersucht und mittels Unterstützung durch die Schulaufsicht adressiert werden. Klar ist dabei aber auch: Demokratie ist nicht nur ein Bildungsthema, sondern muss auch in der Schule praktiziert werden. Wir brauchen daher nicht nur Informationen über Demokratiekompetenzen, sondern auch ein Monitoring über den Status quo von Demokratie und Beteiligungsstrukturen an Schule. Wo gibt es Klassenräte, wie gut funktioniert Schüler*innenvertretung, erfolgt Feedback zwischen Schüler*innen und Pädagog*innen in beide Richtungen und wie ist das Schulklima? Für dieses Monitoring sollen zusammen mit der Fachcommunity Standards entwickelt werden. Auf dieser Datengrundlage müssen wir dann über die Schulaufsichten Unterstützung an die Schulen bringen, die sie besonders benötigen.

 

4. Wer was verändert, glaubt an Veränderung: Beteiligung, aber richtig!

Essenziell für Demokratie ist ein respektvolles Miteinander auf Augenhöhe und echte Mitbestimmungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche. Wenn Kinder frühzeitig erfahren, dass ihre Stimme zählt, sind sie weniger empfänglich für autokratische Strukturen. Deshalb brauchen wir Mitbestimmung nicht erst ab 16 oder 18: Mit dem Klassenrat, der Schüler*innenvertretung und dem Schüler*innenhaushalt haben wir gute Strukturen, die aber an zu vielen Schulen entweder noch gar nicht etabliert sind oder stärker unterstützt werden müssen. Gerade an vielen Grundschulen wird Beteiligung bisher noch nicht groß geschrieben, auch schulgesetzlich braucht die SV hier mehr Rückhalt. Als Grüne fordern wir einen Schüler*innenhaushalt, ein Klima der Beteiligung und eine gute Begleitung durch entfristete Fachkräfte an jeder Schule. Gleichzeitig ist klar: Augenhöhe lässt sich nciht allein über Strukturen herstellen, sondern hängt essenziell an der Haltung der Lehrkräfte. Nur wenn sie sich darüber bewusst sind, dass Demokratie am besten durch eigenes Erleben erlernt wird, werden sie dieses Erleben auch ermöglichen. Dies muss deshalb auch in der Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften eine größere Rolle spielen.

Auf bezirklicher Ebene braucht es Standards für die pädagogische Begleitung und fachliche Ausstattung der Bezirksschüler*innenausschüsse, in die künftig auch Grundschüler*innen einbezogen sein sollen. Auch für den Unterricht selbst gilt: Lernende müssen stärker in die Entscheidungen über ihre Bildungsinhalte einbezogen werden. Auch außerhalb von Schule brauchen Jugendliche und Kinder Beteiligungsmöglichkeiten. Deshalb unterstützen wir die Initiativen in vielen Bezirken, Interessensvertretungen von Kindern und Jugendlichen aufzubauen und werden sie finanziell unterstützen. Außerschulisches ehrenamtliches Engagement von jungen Menschen wollen wir stärken und durch Anerkennung, Freistellung und unterrichtliche Anbindung besser mit Schule vereinbaren.

 

5. Eine starke Landeszentrale für politische Bildung

Unzählige Schüler*innen, Lehrkräfte und Eltern verlassen sich auf die guten Materialien der Landeszentrale für politische Bildung, besuchen ihre Veranstaltungen oder profitieren von Ihrer Expertise im Bereich der Demokratiebildung. Trotzdem will die CDU-geführte Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie die rechtlich verankerte Unabhängigkeit der Landeszentrale für politische Bildung nun durch eine politisch besetzte Stabsstelle massiv beschneiden. So soll die Stabsstelle der Landeszentrale inhaltliche Vorgaben für ihre Arbeit machen, die veröffentlichten Materialien der Landeszentrale kontrollieren und sämtliche Förderung von zivilgesellschaftlichen Organisationen kontrollieren. Diese politische Einflussnahme steht im starken Spannungsverhältnis mit der im Erwachsenenbildungsgesetz festgeschriebenen Überparteilichkeit der Landeszentrale und stellt auch die fachlichen Grundlagen der politischen Bildung, wie sie nach dem Nationalsozialismus über Jahrzehnte demokratischer Konsens waren, in Frage. Als Grüne stehen wir klar an der Seite einer unabhängigen Landeszentrale für politische Bildung und werden sie weiter stärken. Dafür war der von uns mit auf den Weg gebrachte zweite Standort der Landeszentrale ein erster Schritt, um die Öffnung in die Stadtgesellschaft zu stärken und weitere Themenscherpunkte zu ermöglichen. Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Einrichtung einer Koordinierungsstelle außerschulische politische Bildung und Schule sowie der Ausbau aufsuchender politischer Bildungsangebote.

Besonders für den Bereich der Erwachsenen- und außerschulischen Bildung braucht es noch mehr Materialien, Bildungsangebote und Konzepte, um auch die Menschen zu erreichen, die nicht mehr zur Schule gehen. Dafür sind insbesondere der öffentliche sowie der digitale Raum von großer Bedeutung.

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Zukunft schaffen