Berlin macht ernst mit Gewaltschutz – Umsetzung des Gewalthilfegesetzes

11.10.25 –

Beschluss auf der FLINTA-Konferenz:

Mit dem Gewalthilfegesetz hat die Ampel-Regierung einen historischen Meilenstein im Schutz von Betroffenen häuslicher Gewalt gesetzt. Berlin erhält daraus in den Jahren 2027 bis 2037 bis zu 114 Millionen Euro vom Bund für den gezielten Ausbau des Gewaltschutzes. Dieses Gesetz wollen wir in Berlin auf Basis folgender Grundsätze umsetzen:

  1. Die Mittel des Bundes sind zusätzlich auszugeben und dürfen nicht zur Haushaltsentlastung oder zur Kompensation anderer Sparmaßnahmen verwendet werden.
  2. Das Senatsbudget für Anti-Gewalt-Arbeit soll bei entsprechender Haushaltslage gezielt ausgebaut werden. Zusätzliche Mittel sind für Qualitätssteigerung über die Bundesfinanzierung und die bisherige Landesförderung hinaus einzusetzen.
  3. Die Bedarfe der Zivilgesellschaft und der bestehenden Akteur*innen sind bei Konzeption, Bedarfsplanung und Umsetzung aktiv einzubeziehen.
  4. Die Mittel sollen primär den Ausbau des bestehenden Hilfesystems stärken, insbesondere die historisch gewachsenen autonomen Strukturen.

 

Zur Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Gewalthilfe soll das Hilfesystem wie folgt ausgebaut werden.

1.) Zusätzliche Schutzplätze

Berlin hat 2023 insgesamt 331 Familienplätze mit 738 Betten in der erweiterten Akutversorgung. Der Mindestbedarf nach Istanbul-Konvention liegt bei 387 Familienplätzen mit 871–1.002 Betten. Es müssen 56 Familienplätze mit 133–264 Betten ausgebaut werden. Keine Frau darf von einem Frauenhaus abgewiesen werden.Dabei sollten in allen Bezirken Schutzplätze zur Verfügung stehen, sodass die Versorgung nicht auf einzelne Bezirke konzentriert ist, sondern flächendeckend gewährleistet ist. Die Bundesmittel sollen in den ersten Jahren vorrangig für Schutzplätze eingesetzt werden. Sollte der Ausbau nicht ausreichen, ist der Senat verpflichtet, zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen.

2.) Beratung ausbauen

Bestehende Fachberatungs- und Interventionsstellen sind auszubauen, insbesondere in unterversorgten Bezirken. Feministische Zentren mit Expertise in geschlechtsspezifischer Gewaltberatung sollen in das Verfahren der Trägeranerkennung einbezogen werden. Auch die proaktive Unterstützung und Beratung für von Gewalt betroffene Frauen muss gewährleistet sein.

​​​​​​​3.) Qualitätsstandards festlegen und einhalten

Berlin muss sich dabei an den im Gewalthilfegesetz vorgeschriebenen Mindeststandards orientieren, z. B. in Bezug auf Personalqualifikation, räumliche Ausstattung, Traumapädagogik, intersektionale Kompetenz und Datenschutz. Einrichtungen und Fachberatungsstellen sollten regelmäßig geprüft bzw. evaluiert werden, damit die Qualitätsstandards eingehalten werden. Berlin muss sich dabei an den Qualitätsstandards der einschlägigen Dachverbände orientieren.

4.) ​​​​​​​Präventionsmaßnahmen stärken

Angebote für Kinder und Jugendliche, Täterarbeit, Beratung gegen digitale Gewalt sowie Fortbildungsangebote für Fachpersonal müssen ausgebaut werden. Für Öffentlichkeitsarbeit zur Bekanntmachung der Angebote müssen Mittel bereitgestellt werden.

​​​​​​​5.) Strukturierte Vernetzungsarbeit fördern

Es müssen tragfähige, kontinuierlich arbeitende Vernetzungsstrukturen (z. B. Runden Tische, interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaften) für einen fachlich fundierter Austausch zwischen Akteur*innen der Frauenhilfsinfrastruktur, Polizei, Justiz, Jugendämtern und weiteren relevanten Stellen etabliert und vom Senat gefördert werden.

6.) Niedrigschwellige Angebote sicherstellen

Alle Angebote müssen barrierearm und inklusiv gestaltet werden, damit alle Frauen unabhängig von Herkunft, sozialem Status oder Behinderung Zugang erhalten. Der Sprachmittlungspool muss ausgebaut und Sprachmittlung für weitere Projekte bereitgestellt werden. Zudem sind anonyme Soforthilfeleistungen – telefonisch, online und persönlich – flächendeckend sicherzustellen.

7.) Bezirke zur Umsetzung befähigen

Der Senat stellt den Bezirken ausreichende Mittel zur adäquaten Umsetzung des Hilfesystems auf der kommunalen Ebene bereit.

8.) Gleichstellungsverwaltung stärken

Die Gleichstellungsabteilung von SenASGIVA übernimmt die Federführung bei der Umsetzung des Gewalthilfegesetzes. Dafür ist eine personelle Aufstockung erforderlich.

9.) Regelmäßige Bestandsaufnahme

Berlin erstellt bis Ende 2026 eine umfassende Bedarfsanalyse bezüglich der Umsetzung des Gewalthilfegesetzes und legt darauf aufbauend eine Entwicklungsplanung mit Finanzierungskonzept vor. Ab 2027 wird jährlich ein Bericht erstellt, um mögliche Versorgungslücken zu identifizieren. Werden die festgelegten Zielzahlen nicht erreicht, sind verbindliche Nachsteuerungsmaßnahmen umzusetzen.

 

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Vielfalt Leben