LDK-Beschluss "Humanität und Menschenrechte schützen! Eine humane Asylpolitik verteidigen!"

04.05.24 –

Beschluss auf der Landesdelegiertenkonferenz:

Europa und insbesondere Deutschland bietet Frieden, Freiheit und Sicherheit - nicht nur den EU-Bürger*innen, sondern auch Menschen, die aus ihren Heimatländern fliehen müssen.

Eine Asyl- und Migrationspolitik der Humanität und Menschenrechte ist Deutschlands historische, grundgesetzliche und völkerrechtliche Verpflichtung. Wir Bündnisgrüne in Berlin werden niemals unsere Verantwortung, unsere Menschlichkeit und unsere Empathie aufgeben. Im Zentrum unserer Politik steht immer der Mensch in seiner Würde und Freiheit. Die Menschenrechte stehen über allem und sie gelten uneingeschränkt für alle. Wir stehen unverhandelbar zum Recht auf Asyl. Dafür werden wir immer und unnachgiebig kämpfen.

Wir nehmen den einzelnen Menschen in den Mittelpunkt, wir sehen das Leid, und wir helfen, wo es nötig ist. Damit das gelingt, ist auch eine vorausschauende Politik notwendig, die mit dynamischen Situation gut umgehen kann. Das sichert, dass die Bevölkerung vor Ort den Menschen mit Respekt begegnet.

Wir setzen uns für legale und sichere Wege zu uns ein – die es im Moment leider nicht gibt –, denn sie sind das Gegenteil der menschenfeindlichen Festung Europa. Zugleich rufen wir die Bundesregierung dazu auf Fluchtursachen konsequent und umfassend zu bekämpfen, denn niemand sollte zum Verlassen der Heimat gezwungen werden.

Wir verteidigen das individuelle Grundrecht auf Asyl und stehen zu unseren Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention. Dieses Bekenntnis wollen wir mit Leben erfüllen: Mit einer Politik, die reale Probleme anpackt und echte Lösungen entwickelt, anstelle Populismus und menschenfeindliche Positionen zu verbreiten.

Bürgermeister*innen, Landrät*innen, Kommunalparlamentarier*innen, Verwaltungen in den Kommunen und Großstadtbezirken, Unternehmen und unzählige Freiwillige und zivilgesellschaftliche Organisationen arbeiten seit Jahren hart daran:

  • Unterkünfte zu finden
  • den Geflüchteten eine psychosoziale Beratung anzubieten
  • mit Rechtsberatung faire Verfahren zu garantieren
  • und mit Sprachkursen und Arbeitsplätzen eine schnelle Integration und bessere Teilhabe zu ermöglichen.

Für diese große Leistung gilt ihnen unser Dank! Aber Dank ist nicht genug. Es braucht auch tatkräftige Unterstützung.

 

Unsere Politik im Bund

Die Bundesregierung muss für eine dauerhafte, strukturelle Finanzierung durch den Bund sorgen, sodass Länder, Kommunen und Bezirke in Großstädten eine bessere Planungssicherheit haben und die Kommunen und Bezirke, die besonders viele Geflüchtete versorgen, auch mit mehr Geld unterstützt werden. Wir wollen die Aufnahmekapazitäten dauerhaft erhalten und vorhalten.

Die Bundesregierung hat zudem den Spurwechsel für Geduldete aus der Asyl- in die Erwerbsmigration geschaffen. Arbeit und Beschäftigung ist der stärkste Motor für Integration und stärkt zudem unsere Unternehmen, die händeringend nach Arbeits- und Fachkräften suchen. Für uns gilt: Wer arbeiten kann, soll es auch dürfen. Wer hierher kommt, soll den Lebensunterhalt auch möglichst schnell selbst verdienen können. Deshalb sollten Arbeitserlaubnisse zügig und für längere Zeiträume erteilt und bürokratische Hürden wie die behördlichen Zustimmungserfordernisse abgeschafft werden.

Der im Koalitionsvertrag vereinbarte Familiennachzug muss kommen, denn der im Grundgesetz verankerte „Schutz von Ehe und Familie“ muss auch im Asylrecht gelten.Die Verständigung der Ministerpräsident*innenkonferenz (MPK), dass dieser nicht kommen soll, akzeptieren wir nicht. Durch die MPK wurde versucht ohne die notwendige Legitimation durch die Verfassungsorgane Fakten mit weitreichenden Konsequenzen zu schaffen. Wichtig ist, dass Menschen mit subsidiärem Schutz den nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannten Geflüchteten gleichgestellt werden und ihre Familien zu sich holen dürfen. Eltern sollten bei einer Familienzusammenführung keine minderjährigen Geschwister von unbegleiteten Minderjährigen Geflüchteten zurücklassen müssen. Der erforderliche Sprachnachweis sollte ohne aufwendige Bewilligung erst nach Ankunft in Deutschland eingefordert werden. Unnötige bürokratische Hindernisse, wie die Überprüfung, ob Menschen in Deutschland eine eigene Wohnung und ein ausreichend hohes Einkommen haben, gehören abgeschafft. Zur Unterstützung und Beschleunigung des Prozesses sollte dringend der Personalmangel in deutschen Botschaften und Konsulaten angegangen werden.

 

Was das Land Berlin jetzt tun muss

Für eine gelungene Migrationspolitik, Integration und bessere Teilhabe muss endlich auch Berlin handeln. Wir fordern Soforthilfen für die Bezirke bei der Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten aus dem Landeshaushalt. Hilfen des Bundes müssen unverzüglich an die Bezirke weitergeleitet werden. Wir fordern eine Stärkung des Landesamtes für Einwanderung, schnellere Anerkennung von ausländischen Qualifikationen, und Beratungsstellen für Geflüchtete in ganz Berlin. Integrationsprozesse können digital schneller und reibungsloser erfolgen. Berlin muss die Vernetzung und Finanzierung dafür stellen. Das Angebot für Sprachkurse und auch von begleitender Kinderbetreuung in Berlin muss ausgebaut werden, denn sie sind Grundbedingung für Integration und bestmögliche Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Berlin muss wie der Bund eigene Immobilien für die Unterbringung von Geflüchteten bereitstellen. Eine dezentrale Unterbringung der Schutzsuchenden ist grundsätzlich vorzuziehen. Wenn Menschen die Möglichkeit haben aus Erstaufnahmezentren, Gemeinschafts- oder Übergangsheimen auszuziehen, muss dies gestattet und unterstützt werden.

Wir fordern die Berliner Landesregierung auf, das neue Chancenaufenthaltsrecht der Bundesregierung im Sinne der Geduldeten und der Berliner Unternehmen anzuwenden und die Abschiebungen von Menschen, die sich hier ein neues Leben aufbauen, endlich zu stoppen.

 

Für ein menschenrechtsbasiertes gemeinsames europäisches Asylsysten

Zu den Grundwerten der Grünen gehört ein klares Bekenntnis zu Europa. Europa ist stark und handlungsfähig, wenn es zusammen steht, solidarisch ist und seine Werte selbstbewusst vertritt - nach Innen und nach Außen. Abschottung ist für uns keine Option - weder in Berlin noch an Europas Außengrenzen. Die großen Aufgaben unserer Zeit müssen grenzüberschreitend und europäisch angegangen werden. Das gilt insbesondere auch für das Handlungsfeld Flucht und Migration. Wir haben uns deshalb immer für ein gemeinsames europäisches Asylsystem (GEAS) eingesetzt, das wirksam, menschenrechtsbasiert und lösungsorientiert ist und das individuelle Recht auf Asyl wahrt. Der zuletzt durch die Bundesregierung verhandelte GEAS- Kompromiss erfüllt diese Kriterien eindeutig nicht. Wir sehen es als Fehler an, dass die Bundesregierung diesem Kompromiss zugestimmt hat und unterstützen die grüne Fraktion im Europaparlament, die im dortigen Innenausschuss das GEAS-Paket abgelehnt hat.

Wir sehen mit großer Sorge, dass weiter Haftlager mit menschenunwürdigen Bedingungen an den Außengrenzen entstehen und auch vulnerable Menschen in diesen inhaftiert werden sollen. So ist z.B. nicht sichergestellt, dass Menschen mit Behinderungen eine Unterbringung entsprechend ihrer Bedürfnisse und entsprechend der UN-Behindertenrechtskonvention erhalten.

Außerdem sind für das Festsetzen während des Screenings oder der sogenannten Grenzverfahren keine Ausnahmen für Familien mit Kindern vorgesehen. Viele Kinder werden durch die Reform monatelang inhaftiert werden, was der UN-Kinderrechtskonvention widerspricht. Grenzverfahren dürfen nicht dazu führen, dass weitere Haftlager mit Zuständen wie in Moria an den Außengrenzen entstehen, die die Würde und die Rechte von Schutzsuchenden verletzen. Dass es keine juristische Gegenwehr gegen die Einordnung von Geflüchteten in Grenzverfahren gibt und diese sich erst nach Abschluss des Grenzverfahrens und womöglich kurz vor ihrer Abschiebung wehren können, ist mit unserem Verständnis von Rechtsstaatlichkeit nicht vereinbar.

Ebenso befürchten wir, dass die Reform weiterhin Antworten auf die systematische Gewalt an den Außengrenzen ausspart und sie damit verstetigt. Im "Krisenfall" oder im Fall einer “Instrumentalisierung” können Rechte von Schutzsuchenden noch weiter beschränkt werden. Die vorgesehene Krisenverordnung gibt EU-Staaten die Möglichkeit Asylsuchenden temporär den Zugang zum EU-Asylsystem zu verweigern unabhängig davon aus welchem Land diese geflohen sind und welche Asylgründe sie angeben. Das lehnen wir ab.

Es gilt zu befürchten, dass durch die Umsetzung dieser Maßnahmen sowohl irreguläre Migration als auch Leid und Chaos an den europäischen Grenzen noch weiter zunehmen. Wir Bündnisgrüne kritisieren diese Reform, denn Asylrechtsverschärfungen haben in der Vergangenheit vielerorts das Chaos erst geschaffen, das wir jetzt sehen. Nichtsdestotrotz setzen wir uns nun konstruktiv für eine möglichst vernünftige und humane Umsetzung der Rechtsakte ein. Außerdem gilt es nun umso mehr, Spielräume für Verbesserungen bei der nationalen Umsetzung zu nutzen.

 

Menschenrechte wahren. Populistische Debatten beenden. Echte Lösungen vorantreiben.

Der Zustand der vergangenen Jahre an den europäischen Außengrenzen, das Leid, das Chaos, der menschenrechtswidrige Umgang mit Geflüchteten, die Gewalt gegen Schutzsuchende, die Menschenrechtsverletzungen von Staaten außerhalb und insbesondere innerhalb der EU, und das Sterben im Mittelmeer sind unerträglich. Weder die Achtung der Menschenwürde, noch geordnete und rechtsstaatliche Verfahren sind gewährleistet. Auch das treibt viele Menschen zu einer weiteren Flucht innerhalb Europas.

Wir fordern, dass die EU die Einhaltung der Menschenrechte und rechtsstaatlicher Verfahren flächendeckend überwacht und Verstöße wie Pushbacks und andere Gewalt gegen Schutzsuchende konsequent sanktioniert werden.

Abschiebungen in Kriegs- und Krisengebiete wie zum Beispiel in den Iran, nach Syrien oder Afghanistan lehnen wir ab, auch wenn vereinzelte Teile dieser Staaten als vermeintlich sicher beurteilt werden. Wir lehnen es ab Drittstaaten als sicher zu definieren, nicht nur aber insbesondere wenn diese nicht die Genfer Flüchtlingskonvention ratifiziert haben. Genauso lehnen wir es ab Menschen in Drittstaaten abzuschieben, zu denen sie keinen Bezug haben oder durch die sie während ihrer Flucht nur durchgereist sind.

Sowohl die zivile und staatliche Seenotrettung wollen wir stärken, besser koordinieren und ausreichend finanzieren und lehnen Kriminalisierungsversuche ab, denn das Sterben im Mittelmeer muss beendet werden. Wir nehmen mit Sorge zur Kenntnis, dass eine Gesetzeslücke im zuletzt durch den Bundestag beschlossenen Rückführungsverbesserungsgesetz die Seenotrettung von minderjährigen Geflüchteten und humanitäre Hilfe auf dem Land kriminalisiert werden kann. Die Regierungskoalition sollte hier Klarheit schaffen und dieses Einfallstor für Kriminalisierung schnell wieder schließen.

Die Zusammenarbeit zwischen EU-Kommission und anderen EU-Staaten mit gewalttätigen Milizen wie der sogenannten libyschen Küstenwache muss beendet werden.

Wir halten fest, dass Asylrechtsverschärfungen Probleme lediglich verlagern und dazu Neue schaffen. Wir brauchen bessere Bedingungen für Geflüchtete und wirkliche europäische Solidarität statt Abschottung.

 

https://gruene.berlin/beschluesse/humanitaet-und-menschenrechte-schuetzen-eine-humane-asylpolitik-verteidigen_3396