23.01.25 –
Positionspapier der Landesarbeitsgemeinschaft Bildung
Durch die Einrichtung des Berliner Landesinstituts für Qualifizierung und Qualitätsentwicklung an Schulen (BLiQ) soll die Lehrkräfteaus-, -fort- und -weiterbildung neu ausgerichtet und qualitativ verbessert werden. Wir stehen einer Neuausrichtung und Modularisierung grundsätzlich positiv gegenüber, befürchten aber, dass sie misslingt und die Qualität der Lehrkräfteausbildung sinken wird, weil der Abdeckung des Unterrichtsbedarfs höhere Priorität eingeräumt ist. So droht sich die Abwanderung von angehenden Lehrkräften aus Berlin zu beschleunigen.
Verfahren
Das intransparente Vorgehen der Senatsverwaltung für Bildung bei der Neuausrichtung de Lehrkräfteausbildung trägt dazu bei, das Vertrauen in die Berliner Bildungspolitik weiter zu erschüttern:
Weder angehende Lehramtsanwärter*innen noch Lehrkräfte, Schulleitungen und Ausbildner*innen wussten über Monate, wie die Ausbildung von angehenden Lehrer*innen zukünftig gestaltet werden würde. Die hiermit verbundenen Planungsunsicherheiten führten und führen zu großem Unmut bei allen an der Lehrkräfteausbildung Beteiligten. Haupt- und Fachseminarleitungen wurden nicht in die Planungen für einen neuen Vorbereitungsdienst eingebunden, was die fehlende Wertschätzung für ihre fachliche Expertise und langjährige Erfahrung offenlegt. Auch dem Austausch mit aktuellen Lehramtsanwärter*innen wurde kaum Gewicht beigemessen.
Die Bildungssenatorin hat diese Situation in Kauf genommen, zahlreiche Gerüchte wurden weder richtiggestellt noch bestätigt, die mit den Änderungen im Vorbereitungsdienst betrauten Personen ihres Ressorts wurden über Monate angewiesen, Auskünfte zu verweigern und zugesagte Termine abzusagen.
So wurde die Chance verpasst, alle am Vorbereitungsdienst Beteiligten einzubinden, um ihre Expertise für eine fundierte Neustrukturierung der zweiten Ausbildungsphase zu nutzen. Wieder droht ein funktionierendes System in der Berliner Bildungslandschaft zerschlagen zu werden, anstatt es weiterzuentwickeln.
Planungen
Nach bisherigen Erkenntnissen plant die Senatorin, Hauptseminare durch eine modularisierte Begleitung am neuen Landesinstitut zu ersetzen, Fachseminare abzuschaffen und dafür Ausbildungslehrkräfte u. a. an den Ausbildungsschulen zu installieren. Diese sollen Lehramtsanwärter*innen in ihrem Unterricht besuchen und beraten. Die Anrechnungsstunden der zurzeit ca. 800 Fachseminarleiter*innen in Berlin sollen zugunsten der Abdeckung des Unterrichtsbedarfs an den Schulen genutzt werden.
Diese Schwerpunktsetzung wird zwangsläufig zu Ungunsten der fachlichen Qualität der Berliner Lehrkräfteausbildung gehen, individuelle Begleitung wegen des hektischen Schulalltags erschweren und einen vertrauensvollen Austausch mit Mitreferendar*innen in kleinen Gruppen unmöglich machen. Die bestehende Personallücke an Berliner Schulen soll aber nicht nur durch die wegfallenden Anrechnungsstunden für Fachseminarleiter*innen u. a. gedeckt werden, sondern auch durch die Anrechnung von 10 Unterrichtsstunden für Lehramtsanwärter*innen in den Schulen, was eine faktische Erhöhung der Unterrichtsstunden für Lehramtsanwärter*innen von 7 auf 10 bedeutet.
Gefahren
Die Berliner Lehrkräfteausbildung wird aufgrund dieser Planungen weiter an Attraktivität und massiv an Qualität einbüßen. Er wird den Mangel an gut ausgebildeten Lehrkräften in Berlin mittel- und langfristig erhöhen.
Daher fordern wir
die Betonung der fachdidaktischen Ausbildung am neuen Landesinstitut, d. h. die systematische Beschäftigung mit fachdidaktischen Fragestellungen und der intensive Austausch darüber, was bisher in den Fachseminaren erfolgte; die fachdidaktische Ausbildung kann nicht an die Ausbildungslehrkräfte in den Schulen delegiert werden, weil diese insbesondere die unterrichtspraktische Ausbildung und Beratung leisten; die fachdidaktische Ausbildung ist von zentraler Bedeutung für die Unterrichtsqualität;
klare und den Aufwand honorierende Aussagen zu Anrechnungs- und Ermäßigungsstunden für Ausbildende; wer zukünftig noch in der Lehrkräfteausbildung arbeiten wird, mit wie viel Stunden und in welcher Rolle, darf nicht im stillen Kämmerlein verhandelt werden; insbesondere muss zeitnah transparent gemacht werden, nach welchen Kriterien ehemalige Fachseminarleiter*innen mit Stunden an das neue Landesinstitut abgeordnet werden oder ausschließlich an ihren Schulen arbeiten;
keine Einsparungen von Lehrkräftestellen in der Ausbildung; das Signal, ausgerechnet bei der Lehrkräfteausbildung Lehrer*innenstellen einsparen zu wollen, ist angesichts des derzeitigen Fachkräftemangels fatal und offenbart in frappierender Weise die Kurzsichtigkeit der geplanten Neustrukturierung; das Ausmaß der geplanten Einsparungen in der Lehrkräfteausbildung verschleiert die Senatsverwaltung, indem sie ein Nebeneinander neuer Ausbildungsrollen an Schulen und am Landesinstitut schafft, ohne konkrete Aussagen über Anrechnungsstunden zu treffen; um Anrechnungs- und Ermäßigungsstunden in einem den Aufwand honorierenden Umfang festlegen zu können, müssen Schulleitungen und aktuelle Fachseminarleitungen endlich ins Boot geholt werden; Betreuung, Beratung und Coaching von Lehramtsanwärter*innen darf keine zusätzliche Aufgabe für Lehrkräfte an den Schulen werden, die genauso zusätzlich zu erledigen ist wie etwa die Organisation von Klassenfahrten; auch muss klar geregelt werden, in welchem Umfang ausbildende Lehrkräfte für Vertretungsunterricht eingesetzt werden können - sonst werden Ausbildungsaufgaben im Schulalltag leiden;
eine Angleichung von Standards, die die modulare Ausbildung vermittelt, und Standards, die an den Unterricht an den Ausbildungsschulen gestellt werden, dadurch zu gewährleisten, dass die Ausbildungslehrkräfte diesbezüglich fortgebildet werden; nur so können die Lehramtsanwärter*innen im Landesinstitut und an ihren Schulen nach gleichen Standards lernen;
eine nachvollziehbare Planung für die fachliche Ausbildung und Begleitung von Lehramtsanwärter*innen mit Fächern, für die keine Ausbildungslehrkräfte an der Ausbildungsschule oder Nachbarschule sind; für diese gibt es nach derzeitiger Planung keine einigermaßen hinreichende Betreuung und Ausbildung;
am neuen Landesinstitut Raum und Zeit für Austausch und Reflexion der Lehramtsanwärter*innen untereinander und an den Schulen Betreuung durch die Ausbildungslehrkräften zu gewährleiten, z. B. durch in den Stundenplänen verankerte Besprechungsinseln o. ä., die nicht als Vertretungsreserve genutzt werden dürfen;
kleine Gruppengrößen in der modularisierten Ausbildung am neuen Landesinstitut, um einen geschützten Raum für Austausch und Reflexion für Lehramtsanwärter*innen zu schaffen;
adressatenorientierte Module, die sich schwerpunktmäßig z. B. an Lehramtsanwärter*innen wenden, aber auch für andere Interessent*innen offen sind; eine solche Differenzierung ist angesichts der fehlenden Praxiserfahrung von Lehramtsanwärter*innen zwingend, die geplante Zielgruppenöffnung für diese nachteilig;
schulübergreifende Beratungs- und Coachingangebote für Lehramtsanwärter*innen eines Faches am neuen Landesinstitut zu installieren, so dass angehende Lehrer*innen der Einblick in andere Schulen und Schulformen ermöglicht wird, die zukünftiger Arbeitsplatz sein könnten; hier könnten die mobilen Fachbegleitungen eingesetzt werden;
schulexterne Ansprechpartner*innen für Lehramtsanwärter*innen, wenn Probleme mit dem Einsatz in der Ausbildungsschule oder mit der Ausbildungslehrkraft zu lösen sind; diese Funktion könnten auch die mobilen Fachbegleitungen ausüben;
die Zurücknahme der Anrechnung von 10 Unterrichtsstunden für Lehramtsanwärter*innen in den Schulen, d. h. eine Zurücknahme der Erhöhung der Unterrichtsstunden, die Lehramtsanwärter*innen seit diesem Schuljahr geben müssen, damit auch weiterhin Zeit für Hospitationen insbesondere bei den Ausbildungslehrkräften und begleiteter Unterricht möglich ist.
Zusammengefasst muss sichergestellt werden, dass die Neustrukturierung des Berliner Vorbereitungsdienstes transparent durchgeführt wird und nicht zu Lasten der Qualität der Ausbildung zukünftiger Lehramtsanwärter*innen geht.