Renate Künast im Queerness-Test der Siegessäule

01.06.11 –

Bevor im September in Berlin das Abgeordnetenhaus und die Bezirksverordnetenversammlungen neu gewählt werden, hat die Siegessäule den Queerness-Faktor der Kandidat_innen getestet:

"Renate Künast gilt als die einzige Herausforderin, die dem amtierenden Bürgermeister gefährlich werden könnte – und wäre erste grüne Bürgermeisterin der Stadt. Hier ihre Queerness-Testergebnisse: 

1. Wie erklären Sie Ihrer lesbischen Nachbarin, dass sie keine Kinder mit ihrer Partnerin adoptieren darf?
Glasklar: ein Ausschluss gleichgeschlechtlicher Paare vom Adoptionsrecht  ist pure Diskriminierung. Die Frage liegt glücklicherweise beim Bundesverfassungsgericht. Parallel kämpfen wir um parlamentarische Mehrheiten im Bundestag. Unter Rot-Grün war die SPD leider nur bereit, die Stiefkindadoption zuzugestehen. Und jetzt blockiert die schwarz-gelbe Koalition und beharrt auf einem einseitigen Familienbild, das nicht die Realität abbildet. In bin aber zuversichtlich, dass wir in nicht allzu ferner Zeit das gemeinschaftliche Adoptionsrecht durchsetzen. Es muss allein um das Kindeswohl gehen. Denn es ist gut, wenn zwei Menschen Verantwortung für ein Kind übernehmen wollen. Und wenn es die Zeit erlaubt, mach ich bei der Nachbarin gerne auch mal die Babysitterin.

2. Die Moskauer Verwaltung droht den dortigen CSD 2011 wieder zu verbieten. Welche Botschaft sollte Bürgermeister Sergej Sobjanin vor der Entscheidung unbedingt noch hören?
Das erneute Verbot wurde ausgerechnet am internationalen Tag gegen Homophobie ausgesprochen. Die Berliner Partnerstadt muss sich entscheiden: Will sie eine moderne europäische Stadt werden? Für seine Forderungen friedlich auf die Straße gehen zu können, ist ein international anerkanntes Menschenrecht. Die Behörden in Moskau müssen das Recht auf freie Meinungsäußerung vor Angriffen Rechtsextremer und religiöser Fundamentalisten schützen, statt es selbst in Frage zu stellen.
Eine Regierende Bürgermeisterin wird nicht mit dem Moskauer Bürgermeister in die Kameras lächeln, als wäre nichts geschehen.

3. CSD Berlin 2012 – Sie als BürgermeisterIn werden gebeten, einen Mottovorschlag zu formulieren. Wie lautet er?
Erst mal würde ich mich über eine solche Bitte ziemlich wundern. Das wäre ein komisches Demokratieverständnis, wenn die Regierende Bürgermeisterin ein amtliches Demo-Motto vorgeben soll. Der CSD soll schließlich auch politisch Druck machen. Aber wenn schon gefragt wird: Unser grünes Programm heißt „Eine Stadt für alle“. An dieses Leitbild könnte man doch gut CSD-Forderungen anknüpfen.

4. Die HIV-Ansteckungszahlen in Berlin sind hoch. Kennen Sie die Grundregeln des Safer-Sex?
Ja, natürlich. Und was ich nicht wusste, wurde mir als Beiratsmitglied der Berliner Aidshilfe beigebracht. Aber wichtiger ist, dass wirklich alle sie kennen – dass wieder darüber geredet wird. Über Safer Sex muss informiert werden – beginnend in Schulen und nicht endend bei den Erwachsenen. Und wir müssen zielgruppenorientierte Angebote besser aufeinander abstimmen. Einfach nur auf das Kondom zu verweisen reicht logischerweise nicht aus. Wir haben dazu viele Vorschläge, z. B. wollen wir Schnelltests mit Beratung in szenenahen Einrichtungen absichern. Alle Gutachten bescheinigen dem Senat zu wenig politische Steuerung im Bereich sexuelle Gesundheit. Das werden wir gemeinsam mit den Trägern aber auch unter Einbindung der HIV-Positiven ändern.

5. Wer war der erste Schwule oder die erste Lesbe in ihrem Leben?
Ich weiß nicht, wer die oder der Erste war.

6. Der Regierende Bürgermeister geriet für sein Grußwort an das Folsom-Fest in die öffentliche Kritik. Folsom 2012: Grüßen Sie?
Es kommt darauf an, welchen Schwerpunkt die Veranstalter dann setzen und wie sie Grenzen zu menschenverachtenden Tendenzen und Gewalthedonie ziehen. Ich schaue mir das Programm von Folsom 2012 an, sobald es dann vorliegt. Offen und transparent Lebensweisen oder Vorlieben zum Thema zu machen und damit den gesellschaftlichen Dialog zu suchen, finde ich richtig. Freiheit ist aber nicht grenzenlos.  Ob es dann ein Grußwort gibt oder andere Formen des Dialoges, wird man dann sehen.

7. „Wie schwul ist das denn!“ – Versuchen Sie eine Übersetzung dieses Jugendslangs in Erwachsenensprech.
Auch wenn Schwule angeblich nicht direkt gemeint sein mögen, schwingt doch klar ein homophober Unterton mit. Wikipedia sagt mir dazu „Vor allem in der Jugendsprache findet sich schwul inzwischen auch als allgemein abwertendes Adjektiv für Gegenstände und Sachverhalte.“ Aber es zeigt einmal mehr, dass wir noch viel stärker in Schulen und Jugendeinrichtungen ansetzen müssen, damit Kinder und Jugendliche lernen, solche Sprüche zu hinterfragen und Respekt entwickeln.

8. Sie haben die freie Wahl: Mit welchem schwullesbischen Promi würden Sie welches Ressort besetzen?
Für die lange Liste interessanter Lesben, Schwuler und Transgender reicht der Platz in der Siegessäule gar nicht aus. Wir wollen aber erst die Wahl gewinnen und danach die Inhalte der neuen Regierungskoalition abstecken. Die Personalfragen kommen zuletzt. Natürlich kann jedes politische Amt von einer Lesbe, einem Schwulen oder einer Transperson ausgeübt werden. Allerdings muss ich zugeben: bei der Auswahl geht es erstmal um andere Qualifikationen. :) 

9. Ergänzen Sie das Wortfeld mit Assoziationen zu dem Begriff „queer“.

...............Bunt....
............ViElfalt...
.....SolidaRität...
.............GLeiche Rechte...
..............LIebe...
..........GrüN....

10. Die queere Community ist eine relevante Wählergruppe. Sie haben jetzt die Gelegenheit zum gezielten Wahlkampf!
Ich denke, viele in der Community wissen, was sie an uns haben. Wir Grüne haben schon für gleiche Rechte gekämpft und um gesellschaftliche Akzeptanz geworben, als das noch höllisch unpopulär war. Wir sind das Original. Bei jeder grünen Regierungsbeteiligung in Bund wie Ländern haben wir unseren oft hasenfüßigen und zögerlichen Koalitionspartnern Fortschritte für Lesben und Schwule abgerungen. So haben wir schon 1989 in Berlin das Referat für gleichgeschlechtliche Lebensweisen beschlossen, das die liebe Anne Klein als Senatorin umsetzte. Bundesweit No 1. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit. Denn es geht um Menschenrechte und um ein respektvolles Zusammenleben.Längst nicht überall in Berlin herrscht ein Klima von Akzeptanz. Den von unserer Abgeordnetenhausfraktion angestoßenen „Aktionsplan gegen Homophobie“, jetzt „Initiative  sexuelle Vielfalt“ genannt, will ich wirklich mit Leben füllen und die Ziele auch langfristig sichern. Praktizierte Homophobie ist ein Angriff auf die Freiheit, sich in der Stadt offen zu bewegen. Das kann eine demokratische Gesellschaft nicht hinnehmen. Eine Stadt für alle heißt: Bei Bedrohungen und Verbrechen aus Hass gegen einzelne Gruppen ist ganz Berlin solidarisch. Auch den Menschenrechten von Transgender, Trans- und Intersexuellen muss volle Geltung verschafft werden. In einer Stadt für alle müssen die Belange der Community in allen Bereichen aktiv mitgedacht werden, z.B. in der Familienpolitik, bei der Bildung, der Gesundheitspolitik ebenso wie in der Integrationspolitik. Die Antidiskriminierungsarbeit wollen wir stärken. Denn: ich bin verliebt in Vielfalt."

Fragen: Christian Mentz

Quelle: http://www.siegessaeule.de/specials/queerness-test-teil-3-renate-kuenast-buendnis-90die-gruenen.html