20.09.18 –
Die Berliner Drogen- und Suchthilfe sowie die Präventionseinrichtungen sind mit vielen Herausforderungen konfrontiert: der problematische Gebrauch unterschiedlicher Substanzen, der zunehmende Mischkonsum, neu auf den Markt kommende psychoaktive Substanzen und stoffungebundene Süchte, wie Spiel- oder Internetsucht, erfordern ein umfassendes Beratungs- und Therapieangebot.
Nach wie vor treten alkoholbedingte Probleme am häufigsten auf. Neben geschätzten rund 180.000 Alkoholabhängigen, kommt es zu zahlreichen Gewalttaten unter Alkoholeinfluss. Alkoholwerbung ist weiterhin verbreitet und der Zugang zu alkoholischen Getränken, auch für Jugendliche, ist leicht und billig. Knapp 800.000 Berliner*innen konsumieren Tabak. Bei illegalisierten Drogen spielt Cannabis die größte Rolle. Trotz nationaler Verbotspolitik ist der Konsum weit verbreitet. So haben in Berlin ca. 69% der Jugendlichen und jungen Erwachsenen bereits Cannabiskonsumerfahrungen gemacht. Etwa 24.000 Menschen sind abhängig, davon werden nur rund 2.500 ambulant und stationär behandelt. Auch Opiate sind weit verbreitet; in Berlin gibt es etwa 8.000 bis 10.000 Opiatkonsumierende.
Darüber hinaus kommt es in der Hauptstadt, die viele junge Menschen zum Feiern aufsuchen, immer wieder zu Drogennotfällen, die zum Teil tödlich enden. Dies zeigt etwa der tragische Tod einer jungen Frau im Berghain nach einer Überdosierung.
Vor diesem Hintergrund haben wir Grüne im ersten Teil der Legislaturperiode bereits Maßnahmen ergriffen, um Gesundheitsschutz, Suchtprävention sowie Drogen- und Suchthilfe, umzusetzen. Es bleibt jedoch noch viel zu tun!
Eine restriktive Verbotspolitik und die strafrechtliche Verfolgung von Drogenkonsumierenden und Suchtkranken tragen zur sozialen Ausgrenzung der Betroffenen bei und fördern körperliche und soziale Verelendung. Auch der fehlende Zugang zu bestimmten Medikamenten für Opiatkonsumierende führt zu vermeidbaren Todesfällen. Auf Grundlage dieser Erkenntnis wird in einigen Großstädten wie z.B. Frankfurt am Main schon seit Jahrzehnten im Konsens aller demokratischen Parteien niedrigschwellige und akzeptierende Drogenarbeit mit nachgewiesenem Erfolg umgesetzt. Trotz zahlreicher engagierter bezirklicher Initiativen in Berlin und kompetenter Träger gab es bis zum Beginn von R2G nur einen unzulänglichen Flickenteppich von Beratungs- und Hilfeangeboten, wie etwa wenige Konsumorte mit unzureichenden Öffnungszeiten.
Wirksame Hilfsmaßnahmen für opiatkonsumierende Menschen, wie eine niedrigschwellige Naloxonvergabe, wurde von der Vorgängerregierung nicht eingeführt, obwohl die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht eine breitere Verfügbarkeit von Naloxon empfiehlt. Abhängige Menschen und ihre Bezugspersonen sollten Naloxon griffbereit haben, um es im Drogennotfall verabreichen zu können. Naloxon verhindert die Atemlähmung, die bei einer Überdosierung von Heroin zum Tod führen kann. Wenn der Rettungswagen eintrifft, ist es in vielen Fällen bereits zu spät. Erfahrungen in anderen europäischen Ländern und den USA zeigen, dass sich so zahlreiche Todesfälle verhindern lassen. 2017 gab es 168 Drogentote in Berlin, die meisten Todesfälle standen in Zusammenhang mit Heroinkonsum.
Auch andere Hilfsmaßnahmen werden von Konsumierenden oft nicht wahrgenommen, da oft nicht nur der Konsum sondern auch das mit dem Konsum in Zusammenhang stehende Verhalten kriminalisiert werden. Daher ist es angebracht, zu überprüfen, ob Suchtprävention unter legalen Bedingungen Risikokonsument*innen besser erreicht und Gefahren des Drogenkonsums so effektiver entgegengewirkt werden kann. Ein Cannabismodellprojekt, in dessen Rahmen wissenschaftlich untersucht wird, wie sich eine regulierte Cannabisabgabe an Erwachsene auf den Cannabis-Konsum und mögliche negative Folgen auswirkt, ist daher dringend erforderlich.
Außerdem hat sich die chemische Analyse von Drogen (Drugchecking) in zahlreichen europäischen Staaten als wirksam erwiesen, um Gesundheitsgefahren durch Drogenkonsum zu verringern. Dabei werden Substanzen getestet, damit die Konsumierenden erfahren, ob sie verunreinigte oder überdosierte Substanzen erhalten haben. Eingebunden in ein Präventionskonzept können die Konsumierenden so nicht nur vor Gefahren gewarnt, sondern auch von gesundheitsgefährdendem Konsum abgehalten werden. Insbesondere schwer zugängliche Gruppen in Party-Settings können durch Drugchecking Initiativen erreicht werden.
Die rot-rot-grüne Koalition hat sich im Koalitionsvertrag zu einer Liberalisierung der Drogenpolitik und Stärkung der Suchtprävention verpflichtet. R2G hat die Präventions- und Hilfsmaßnahmen bereits erheblich verbessert und arbeitet an der Umsetzung von Drugckecking und einem Cannabismodell-Projekt. Diese wichtigen Ansätze müssen vorangebracht und im zweiten Teil der Legislaturperiode erweitert werden.
Bündnis 90/Die Grünen fordert die Fraktion im Abgeordnetenhaus auf, in den Fachausschüssen und im Plenum auf die Umsetzung der Koalitionsvereinbarung hinzuwirken und dabei die Erkenntnisse aus Studien und den öffentlichen Debatten zu nutzen. Folgende Maßnahmen sind zusammen mit den zuständigen senatorischen Behörden umzusetzen:
Die Umsetzung dieses politischen Ziels in gelebte Politik wollen Bündnis 90/Die Grünen nicht nur auf parlamentarische und der Verwaltungsebene, sondern auch durch öffentliche Debatten mit Fachleuten, politisch Verantwortlichen und der Zivilgesellschaft auf allen Ebenen unterstützen. Dazu werden im kommenden Jahr öffentliche Veranstaltungen zur Verminderung von Begleitrisiken von Drogenkonsum (Harm Reduction) durchgeführt.
Der Beschluss ist als PDF-Dokument verfügbar.
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