18.06.25 –
Beschluss der Sonder-FLINTA Konferenz:
Alle Menschen sollen sich in unserer Partei frei und sicher bewegen können und wohlfühlen. Für uns ist ganz klar, dass wir jegliche Form der Diskriminierung, Belästigung, Gewalt oder gar Übergriffe nicht dulden. Wir solidarisieren uns mit den Betroffenen von sexueller Belästigung und sexualisierter Gewalt und gehen Meldungen konsequent nach. Die Erfahrungen der Betroffenen bilden den zentralen Ausgangspunkt der Arbeit unserer Beschwerdestrukturen.
Wir verstehen sexuelle Belästigungen und sexualisierte Gewalt als körperliche, aber auch verbale oder nonverbale Verhaltensweisen mit sexuellem Bezug, die imstande sind, die Würde von Menschen zu beeinträchtigen. Dazu zählen nicht nur körperliche sexualisierte Gewalt, sondern auch unerwünschter Körperkontakt, z.B. wiederholte, scheinbar zufällige Berührungen, sowie unerwünschte Bemerkungen sexuellen Inhalts oder anstößige Gesten. Dies umfasst somit auch Verhaltensweisen, die nicht strafrechtlich relevant sind, für ein gutes Miteinander und eine angenehme Atmosphäre jedoch unangebracht und inakzeptabel sind.
Wir haben einen Verhaltenskodex etabliert, der klare Regeln und Erwartungen für unsere Zusammenarbeit im bündnisgrünen Kontext festlegt. Insbesondere auch der Graubereich, wenn Verhalten zwar nicht strafrechtlich relevant, aber dennoch grenzverletzend und ethisch für uns als Bündnisgrüne nicht vertretbar ist, wird darin adressiert. Der Verhaltenskodex verweist inhaltlich auf die Definitionen zu sexueller Belästigung aus § 3 Abs. 4 des Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG). In unserem Verhaltenskodex adressieren wir die spezifischen Macht-, Hierarchie- und Vertrauensverhältnissen, von denen Parteiarbeit geprägt ist. Daraus leitet sich eine besondere Verantwortung gegenüber Neumitgliedern, jungen Mitgliedern, Teilnehmer*innen von Weiterbildungsangeboten und Mitgliedern in akuten vulnerablen Lebenslagen ab. Das gilt besonders für unsere Amts- und Mandatsträger*innen. Klar ist aber auch: der Verhaltenskodex kann nur die Grundlagen des Miteinander beschreiben; wie er innerhalb unserer Partei gelebt wird, ist eine Frage der Strukturen. Zur Überprüfung eben dieser Beschwerdestrukturen haben wir einen partizipativen Prozess gestartet, bei dem wir sowohl die Perspektiven und Expertise aus der Partei als auch die Expertise einer externen Beratung einbeziehen. Wenn möglich wollen wir auch die Erfahrungswerte meldender Personen/Betroffener aus vergangenen Prozessen einbeziehen. Der Verhaltenskodex, unsere weiterentwickelten Beschwerdestrukturen und präventive Bildungsarbeit werden wichtige Bestandteile unseres Fürsorgekonzeptes sein.
Unser Ziel ist es weiterhin, Betroffenen eine niedrigschwellige und vertrauensvolle Möglichkeit zu bieten, grenzverletzendes Verhalten zu melden. Wir wollen darüber hinaus ein ganzheitliches Fürsorgekonzept entwickeln, das im Fall einer Meldung Verfahrenssicherheit für alle Beteiligten garantiert und das dem präventiven Schutz aller Menschen dienen soll, die mit uns im grünen Kontext verbunden sind. Es schafft Rahmenbedingungen, die im Falle von grenzverletzendem Verhalten eine angemessene Reaktion garantieren. Betroffene und meldende Personen werden begleitet und unterstützt. Wir wollen verhindern, dass Menschen grenzverletzendes oder grenzüberschreitendes Verhalten aus Sorge vor finanziellen oder politischen Konsequenzen gar nicht erst melden. Deshalb werden wir im Rahmen der Entwicklung des Fürsorgekonzeptes auch die Einführung eines Rechtshilfefonds und weiterer Möglichkeiten zur Unterstützung Betroffener prüfen. Dazu wird der Landesvorstand zur nächsten FLINTA-VV bzw. FLINTA-
Konferenz Vorschläge machen, die mit der Versammlung diskutiert werden. Nach Abschluss des Prozesses, werden wir das Fürsorgekonzept im Landesverband bekannt machen und daran arbeiten, dass es in allen Gliederungen verankert wird und bleibt.
Wir begrüßen, dass sich der Bundesverband ebenfalls auf den Weg macht, seine Beschwerdestrukturen zu überarbeiten. Aus dem Abschlussbericht der Kommission zur Aufarbeitung der Beschwerdeverfahren gegen Stefan Gelbhaar geht klar hervor, dass die aktuellen Beschwerdestrukturen nicht die notwendigen Ressourcen haben, um ein Verfahren wie das der letzten Monate zu bewerkstelligen. Es wurde deutlich, dass besonders der rechtliche Graubereich grenzüberschreitenden Verhaltens schwer zu regeln ist. Ein Ombudsverfahren unterliegt anderen Regeln als ein Gerichtsverfahren. Wir brauchen daher vertrauensvolle Prozesse und Anlaufstellen, an die sich Betroffene auch dann wenden können, wenn sie keine handfesten Beweise liefern können oder ihre Erfahrungen nicht strafrechtlich relevant sind.
Vergleichbar den Compliance Regelungen bei NGOs zwischen ehrenamtlichen und Hauptamtlichen wollen wir uns außerdem damit beschäftigen, wie wir das Ausnutzen von Machtverhältnissen bei romantischen und intimen Beziehungen innerhalb der Partei verhindern können, insbesondere wenn es ein großes Machtgefälle zwischen den beteiligten Personen gibt.
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